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Wilhelm Ernst
Bauinschrift des Kastells Kösching

 

Kösching - Römerkastell Germanicum, 80-242 n.Chr.

Von der merkwürdigen Inschriftenplatte aus dem Jahre 80 n.Chr. ist die Vorder- und Rückseite abgebildet. Beide Seiten enthalten Reste des gleichen Textes.
Kösching, Bauinschrift
Auf der einen Seite (im Bild oben) sind die Buchstaben größer und schöner, auf der anderen (im Bild unten) kleiner und oft ineinandergeschoben.
Mußte der Steinmetz die Platte verkleinern, um sie in einen vorgesehenen Platz einpassen zu können oder war die Marmorplatte, die wohl aus Italien stammte, zerbrochen? Es standen ihm auf jeden Fall statt 1,50 nur mehr 1,00 m Breite zur Verfügung.
Deutlich ist zu erkennen (2. Zeile in der unteren Hälfte des Bildes), daß der Name "Domitian", getilgt wurde. Dieser war nämlich 16 Jahre später verflucht worden.
Gut lesbar ist der Name des Procurators der Provinz Rätien, C. Saturius. (Foto: Winterstein.)

Im übrigen bekommt der Betrachter sicher Respekt vor der Arbeit der Historiker, die aus etwa 50 gut lesbaren Buchstaben einen Text von 200 Buchstaben gewinnen konnten.

Daß der Text überhaupt vorhanden ist, danken wir in zweifacher Weise dem Malermeister Ferdinand Ott, Kösching. Er hat nämlich 1906 den Fund vor der Verschleuderung bewahrt und den abgebildeten Abklatsch gefertigt. Das Original selbst ist in München 1944 im Bombenhagel zerstört worden.


Als im Jahre 1906 unmittelbar südlich der Köschinger Pfarrkirche das neue Mädchenschulhaus gebaut wurde, fand man eine Marmortafel mit einer römischen Inschrift, die großes Aufsehen erregte. Der bruchstückhafte Text lautet nach Auflösung der Kürzungen in Deutsch folgendermaßen:
"Unter dem Kaiser Titus Vespasianus, dem Sohne des vergötterten Vespasianus, dem Pontifex maximus, im neunten Jahr seiner tribunizischen Gewalt, als er zum fünfzehnten Mal Imperator und zum achten Mal Konsul war, dem Vater des Vaterlandes und Zensor und unter dem Kronprinzen Domitianus, dem Sohne des vergötterten Vespasianus, Konsul zum siebenten Mal, Priester aller Priestertümer, ist unter der Leitung des Caius Saturius..."

Titelbild der Festschrift von 1980
Es handelt sich um eine Bauinschrift, bei der leider der Name der Truppe verloren ging, dafür läßt sich genau festlegen, wann die Tafel hergestellt wurde.
Kaiser Titus, der unter der Regierungszeit seines Vaters, des Kaisers Vespasian, im Jahr 70 nach Christus Jerusalem vollkommen zerstörte, regierte nur zwei Jahre, nämlich von 79 bis 81 nach Christus.
Sein 9. Tribunat fällt in die Zeit vom 1. Juli 79 bis zum 1. Juli 80, sein 8. Konsulat begann am 1. Januar 80. So ergibt sich das Jahr 80 nach Christus.
Damals ist also unter dem Procurator der Provinz Rätien, C. Saturius, in Kösching eine größere Baumaßnahme, nämlich der Bau eines Kastells, durchgeführt worden. Es war das Jahr, in dem in Rom das großartige Kolosseum fertiggestellt wurde. Ein Jahr vorher hatten die Städte Pompeji und Herkulaneum ihr schreckliches Ende gefunden.
Wie im Mittelalter die erste Nennung des Ortsnamen in einer Urkunde - für Nürnberg war es die der Freilassung einer Hörigen im Jahre 1050 - so berechtigt die in Stein gemeißelte Bauinschrift, gefunden im Köschinger Kastellbereich, den Markt im Jahre 1980 sein 1900-jähriges Bestehen zu feiern und damit das gewiß geschichtsträchtige Regensburg um genau 99 Jahre zu schlagen, dessen erste Inschrift aus dem Jahre 179 nach Christus stammt.

Wilhelm Ernst
Castell Germanicum
80-1980 Kösching
1900-Jahr-Feier
Sonderausgabe des Bayern-Journal. Ingolstadt 1980.


Siehe auch:


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