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Wilhelm Ernst:
Die Funde des Kastells Kösching

 

Kösching - Römerkastell Germanicum, 80-242 n.Chr.

Funde aller Art

Was an auflesbaren Funden vom Kastell Germanicum im Laufe der Zeit ans Tageslicht kam, läßt sich nie mehr feststellen. Für die Nachwelt bleibt nur, was irgendwie in die Hände der Wissenschaft gelangte, aufgezeichnet und in Museen gesammelt wurde. Auch das ist in unserem Falle noch viel.

Das im Auftrage der Reichslimeskommission herausgegebene Werk (1913) zählt 119 römische Münzen auf. Von den aus verschiedenem Material bestehenden Fundobjekten seien im folgenden nur die wichtigsten genannt. Neben einer Gerätstütze in Gestalt einer weiblichen Büste (10,7 cm), einer Statuette mit einem Genius (18 cm) und der eines Mannes mit Tunika (17 cm) ist bei den Bronzefunden das auf dem Titelbild abgebildete Salbengefäß am wertvollsten. Gegenstände aus Eisen, wie Werkzeuge, Schüssel, Nägel fehlen auch in Kösching nicht. Von den aussagekräftigen Inschriftensteinen wurde schon geschrieben.
Nicht zum Import gehört ein Kopf aus Kalkstein (14,2 cm), der im Band I des großen Ingolstadt-Werkes (Verlag, Donau Courier) abgedruckt ist. Die nächste Steinmetzwerkstätte stand mit ziemlicher Sicherheit in Nassenfels, dem Vicus Scuttariensium, der wohl der wirtschaftliche, verwaltungsmäßige und kulturelle Mittelpunkt des Gebietes zwischen Donau und Limes war.

Nicht erwähnt Aventinus die Gefäße und ihre Reste aus Ton, obwohl gerade diese die Hauptmasse der Funde ausmachen. Selbstverständlich ist darunter Küchengeschirr aller Art, wie Töpfe, Teller, Näpfe, Schüsseln. Manches Geschirr wird in Kösching selbst hergestellt worden sein.

In der Klosterstraße Nr. 28 wurde nämlich ein großer Abfallhaufen aus Keramikresten aufgefunden. Er enthält viel Fehlbrand, d. h. blaugraue Scherben mit Schmorstellen und Hohlräumen und von leichtem Gewicht, wie sie eben bei einem mißglückten Brand anfallen. Das ist doch wohl ein sicherer Hinweis auf eine örtliche Töpferei, denn weit wird man diesen Abfall nicht befördert haben.

Gefäße, die im gesamten Limesgebiet sehr oft vorkommen, sind die sogenannten Reibschalen. Sie werden als Reibschüsseln für Getreidebrei oder auch als Käseschüsseln gedeutet. Die Flüssigkeit konnte durch eine Art Schnauze abgegossen werden. Unter dem Rand besitzen sie eine mehr oder weniger breite Kehlung. Nach den Verfechtern der Milchschüsseltheorie sollte sie dazu dienen, mit dem Daumen den Rahm abstreifen zu können. Unter der Kehlung beginnt auf der Innenseite eine Zone mit mehr oder minder großen Quarzkörnern, an denen man das Getreide zu Brei zerreiben konnte. Nimmt man sie als Milchschüssel, so hat die Steinung den Vorteil, daß die Milch schneller sauer wird, weil sich die Milchsäurebakterien auch bei gewöhnlicher Reinigung von der rauhen Wand nicht leicht beseitigen lassen.
Wohl werden diese Gefäße beiden Zwecken gedient haben. Man muß nämlich bedenken, daß der römische Soldat nicht zum Essenfassen an einer Küche antreten konnte, sondern einfach täglich seine Getreideration zugeteilt bekam. Er mußte sich also seinen Getreidebrei selber herstellen. In der abgebildeten Reibschale ist deutlich ein Loch im Boden zu sehen, das kaum von einer gewöhnlichen Reinigung herrühren kann.

Von der eben geschilderten "Küchenkeramik" hebt sich die "Schwerkeramik" ab. Es sind dickwandige Amphoren, die als Vorratsgefäße dienten.

Tonlampen, oft mit Firmenstempeln versehen, gehören zweifellos zu den reizvollsten Fundobjekten.


Vom Prunkgeschirr und einem rätselhaften Glasstück

Mit dem Terra-Sigillata-Geschirr drang etwas von der weiten Welt in die Enge und Abgeschiedenheit des Limesgebietes. Sie nimmt unter der gesamten Keramik eine besondere Stellung ein. Der Ton muß fein geschlämmt und hart gebrannt sein. Der feste Überzug darauf ist dunkelziegelrot bis orangerot. Neben unverzierten Tassen, Bechern und Reibschalen fallen besonders die Bilderschüsseln auf. Unter einem sogenannten Eierstab wurden, von Ornamenten getrennt, Hirsche und Löwen, Hasen, Jäger, Hunde, Vögel und Bäume, Fische und Delphine, Fabelwesen und Götter oder auch kämpfende Gladiatoren abgebildet. Die Gefäße kamen aus Südgallien, Mittelgallien, Ostgallien, Heiligenberg im Elsaß, Rheinzabern (Worms).
Dabei bedeuten die angeführten Orte zugleich eine Zeitangabe. Südgallische Töpfereien arbeiteten schon im ersten Jahrhundert, in Rheinzabern blühte dieses Handwerk in der Mitte des zweiten Jahrhunderts. Manche Töpfe dieser Art tragen den Stempel eines Töpfers. Eine Unzahl solcher Namen wurden von der Wissenschaft registriert. Sie machen nicht nur ihren Träger "unsterblich", sondern lassen auch etwas von der Größe des römischen Weltreiches erleben. So taucht der Name des gallischen Töpfers Dagodubnus in Regensburg, Kösching, Pfünz und - London auf.

Daß es auch ein einheimisches Prunkgeschirr gibt, sei noch erwähnt. Es handelt sich um dünnwandige Gefäße, die mit einem metallisch wirkenden "Firnis" überzogen sind. Auch ihre Verzierungen mit Rillen, Tonpunkten und Nuppen versuchen Metallgefäße vorzutäuschen.

Wie alle künstlerischen Formen macht auch die Keramik eine Entwicklung mit. So wäre es mit ihrer Hilfe ohne weiteres möglich, auch ohne das genaue Gründungsjahr von 80 n. Chr. zu kennen, den Anfang des Köschinger Kastells festzulegen. Die Funde aus Oberstimm, besonders die der ersten Bauperiode, wirken auf den Kenner der Köschinger Keramik fremd.

Schließlich ist noch auf einen ganz unscheinbaren Fund hinzuweisen, der jahrelang unbeachtet im Magazin des Ingolstädter Museums lag. Es handelt sich um ein dreieckiges Randstück (4,2 cm lang) eines Glasgefäßes, in das der Kopf eines Fisches und Teile zweier großer Buchstaben ( O - I ?) eingeritzt sind. Unwillkürlich denken wir daran, daß der Fisch als Symbol für Christus und für die Getauften im frühen Christentum eine große Rolle spielte. Kündet dieses winzige Glasstück vom ersten keimenden Leben des Christentums im Kastell Germanicum? Forscht man weiter, so erfährt man, daß im Limesgebiet von Wien bis England bisher 7 solcher Glasscherben mit ähnlichen Einritzungen gefunden wurden. Nie wurde ein ganzes Gefäß entdeckt, niemals fand man außerhalb des Limesgebietes unter den zahllosen römischen Funden ein derartiges Stück. Tatsächlich haben die Limesforscher des 19. Jahrhunderts diese rätselhaften Glasscherben als Reste christicher Kultgefäße gedeutet.
Es gibt aber auch ein fünfbändiges Werk, das sich ausschließlich mit den Fischdenkmälern im Frühchristentum befaßt. Der Verfasser, Franz Josef Dölger, lehnt die Auffassung, es handle sich in diesem Fall um christliche Symbole, mit der Begründung ab, daß diese erst um 200 nach Christus in Kleinasien und Nordafrika erscheinen und nicht mehr vor den Germanenstürmen ins Limesgebiet hätten gelangen können. Seine Deutung als Fabrikmarken kann freilich nicht widerspruchslos hingenommen werden. Es ist nämlich kaum zu glauben, daß römische Glashersteller ihre Ware mit diesen recht primitiv eingeritzten Herkunftszeichen versehen hätten.


Ein Schatzfund hellt den Untergang auf

Wie im ganzen übrigen Reich war wohl die glücklichste Epoche die Zeit des Kaisers Antoninus Pius. Damals lag die ala I Flavia Gemelliana mit ihren 480 Mann, ihren Angehörigen und mehr als 500 Pferden in Kösching. Ihre Ernährung war sicher ein Problem, über das man sich meist wenig Gedanken macht. Jedem Soldaten standen nämlich im Tag zwei Pfund Getreide zu.
Die verdienstvolle und ausdauernde Erforschung unseres Heimatgebietes durch Dr. Josef Reichart in den letzten Jahrzehnten löste diese Frage. Nicht weniger als 40 Siedlungsstellen konnte er entdecken. Die meisten von ihnen sind als große römische Landgüter zu deuten, die wohl von ehemaligen Soldaten bewirtschaftet wurden. Mit dieser Aufdeckung ist das Gebiet um Kösching als eines der am dichtesten besiedelten hinter dem Limes anzusehen.

Immer mehr aber wuchs die Bedrohung durch die Germanenstämme im Norden. Ob im 1. Markomannenkrieg (169-175) Kösching zerstört wurde, wissen wir nicht. Ohne Zweifel ist das Kastell an einem äußerst günstigen Punkt angelegt worden. Im Norden, Osten und Westen war es von den sicher damals viel ausgeprägteren Sumpfzonen des Brunnhauptenbaches umgeben.

Als Folge des Einfalls der Markomannen trat ein Ereignis ein, das einen Aufstieg für das ganze Limesgebiet hätte bedeuten können. Regensburg wurde Sitz der III. Italischen Legion. Seit 150 Jahren war keine mehr in Rätien stationiert gewesen.

Zum Tragen kam freilich diese Maßnahme höchstens noch für Regensburg, nicht mehr aber für unseren Bereich. Was sind schon ein paar Ziegelplatten mit dem Stempel dieser Legion, die im Gemäuert gefunden wurden. Von dem damaligen Ausbau des Fernstraßennetzes unter Septimius Severus (193-211) kündet ein Meilenstein, der wohl an der Straße Kösching-Hepberg gefunden wurde.

Die Luxusvilla von Westerhofen, vielleicht zu Jagdzwecken für einen höheren Kommandanten gebaut, ist mit ihrem prächtigen Mosaikfußboden sowieso nicht in die Kultur des Limes einzuordnen. In den ersten Jahren des 3. Jahrhunderts errichtet, war ihr kein langes Leben beschieden. Die Alemannen sammelten sich zum Angriff.
Auch im Kastell Germanicum ging die Angst um. Einer der Soldaten hat damals einen bescheidenen Münzschatz vergraben, dessen 16 Denare im Jahre 1901 beim Bau eines Hauses im Gemäuert wieder entdeckt wurden.
20 Jahre später, also im Jahre 233 überfluteten die Alemannen in breiter Front den rätischen Limes. Der Angriff scheint so überraschend gekommen zu sein, daß die Wachen im Kastell Pfünz erschlagen wurden, ohne daß sie zu den Waffen greifen konnten. Pfünz wurde damals von den Römern verlassen und nicht mehr aufgebaut.

Ging es dem Kastell Germanicum genauso?
Ein Novembertag des Jahres 1933 brachte die Lösung. Mit einer Handvoll römischer Münzen lief der "Gschwellersepp" zum Pfarrer Dr. Markstaller, der gerade eine Religionsstunde hatte. Begeistert für die Heimatforschung, ließ der Pfarrer diese sofort ausfallen. Im Anwesen von Johann Meier, dem Bruder des Gschwellersepps war ein Schatz gefunden worden. Um den gelöschten Kalk gut überwintern zu können, hatte er an diesem Tag begonnen, im warmen Hühnerstall eine Grube auszuheben. In 40 cm Tiefe traf er auf den Mörtelestrich eines römischen Gebäudes. Auf ihm lagen einige Ziegelplatten, wie sie bei römischen Bodenheizungen gebraucht wurden. Dazwischen aber waren 240 Denare ausgestreut. Der jüngste, noch ganz prägefrisch, stammte von Kaiser Gordian III., der 238 nach Christus an die Regierung kam. Das Kastell konnte also 233 n. Chr. noch nicht verlassen sein.
Der nächste große belegbare Alemanneneinfall war 259/60. Daß das Kastell Germanicum sich so lange noch halten konnte, wurde von der Forschung immer mit starken Zweifeln aufgenommen.
Hans-Jörg Kellner, der in den letzten Jahrzehnten die römischen Münzschätze mit äußerster Sachkenntnis zur Aufhellung der römischen Vergangenheit herangezogen hat, fand nun auch für die Jahre um 242 n. Chr. Verwahrfunde in Bayern. Dazu kommt noch die Tatsache, daß die Alemannen damals immer dann in das Römerreich einfielen, wenn auch die Perser angriffen. Und gerade für diese Zeit ist ein persischer Angriff belegbar.

So dürfen wir das Jahr 242 n. Chr. als das Ende des Kastells Germanicum bezeichnen. Ob es zerstört oder nur verlassen wurde, ist fraglich. Man zog sich auf jeden Fall hinter die Donau zurück.
Dort entstand eines der spätrömischen Befestigungswerke, dessen Namen »Vallatum«, zwar bekannt ist und das in der Nähe von Manching liegen muß, das selbst aber nie gefunden wurde. So waren die Römer nach 160 Jahren in die alte Ausgangslage zurückgekehrt. Diesmal freilich bauten sie dort kleinräumige, burgenähnliche Anlagen. Nirgends ist dieser Abstieg des römischen Reiches anschaulicher zu sehen als in Eining, wo man sich in einer Ecke des weiten Kastells »einigelte«.

Für Kösching selbst begann eine lange, geschichtslose Zeit. Sie kann nicht durch schriftliche Quellen und nur im bescheidensten Maße durch archäologische Funde aufgehellt werden. So finden sich unter den Keramikresten Töpfe und Näpfe, die gar nicht zur römischen Ware passen. Sie wurden zum Teil noch ohne Töpferscheibe hergestellt. Gehörten ihre Hersteller und Benützer zu einer vorrömischen Bevölkerung, die auch nach dem Weggang der Soldaten blieb?
Außerdem fallen in der großen Masse römischer Gefäßreste einige frühgermanische Scherben auf. Wenn die Germanen hier wirklich siedelten, so mieden sie, wie auch an anderen Orten, bestimmt den Innenraum des Kastells. Das taten einige Jahrhunderte später auch die bajuwarischen Siedler. So stehen die drei Edelsitze, der Lohenhof, der Gumprechtshof, der Prandtenhof (Rablbauer) außerhalb des Kastellbereiches. Wie im kleinen Böhming wurde aber die Pfarrkirche mitten hineingebaut. Sicher verlockte dazu das noch vorhandene Steinmaterial.

Wilhelm Ernst
Castell Germanicum
80-1980 Kösching
1900-Jahr-Feier
Sonderausgabe des Bayern-Journal. Ingolstadt 1980. S. 9 bis 20.


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