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Team ARP Universität Bamberg:
Von der "Pfahlhecke" zur "Teufelsmauer"
Archäologische Forschungen am Welterbe Limes

 
Foto: Team ARP Universität Bamberg

"Für Strapazen und Mühen bringen sie [keine] Ausdauer auf, und am wenigsten ertragen sie Durst und Hitze; wohl aber sind sie durch Klima oder Bodenbeschaffenheit gegen Kälte und Hunger abgehärtet."
So beschreibt der römische Schriftsteller Tacitus ca. 98 n. Chr. seine Nachbarn im Barbaricum, jenseits der römischen Grenzen im heutigen Deutschland.
Dass Studierende und Mitarbeiter der Professur für Archäologie der Römischen Provinzen der Universität Bamberg (Prof. Dr. Michaela Konrad) wie auch ehrenamtliche Helfer der Gesellschaft für Archäologie in Bayern und des Historischen Vereins Ingolstadt mit dieser Beschreibung nichts gemein haben, konnten sie bei einer Grabung am römischen Limes im Köschinger Forst bei Denkendorf während der Rekordtemperaturen dieses Sommers beweisen.

Foto: Team ARP Universität Bamberg

Interdisziplinarität - "Der Schlüssel zum Limes"!

Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts dreier Forschungseinrichtungen - der Universität Bamberg, der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege - sollte die Entwicklung des römischen Limes von einer einfachen Straße mit Wachtposten bis zur zusammenhängenden Grenzmauer untersucht werden.
Das rund hundert Jahre bestehende Grenzwerk (ca. 150-254 n. Chr.) ist jüngst wieder zum Gegenstand internationaler Forschungen geworden, nachdem sich gezeigt hatte, daß die "Teufelsmauer", ein volkstümlicher Begriff des 18. Jahrhunderts, lange nicht allein die Abwehr barbarischer Stämme zum Ziel hatte, sondern vielerlei Aufgaben erfüllte: Staatsgrenze, kulturelle Scheidelinie, Abgrenzung von Wirtschaftsräumen, Vorzeigeobjekt, vielleicht aber auch nur Beschäftigungsmaßnahme für die nach dem Ende der römischen Eroberungen etwas unterbeschäftigt gewordenen Soldaten.
Die wirkliche Funktion von Europas größtem zusammenhängendem Bodendenkmal ist immer noch nicht geklärt, wir müssen heute vielleicht davon ausgehen, daß der römische Limes alle diese Aufgaben erfüllen sollte.
Mit diesem Wissen sind gegenüber den Forschungen der am Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert tätigen "Reichs-Limeskommission" zwar schon große Fortschritte erzielt, doch zeigt der Einsatz neuester Technik, daß noch längst nicht alle Fragen rund um den römischen Limes beantwortet sind.
Die Kooperation verschiedener Fächer an der Universität Bamberg, darunter z. B. die Informationsverarbeitung in der Geoarchäologie und die Restaurierungswissenschaften, zeigt, daß mit dem Einsatz neuer Methoden und modernster Technik in der Limesforschung (z. B. 3D-Laserscanner) viele Fragen beantwortet werden können, sich zugleich aber auch neue, bislang nicht berücksichtigte Fragestellungen ergeben. Zeitgleich fanden deshalb Geländeprospektionen, 3D-Scannings der Oberfläche, Bohrungen und eine problemorientierte Ausgrabung auf dem Fuchsberg bei Zandt (Gde. Denkendorf) statt, mit dem Ziel, den "Schlüssel zum Limes" zu finden.

Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Wie kommt man an den Stein für die Mauer?

Bereits bei Fernerkundungsflügen durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege konnte man im dreidimensional erfaßten Gelände des Airborne Laserscan Gruben erkennen, die wie Perlen an einer Schnur die Limesmauer begleiten. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, daß diese mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Römerzeit stammen und die Limesmauer mit lokal verfügbaren Materialien gebaut wurde. Die letzte Sicherheit zu dieser Frage werden Holzkohlefragmente aus diesen Gruben erbringen, die auf ihren Gehalt an radioaktivem Kohlenstoff untersucht werden.
Foto: Team ARP Universität Bamberg
So fand das Team unter der örtlichen Grabungsleitung von Julia Koch M.A. heraus, dass die Mauer im Tal mithilfe von Lehm gefestigt war, während auf dem Berg nebenan eine trockene, zweischalige Aufmauerung von ca. 1,25 Meter Breite das Bauwerk kennzeichnet. Kaum zu unterscheiden war sie vom anstehenden Juraplattenkalk, der nur 10 cm unterhalb des Waldbodens ansteht.
Ob da die Theorie eines repräsentativen Bauwerks greift? Von einem Verputz der ästhetisch wenig anspruchsvollen Mauer hat das Team noch nichts entdecken können. Die Größe Roms kann man aber auch in einer pfeilgeraden Linienführung zum Ausdruck bringen, wie hier auf dem Fuchsberg, an dessen östlichem Ende die Mauer abenteuerlich steil, aber schnurgerade zur Schambachquelle hinabzieht: Hier äußert sich der Anspruch der Beherrschung der Natur.
Auch die Rekonstruktion der ursprünglichen Höhe der Limesmauer wird erstmals auf sicheren Beinen stehen, wenn dank des terrestrischen Laserscannings der Materialentnahmegruben Volumenberechnungen angestellt werden können.

Internationale Limesforscher zu Gast

Zur Diskussion über das Aussehen, die Datierung und der Bedeutung der Grenzen des Römischen Reiches Limes in der römischen Welt haben sich in der 3. Septemberwoche über 400 Archäologen im Rahmen des 23. Internationalen Limeskongresses in Ingolstadt versammelt.
Die Spezialisten nahmen am 19. September bei einer Exkursion die Chance war, den durch die Archäologiestudierenden und ehrenamtlichen Mitarbeiter freigelegten Limesabschnitt, zu dem nicht nur die Mauer, sondern auch eine ältere Palisade sowie zwei im Gelände noch gut erkennbare Wachtürme gehören, auf der Ausgrabungsstätte auf dem Fuchsberg in Augenschein zu nehmen.
Um das Kulturdenkmal vor Frostschäden zu schützen, wurde die Grabungsfläche wieder versiegelt.
"Mauern als Grenzen" - so der Titel eines Buches - welchen Sinn haben sie wirklich? Wollte sich das römische Reich schützen? Die deutsche Geschichte, aber auch die jüngsten Mauerbauten des letzten Jahrzehnts zeigen, dass die Gründe für solche gewaltigen Bauvorhaben, die zugleich einen enormen Eingriff in Lebens- und Naturräume darstellen, vielfältig sind, häufig aber das Ergebnis von Aggression und Schutzbedürfnis. Auch wir leben nicht "in der besten aller Welten".

Ob uns unsere täglichen Gäste, eine Wildschweinfamilie aus dem Köschinger Forst, wenigstens vermissen werden?

Text und Fotos: Team ARP Universität Bamberg


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