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Karl Heinz Rieder:
Spätantike, Völkerwanderung, Merowingerzeit
gekürzt von Kurt Scheuerer

 
Während der mittleren Kaiserzeit stellte das Ingolstädter Becken, insbesondere jedoch die fruchtbaren Gebiete zwischen Limes und Donau, eine relativ geschlossene Siedlungskammer dar.
Doch 233 erfolgte der Zusammenbruch der römischen Zivilisation im nördlichen Rätien.
Eine endgültige Aufgabe des Grenzlandes nördlich der Donau dürfte 260 erfolgt sein.
Der Siegesaltar von Augsburg zeigt, daß 260 der germanische Stamm der Semnonen bzw. Juthungen von einem Italienfeldzug zurückkehrte und von römischen Verbänden bei Augsburg entscheidend geschlagen worden war.

Gegen 300 bildeten sich neue Siedlungsgemeinschaften mit wohl wechselseitigen Beziehungen nördlich und südlich der Donau heraus. Dies mag eine Folge der Konsolidierung der politischen Verhältnisse unter Kaiser Probus im Jahre 280 sein.
"Nördlich der Donau vollzieht sich eine allmähliche Aufsiedlung seitens germanischer Siedler."
Das kleine Gräberfeld von Berching-Pollanten dürfte noch im 3. Jh. entstanden sein. Geringfügig jünger ist der Grabfund von Laisacker.
Auch südlich der Donau gab es wohl keine Siedlungskontinuität.
"Alle sicheren Belege für eine Besiedlung fehlen bislang für die zweite Hälfte des 3 Jhs und selbst noch für den Beginn des 4. Jhs."

Vermutlich unter Diocletian wurde die Donaugrenze neu eingerichtet.
"Der Grenzstraße folgend gibt es in unregelmäßigen Abständen Kastellanlagen, die in ihrer baulichen Struktur am ehesten mittelalterlichen Burgen ähneln. ...
In unregelmäßigen Abständen befanden sich zwischen den Kastellplätzen sogenannte Burgi, worunter befestigte Streckenposten mit geringer Besatzung zu verstehen sind."

Ein spätrömisches Kastell auf dem Neuburger Stadtberg konnte nachgewiesen werden, östlich davon ist im Brucker Forst ein Burgus bekannt.
In der Lücke bis Eining wurde nun bei Zuchering ein Burgus mit Münzen des 4. Jhs gefunden. Unmittelbar neben der römischen Straßentrasse fand sich eine Siedlingsgrube mit einem germanischen Gefäß des 4. Jhs.
Auch das Gräberfeld des Neuburger Kastells hat gezeigt, "daß dessen Besatzung fast ausschließlich aus germanischen Söldnern und deren Gefolge bestand."

"Die als relativ stabil zu bezeichnende politische Konstellation hatte Bestand bis in die Zeit um 400. In dieser Zeit wurden nach historischen Quellen die rätischen Truppen vom römischen Heermeister Stilicho nach Italien beordert."

Zu gleicher Zeit läßt sich nördlich der Donau eine neue Bevölkerungsgruppe nachweisen.
"Offensichtlich stammt sie aus dem Süden und Westen des böhmischen Kessels und stößt in die Landschaft nördlich der Donau vor. Es gibt gute Gründe dafür, diese Leute aus Böhmen mit den in späteren Quellen sogenannten Baiuwarii zu identifizieren.
Offensichtlich respektieren sie die römische Reichsgrenze, die Donau.
Lediglich in den Kastellplätzen wie etwa Neuburg, Eining, Weltenburg, Regensburg und Straubing fand sich die typische Keramik dieser Leute, die nach einem Brandgräberfeld nahe der Ortschaft Friedenhain nördlich von Straubing benannt wurde.
Dabei deutet sich an, daß die wehrfähigen jungen Männer der »Friedenhainbevölkerung« Dienste in der römischen Grenztruppe übernahmen, wie dies bei der Vorbevölkerung bereits gang und gäbe war. Wohl nicht länger als eine Generation dürfte diese Praxis noch gepflegt worden sein.
Ein bisher völlig isoliertes Kriegergrab aus Kemathen zwischen Kinding und Kipfenberg legt hierfür beredtes Zeugnis ab."

Ab der Mitte des 5. Jhs setzen sich neue Siedler "unter Überwindung wohl nur geringer Widerstände in der alten Raetia Sekunda fest.
Nachweisen läßt sich dieser Trend von Neuburg a.d. Donau angefangen bis in die Münchener Schotterebene, das Regensburger Umland, ja sogar bis nach Straubing im Osten.
In der gängigen Meinung wird hierfür der Alamannenkönig Gibuld verantwortlich gemacht.
Archäologisch gesehen sind daran auch Thüringer oder neutral ausgedrückt, elbgermanische Siedler aus dem Norden beteiligt."
Hierzu gehört das Reihengräberfeld von Bittenbrunn, nördlich von Neuburg, das bereits um die Mitte des 5. Jhs einsetzt.

497 erlitten die Alamannen eine Niederlage im Kampf gegen die Franken, 506 erfolgte noch ein Aufstand.
"Demzufolge dürften Alamannen für eine Zuwanderung von erheblicher Intensität verantwortlich sein. Auf diesen Zeithorizont geht wohl die Namengebung der »ing-Orte« zurück, die kennzeichnend für das Altsiedelland sind."
Lesefunde aus dem Gräberfeld von Zuchering lassen die Nekropole in die Zeit um 500 zurückkommen.


Karl Heinz Rieder
in: Archäologie um Ingolstadt. Kipfenberg 1995. S. 211-217.

siehe auch:

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