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Metallanalysen des Ingolstädter Depotfundes
zum Bernstein- und Bronzefund aus Ingolstadt

Susanne Greiff
Aus dem Katalog zur Ausstellung: Das Geheimnis des Bernstein-Colliers
Ingolstadt 1998. S. 51-52.


Obwohl bei dem bemerkenswerten Fund auf dem Baugelände der Firma Audi das prächtige Bernsteinkollier sicherlich die aufsehenerregendere Komponente darstellt, sollten die dazugehörigen Buntmetallfunde ebenfalls mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden.
Warum nun Metallanalysen?

Eine chemische Analyse an einem antiken Metallfunden ist kein Selbstzweck. Es lassen sich z.B. Aspekte der Herstellungstechnik durch das Wissen um die chemische Zusammensetzung beleuchten. Zudem erschließen sich durch das Sammeln von Daten Möglichkeiten, zeitliche Entwicklungen in der Metallverarbeitung zu verfolgen oder gar die Herkunft der Erze zu klären und damit vorgeschichtlichen Handelsverbindungen auf die Spur zu kommen. Die Frage nach der Authentizität, ebenfalls durch Analysen der Fundobjekte lösbar, stellt sich in Zusammenhang mit den offiziell ergrabenen Funden aus Ingolstadt naturgemäß nicht.

Für die Restaurierung oder Konservierung sind Metallanalysen meist nur von zweitrangiger Bedeutung. Wir erwarten aus Funden dieser Epoche kein Messing, welches unter Umständen eine andere Vorgehensweise bei der Konservierung erfordern würde und aufgrund ähnlicher Korrosionerscheinungen erst durch eine chemische Untersuchung von Bronze zu unterscheiden wäre.

Analysen helfen beim Zusammensetzen

In Falle der Beinbergen gab es allerdings eine recht konkrete Fragestellung, die sich im Zusammenhang mit der Rekonstruktion ergab. Für zwei korrodierte Blechfragmente fand sich keine direkte Paßstelle an eine der Beinbergen. Es sollte geklärt werden, ob die chemsiche Zusammensetzung eine Zugehörigkeit eher ausschloß oder wahrscheinlich machte.

Dazu wurde erst eine repräsentative Auswahl von mehreren Probenpunkten an beiden Beinbergen untersucht, um sich einen Überblick über die Variabilität der chemischen Zusammensetzung innerhalb der Objekte zu verschaffen, die aufgrund der Verwendung von unterschiedlichen Legierungen, aber auch durch unterschiedliche Abbaugrade durch die Lagerung im Boden entstehen kann. Diese wurden dann mit Analysen der fraglichen Fragmente verglichen.

Ergebnisse der Metallanalysen (Röntgenfluoreszenzanalysen in Gew.%) an verschiedenen Stellen der beiden Beinbergen sowie der beiden Fragmente, deren eindeutige Zuordnung unsicher war:

    Beinbergen   Fragmente
    Beinberge Nr.1 metallisch Beinberge Nr.1 metallisch Beinberge Nr.2 metallisch Beinberge Nr.1 korrodiert   Fragment A
 
korrodiert
Fragment B freigelegtes Metall
Kupfer (Cu)   84,46 87,64 89,18 67,15   70,30 99,93
Zinn (Sn)   14,40 11,45 10,02 28,51   27,22   0,03
Antimon (Sb)     0,18   0,23   0,10   0,57     0,37   0,00
Silber (Ag)     0,05   0,04   0,05   0,07     0,06   0,03
Blei (Pb)     0,26   0,12   0,00   0,59     0,64   0,00
Arsen (As)     0,44   0,32   0,54   2,73     1,31   0,00
Zink (Zn)     0,00   0,00   0,00   0,00     0,00   0,00
Nickel (Ni)     0,20   0,19   0,11   0,38     0,10   0,00

Die wellenlängendispersiven Röntgenfluoreszenzanalysen erfolgten ohne Probennahme an einer speziell um-
gebauten SRS 200 der Firma Siemens. Gehalte mit 0,00 Gew. % liegen unter der Nachweisgrenze des Gerätes.

Die Analysenergebnisse zeigen uns, daß wir es bei beiden Beinbergen mit einer ziemlich reinen Zinnbronze zu tun haben, was für diese Zeit durchaus üblich war. Bleibronzen oder gar Messing sind erst bei den Römern weit verbreitet und Kupfer bzw. Arsenbronzen waren zu diesem Zeitpunkt schon ein wenig aus der Mode gekommen.
Erstaunlich für ein solch aufwendig getriebenes Objekt ist der Zinngehalt von über 10 Gew.%. Höhere Gehalte machen das Material nämlich eher spröde und schlechter verformbar, so daß dem bronzezeitlichen Handwerker in puncto Temperaturführung beim Zwischenglühen einiges abverlangt wurde.

Zwischen den beiden Beinbergen bestehen keine großen Unterschiede in der Zusammensetzung. Die Spurenelemente sind von den Größenordnungen her gut vergleichbar, das Blei ist oft schon beim Guß des Rohbarrens inhomogen verteilt. Die Unterschiede bei den Hauptelementen der Bronze, nämlich Kupfer und Zinn, müssen nicht unbedingt primärer Natur sein: Das Kupfer-Zinn Verhältnis kann durch Auslaugungserscheinungen im Boden beeinflußt werden, besonders im Falle eines dünnen, getriebenen Bleches. Auch wenn das Material „frisch“ metallisch glänzt, haben die Salze der Bodenlösungen Jahrtausende Zeit gehabt, entlang der mikroskopisch feinen Kristallitgrenzen das Metall zu korrodieren.
Daß bei den Korrosionsvorgängen Kupfer oft bevorzugt herausgelöst und Zinn dadurch passiv angereichert wird, ist an der Analyse des korrodierten Meßpunktes von Beinberge 1 abzulesen: Der Zinngehalt steigt auf fast 30 Gew.% an. Eine ähnliche Erhöhung auf 2,7 Gew.% gegenüber den metallisch erhaltenen Stellen ist auch für den Arsengehalt zu beobachten.

Was gehört wozu ?

Anhand der Analysenergebnisse ließ sich nun die Frage nach der Zugehörigkeit der beiden Fragmente zu den Beinbergen schnell beantworten:

Fragment A war vom Restaurator zwar bis auf die „originale Oberfläche“ von den dicken Korrosionsauflagerungen befreit worden, diese Oberfläche war aber in Form von Korrosionsprodukten erhalten. Dementsprechend sollte man die Zusammensetzung des Fragmentes A eher mit der Analyse der korrodierten Oberfläche der Beinberge 1 vergleichen als mit einem der drei metallisch erhaltenen Meßpunkte. Das Ergebnis zeigt, daß dieses Fragment sicherlich zu einer der Beinbergen gehört, nur von welcher genau es stammt, läßt sich nicht eindeutig sagen.

Spannender ist das, was uns die Analyse des Fragmentes B über eine mögliche Zugehörigkeit zu den Beinbergen verrät: Hier haben wir es mit einem sehr reinen Kupferblech zu tun, das unmöglich Bestandteil der bronzenen Beinspiralen gewesen sein kann. Dieses Blech stellt somit einen unabhängigen Teil des Depotfundes dar.

Aus was bestehen die Stiftchen ?

Die Beinbergen und Fragmente waren nicht die einzigen Buntmetallobjekte des Ingolstädter Fundmaterials. Mehrere winzige, komplett durchkorrodierte Stiftchen gehörten ebenfalls zum Ensemble und sollten der Vollständigkeit halber mit untersucht werden.
Wegen der Fragilität wurde nur eines der Stiftchen analysiert, allerdings ohne eine quantitative Analyse anzufertigen. Aber auf dem Meßschrieb des Röntgenfluoreszenzgerätes, dem „Spektrum“, auf dem alle in dem Material vorhandenen Metallelemente erscheinen, läßt sich schon gut erkennen, daß es sich wie bei den Bergen um eine Zinnbronze handelt. Die Funktion der Stiftchen läßt sich über eine chemische Analyse natürlich nicht herausfinden.

Die chemischen Analysen der Metallobjekte haben zur Beantwortung der ein oder anderen kleinen Frage beigetragen, die dem Restaurator und Archäologen für die Rekonstruktion und Interpretation des Fundes zusätzliche Informationen liefern.

Dr. Susanne Greiff
Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Ernst-Ludwig-Platz 2
D-55116 Mainz


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