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Hafnerei-Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2010
Beamter - Professor - Bürger

 
Das 15. und das frühe 16. Jahrhundert waren eine Zeit der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte Ingolstadts. Auch nach dem Aussterben der Ingolstädter Herzogslinie 1447 wurde die Stadt unter den nachfolgenden Landshuter Herzögen nachhaltig gefördert, mit Handelsprivilegien ausgestattet, und die begonnenen herzoglichen Schlösser- und Kirchenbauprojekte wurden weiter geführt. 1472 konnte zudem die bayerische Landesuniversität eröffnet werden. Der deutliche quantitative und auch qualitative Zuwachs beim Fundgut der Ingolstädter Altstadt in dieser Zeit hat somit mehrere Ursachen. So kommen für die Hafnerei in der Konviktstraße viele Auftraggeber in Betracht. Die Frage ist, ob das Fundgut aus der Hafnerei nur allgemein den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung einer Stadt veranschaulicht, oder ob es nicht doch typisch ist für eine Residenzstadt, für eine Universitätsstadt - für Ingolstadt.

Ein Beispiel für die Zuweisungsschwierigkeiten liefern zwei Latrinen auf dem Grundstück Franziskanerstraße 5 (Neckermanneck) nahe beim Alten Schloss. Sie lagen nur wenige Meter voneinander entfernt und enthielten ganz überwiegend einfache Geschirr- und Glasfunde aus den Bereichen Küche/Kochen, Vorratshaltung, Wohnen und Essen/Trinken des späten 15. bis 17. Jahrhunderts.

Foto: Kurt Scheuerer

Im Fundgut der einen Latrine fallen jedoch das Fragment einer mehrfarbig glasierten Nischenkachel mit der Darstellung eines Platterspiel blasenden Narren und Fragmente ebenfalls mehrfarbig glasierter Blattkacheln mit Wappen haltendem Engel als Motiv auf. Sie datieren ins 15. Jahrhundert und zeigen eindeutige Bezüge zum Hafnereifundgut der Konviktstraße. Somit ist es hier gelungen, die Kundschaft der Hafnerei näher zu lokalisieren.

Aus der anderen Latrine stammen zahlreiche Blattkacheln mit Darstellungen der Sieben Freien Künste des entwickelten 16. Jahrhunderts. Hinzu kommt ein Kachelfragment mit einer Darstellung der Hl. Katharina, die vor allem wegen ihrer Gelehrsamkeit verehrt wird. Sie ist die Patronin der Artistenfakultät. Die in dieser Latrine geborgenen Tierknochen sind Schlachtabfälle junger Kälber und stammen offenbar aus einer Metzgerei. Die Funde weisen somit auf wohlhabende Hausbewohner hin, zu denen ja auch Metzger zählten. Sie waren schon damals im Rat der Stadt vertreten.

Ob das vom Humanismus beeinflusste Lebensgefühl, das die Reste einer gehobenen Raumausstattung aus der zweiten Latrine widerspiegeln, dem wohlhabenden Bürgertum, den landesherrlichen Institutionen im Umfeld der Schlösser oder dem Kreis der Universitätsangehörigen zuzuweisen ist, muss aber vorerst unentschieden bleiben. Die Wohnbereiche der Metzger im wenig südlich beginnenden Handwerkerviertel an der Schutter, das Alte Schloss und die Ludwigstraße mit ihren Professorenhäusern sind in etwa gleich nahe gelegen. Auch die Wappenkacheln der ersten Latrine dürfen nicht vorschnell auf das benachbarte Schloss bezogen werden. Wappenkacheln sind nicht dem Adel vorbehalten. Engel als Wappenhalter, die in Gestalt eines Pagen und mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt sind, gehören im deutschen Sprachraum während des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den weit verbreiteten Motiven.

Der oder die spätmittelalterlichen, mehrfarbig glasierten Kachelöfen aus der Franziskanerstraße dürfen aber in jedem Fall der obersten Gesellschaftsschicht Ingolstadts zugeordnet werden. Ob das in gleichem Maße für den frühneuzeitlichen, einfarbig glasierten Kachelofen mit den Sieben Freien Künsten gilt, lässt sich nicht ganz so sicher sagen. Denn Fragmente derartiger Reliefkacheln sind im Fundgut der Ingolstädter Altstadt wesentlich häufiger.

So sind die im Rahmen dieser Ausstellung gemachten Zuweisungen der Ingolstädter Hafnereifunde zu Bauten der Landesherrschaft, der Kirche, der Universität oder des gehobenen Bürgertums meist nur als Vorschläge zu verstehen.
Es gibt aber nicht nur Vermutungen, sondern durchaus begründete Annahmen, die im Fall der Hafnerei in der Harderstraße sogar zur Gewissheit werden.

Text: Dr. Gerd Riedel, 2010


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