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Hafnerei-Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2010
Individualität und Serienproduktion

 
Der Propheten-Model lässt erkennen, dass dem mehrschichtigen Aufbau der Anguss oder Auftrag einer feinen Schlickerschicht vorangegangen ist. Dies ist nicht bei allen Modeln festzustellen und war wohl von der Detailliertheit der Darstellung abhängig. Vergleicht man nun den Model mit der "zugehörigen" erhaltenen Reliefplatte, findet man neben modelgleichen Bereichen wie Schriftband und Grundform des Huts zahlreiche Änderungen. Einerseits müssen sie in weiteren vor der Abformung durchgeführten Zwischenschritten vollzogen worden sein, andererseits sind die Änderungen auch erst am gemodelten, aber noch feuchten Produkt erfolgt.

Ob es sich nun bei der Reliefplatte mit der Darstellung eines weiteren Propheten um ein Endprodukt oder ein gemodeltes Modell zur weiteren Vervielfältigung handelt, sei dahingestellt. Nach der Entnahme aus der Form war der "Künstler" mit dem Ergebnis offensichtlich nicht zufrieden. Das Motiv wurde mit verschiedenen Schneidewerkzeugen vollständig überarbeitet. Während der Hintergrund nur an der Darstellung beschnitten oder geglättet wurde, wirkt die Figur des Propheten durch die zahlreichen Überarbeitungen wie frei modelliert. Die konkave Ausführung als Portal- oder Bauschmuck machten einen Rahmen und kreuzförmig aufgelegte Stege auf der Rückseite zur Verstärkung notwendig.

Weitere Reliefplatten aus dieser Gruppe der Propheten bestätigen diese Arbeitsweise. Darüber hinaus hat sich bei einem Exemplar eine Farbfassung erhalten. Der wenig sorgfältige Auftrag zeigt aber, dass die Arbeit unvollendet blieb. Es ist auch nicht klar, ob es sich um einen noch zu brennenden Überfand oder um eine Kaltbemalung handelt. Auch hier zeigt sich das Bestreben des "Künstlers", einem in Serie gefertigten Stück seine Eigenheit zu verleihen.

Die Herstellung und gleichzeitige Verwendung mehrerer Modelle und zugehöriger Model erlaubte zum einen eine höhere Produktion und zum anderen eine größere Variationsbreite. Somit konnte der "Künstler" einer steigenden Nachfrage ohne gravierenden Verlust von Qualität und Individualität gerecht werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Modelplatte zu sehen, mit welcher mindestens 9 unterschiedliche Köpfe gleichzeitig hergestellt werden konnten. Zur Fertigung figurenreicher Szenen wie beispielsweise dem um 1500 entstandenen Marientod in einer Seitenkapelle des Münsters Zur Schönen Unserer Lieben Frau in Ingolstadt könnte man sich solcher Hilfsmittel bedient haben.

Die direkte Kombination der Techniken sowie Parallelen in der Gestaltung der, leider nicht erhaltenen, hölzernen Vorlagen mit den aus Ton gefertigten Modellen werfen die Frage auf, ob unser Tonbildner gleichzeitig auch Bildschnitzer war. Zumindest stammt der überwiegende Teil der sehr qualitätvollen Darstellungen, sei es in Holz oder Ton, aus derselben Hand. Das Vorhandensein zahlreicher Originale und Urmodelle spricht eher für die Schaffung durch den "Künstler" vor Ort.

Text: Dr. Gerd Riedel, 2010


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