Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Kösching
Nachbar und Wegweiser zum Kammergut Ingoldesstat

 
Wie vielschichtig die Entwicklung einer Ortschaft in den 1000 Jahren von 300 bis 1300 n.Chr. verlaufen konnte, ohne dass schriftliche Aufzeichnungen davon etwas überliefert hätten, zeigt Ingolstadts Nachbarort Kösching. Er zählt zu den besten Beispielen zur mittelalterlichen Siedlungsentwicklung in Bayern. In den letzten Jahren konnten in und um Kösching eine ganze Reihe von Siedlungsplätzen archäologisch untersucht werden, die aus der Zeit nach dem Abzug der Römer aus dem dortigen Kastell und Lagerdorf stammen. Fast möchte man meinen, wenn Siedlungen des frühen Mittelalters in Kösching so leicht zu finden sind, müssten sie auch im benachbarten Ingolstadt mit seinen zahlreichen Stadtkerngrabungen längst entdeckt worden sein, wenn sie denn vorhanden gewesen wären.

Möglicherweise siedelten Germanen schon im Umfeld des Kastells, als die römische Grenzverteidigung nördlich der Donau noch nicht zusammengebrochen war. In jedem Fall waren sie kurz nach dem Rückzug der Römer hinter die Donau auf dem Eixelberg nördlich des Ortskernes ansässig. Auch an der wichtigen Verbindungsstraße von Regensburg nach Augsburg, die Kastell und Lagerdorf passierte, entstanden neue Siedlungen, auf dem heutigen Realschulgelände im Westen und am Tettelbach im Osten. Entdeckt wurden unter anderem Gefäße mit charakteristischer Schrägkannelur und gut datierbare Gewandschließen aus Bronze.

Weitere wohl gleichzeitige Siedlungen werden weiter nordöstlich durch Lesefunde angezeigt.

Die Köschinger Germanensiedlungen scheinen wie viele gleichzeitige Wohnplätze in der Region nur relativ kurz existiert zu haben. Der Siedlungsplatz auf dem Eixelberg wurde dagegen bis ins späte Mittelalter genutzt, was aber die Möglichkeit einer Siedlungsunterbrechung nicht ausschließt. Mit einem zugehörigen, lange bekannten Friedhof ist auf dem Eixelberg eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste „Wurzen“ des heutigen Marktes entdeckt worden. Eine „Ringknaufspatha“ bei einer der Bestattungen des Gräberfeldes weist zusätzlich auf die Bedeutung der Siedlung in Köschings Frühzeit hin. Denn dieses in unseren Breiten sehr seltene Schwert skandinavischer Herkunft war Waffe und Rangabzeichen eines germanischen Edelmannes.

Am „Schlehenanger“ westlich des Eixelberges deuten merowingerzeitliche Grabfunde und Lesefunde des hohen und späten Mittelalters eine weitere Siedlung an, die über mehrere Jahrhunderte hinweg bestand. Neben diesen Siedlungen sind in den letzten Jahren weitere Plätze bekannt geworden, an denen in damaliger Zeit „Ortsteile“ von Kösching standen. Unmittelbar östlich des Ortskernes beim Sportplatz jenseits des Köschinger Baches existierte eine Siedlung bereits im 6./7. Jahrhundert. Im Feuchtbereich des Baches waren gruben- und schachtartige Bodeneingriffe nachweisbar. Besonders auffällig war ein Steinpflaster im Hangbereich über dem Sportplatz. Es könnte sich um die Reste eines Gebäudes handeln. Gepflasterte Flächen in Gewässernähe wurden in den frühmittelalterlichen Siedlungsarealen von Großhöbing und Kelheim-Gmünd mit Flussländen in Zusammenhang gebracht. Auch dieser Gedanke wäre für die Köschinger Befunde zu erwägen.

Schon 1897 war die Köschinger „Hansa-Schale“, eine romanische Messingschale mit eingravierten Engelsdarstellungen, nahe der Siedlungsstelle entdeckt worden. Sie befindet sich heute im Bayerischen Nationalmuseum. Das Stadtmuseum besitzt nur eine Nachbildung. Hansa-Schalen wurden vor allem vom späten 11. bis zum frühen 13. Jahrhundert hergestellt. Sie stammt demnach aus der Zeit, als die Siedlung am Sportplatz noch bestand. Ihr Auftreten deckt sich zeitlich jedoch nicht mit dem Namen gebenden Seehandelsbund. Auch geographisch ist das nicht der Fall, wie auch das Köschinger Beispiel zeigt. Dennoch waren diese Schalen Fernhandelsgut. Derzeit sind in ganz Europa nur etwa 160 romanische gravierte Schalen bekannt. Da „Hansa-Schalen“ aus gehobenem Milieu stammen und als normaler Abfall eigentlich zu wertvoll sind, stellt sich die Frage, ob sie nicht aus kultisch-religiösen Gründen versenkt wurden. Die Schale kam aber nicht an einer einsamen Quelle, sondern im Bereich einer Siedlung in den Boden.

Allen bisher genannten Siedlungsplätzen war gemeinsam, dass sie in deutlichem räumlichem Abstand zum spätmittelalterlichen Markt lagen oder durch einen Gewässerlauf klar von ihm getrennt waren. Seit 1958 ist jedoch durch die Entdeckung eines Grabes in der Unteren Marktstraße bekannt, dass auch in der Flussschleife des Köschinger Baches, die das Römerkastell mit Lagerdorf und später der Markt nutzten, im entwickelten 7. Jahrhundert gesiedelt wurde.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 54-63.


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