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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Vom Herrenhof zum Markt?

 
Der Marktkern von Kösching reicht als Siedlungsplatz zumindest in einem Randbereich bis in die Merowingerzeit zurück. Ein Grab in der Unteren Marktstraße knapp 400m östlich der Pfarrkirche belegt das. Der zugehörige Wohnplatz wurde im Baugebiet Bachaue-Ost knapp außerhalb des Südostrandes der späteren Marktumwehrung untersucht. Die ausgegrabene Keramik zeigt, dass Grab und Siedlung zeitlich zusammengehören. Die feinere und dünnwandigere Keramik des späten Früh- und des Hochmittelalters belegt den Fortbestand der Siedlung bis zum späten Mittelalter, das durch die jüngere Drehscheibenware angezeigt wird. Offensichtlich hat man den alten Wohnplatz wie dem beim Sportplatz bei der Errichtung der Marktumwehrung um oder nach 1397 aufgegeben, soweit er außerhalb von Wall und Graben lag.

Auch aus dem Umfeld der beiden ältesten Köschinger Kirchen gibt es Neufunde der letzten Jahre. Die Gotteshäuser sind die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt im Ortszentrum und das Peterskirchlein. Es liegt etwa 600m nordöstlich der Marienkirche außerhalb des Marktes nahe beim Köschinger Schloss. Früher diente es der alten Burganlage als Kapelle, wird aber in der Lokalforschung für weitaus älter gehalten. Beigabenlose Bestattungen aus seinem Umfeld und beim Schloss deuten auf spät- und nachmerowingische Siedlungs- und Bestattungsplätze hin. Die bei Baumaßnahmen beobachteten Siedlungsspuren aus dem Umfeld von Burg und Peterskirchlein gehören laut Fundmaterial jedoch erst ins späte Mittelalter.

Im innersten Zentrum des Marktes um die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, einer alten Martinskirche, ist es aus archäologischer Sicht bemerkenswert „ruhig“ geblieben. Im nächsten Umkreis befinden sich das Rathaus und der Prandtenhof, ein kleines Schlösschen, das als Hofstelle bis in spätmerowingisch-karolingische Zeit zurückreichen soll. Gefäßscherben, die schon 1988 wenig nördlich der Pfarrkirche beim Sparkassenneubau ausgegraben wurden, sind nach wie vor die frühesten Funde in dem Areal. Damals wurde ein kleiner Ausschnitt des Friedhofs untersucht, der die Kirche umgibt.

Die Scherben datieren ins 10. bis 12. Jahrhundert.

Bei den Ausgrabungen 1988 fielen vier Gräber dadurch besonders auf, dass die Wände ihrer Grabgruben mit Bruchsteinen eingefasst waren. Steinkammergräber sind schon im frühen Mittelalter geläufig, werden aber auch noch im Hochmittelalter angelegt. Die heutige Marienkirche war ursprünglich St. Martin geweiht. Das alte Patrozinium legt es nahe, dass schon viel früher hier ein Gotteshaus existierte. Zur Römerzeit stand an dieser Stelle das Stabsgebäude des Reiterkastells Germanicum. Für die Steinkammergräber bei der Kirche käme demnach auch ein hohes Alter in Frage. Aus dem archäologischen Befund gehen jedoch keine klaren Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung der Steinkammergräber hervor.

Fasst man die neuen Erkenntnisse der letzten Jahre zu Kösching zusammen, ergeben sich einige wichtige Anhaltspunkte. Der Rükkzug der römischen Truppen hinter die Donau führte offenbar zu keinem Siedlungsabbruch in der Köschinger Flur. An mehreren Stellen entstanden Germanensiedlungen, jedoch in deutlicher Distanz zu Kastell und Lagerdorf im Bereich fruchtbarer Böden nahe bei Gewässerläufen oder Quellen. Sie fanden möglicherweise alle keine Fortsetzung im Frühmittelalter, Im 6. und 7. Jahrhundert entstand eine Siedlungsstruktur, die bis ins späte Mittelalter in ihren Grundzügen stabil blieb. Das politisch und militärisch unruhige 8. Jahrhundert mit den Vorstößen Karl Martells an die Donau, der fränkischen Einflussnahme auf das Bistum Eichstätt, das bei Ingolstadt die Donau erreichte, und mit der Entmachtung Herzog Thassilos III. hat im Siedlungsbild keine Spuren hinterlassen, die mit den Methoden der Archäologie erkennbar wären.

Offenbar haben die neuen Herren in Kösching an das bestehende Siedlungsgefüge angeknüpft, anstatt größere Umstrukturierungen vorzunehmen.

H. Dannheimer geht davon aus, dass Pfarrkirche und Prandtenhof Zeugnisse der fränkischen Einflussnahme in spät- oder nachmerowingischer Zeit sind. Sie wären dann an einem markanten Geländepunkt im Zentrum der römischen Kastellruinen nachträglich in das bestehende Siedlungsgefüge eingebaut worden. Möglicherweise stand bei der Wahl dieses Siedlungsplatzes die Kontrolle der bestehenden Siedlungen und Verkehrswege im Vordergrund. Die Köschinger Marienkirche könnte dann, wie vielleicht auch die Ingolstädter Moritzkirche, keinen Siedlungsschwerpunkt, sondern eher einen politischen, kirchlichen und logistischen Stützpunkt markieren.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 74-79.


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