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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Die Ingolstädter Kreuzfibel
ein Hinweis auf den Herrenhof?

 
Die Auffindung der Ingolstädter Kreuzfibel ist ein wichtiger, möglicherweise sogar der entscheidende Hinweis bei der Suche nach dem Herrenhof des Kammergutes Ingoldesstat. Sie wurde bei der Ausgrabung des Jahres 2003 nahe der Moritzkirche im Herzen der Ingolstädter Altstadt entdeckt. Sie ist zwar ein Einzelfund, es gibt jedoch keine Veranlassung, ihre allzu weite Verlagerung vom Ort ihres ursprünglichen Gebrauchs in Erwägung zu ziehen.

Die aus Bronze gegossene Gewandschließe besitzt einen gestaffelten Mittelbuckel und zeigt in der Grundform ein Kreuz mit triangulären Armen. Dazwischen ist ein schlichtes Andreaskreuz eingestellt. Kreuzarme und Mittelbuckel sind mit tiefem Kerbschnitt und fast vollzählig erhaltenen kleinen Glaseinlagen verziert. Der schon für spätmerowingische Fibeln des Rheinlandes typische Mittelbuckel weist Spuren ursprünglicher Vergoldung auf. Die Fibel dürfte damit eines der am besten erhaltenen Beispiele dieses seltenen Fibeltyps aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts sein. Unter diesen Kreuzfibeln lassen sich wohl werkstattgleiche „Originale“ von Nachahmungen dieser Stücke unterscheiden. Das Ingolstädter Exemplar ist der ersten Gruppe mit kleinen mugeligen Einlagen aus (heute) braun-schwarzem Glas zuzuweisen, die ganz ähnlich auch auf dem Tassilokelch angebracht sind.

Neben diesen sehr qualitätsvollen Fibeln gibt es eine Reihe ähnlicher, aber oftmals etwas einfacher gearbeiteter Kreuzfibeln mit und ohne Eckrundeln unterschiedlichster Gestaltung. Die Fibeln datieren mehrheitlich an das Ende des 8. und in das 9. Jahrhundert und sind sowohl zahlreicher als auch weiter verbreitet. Sie sind einerseits im gesamten Rheingebiet und weiter südlich, aber andererseits auch im Norden im sächsisch-friesischen Gebiet bis an die Nordseeküste und weiter bis nach Skandinavien zu finden.

Im bajuwarische Siedlungsraum sind sie dagegen nur mit wenigen Exemplaren vertreten. Gewandschließen dieser Form dürften daher kaum im agilolfingischen Herzogtum hergestellt worden sein und trafen hier wohl auch nicht den Zeitgeschmack.

Die Mehrheit der Fundorte besonders der hochwertigen Serie besitzt in der Karolingerzeit besondere Bedeutung in wirtschaftlicher, strategischer oder kirchenpolitischer Hinsicht. Das Stück aus der Moritzstraße kann durchaus mit den Gegenstücken aus Mainz und Trier in derselben Werkstatt hergestellt worden sein.

Neben diesen Fundorten kommt als weiterer Produktionsort auch Karlburg am Main in Frage, wo in den letzten Jahrzehnten ein karolingischer Zentralort fast ausschließlich auf archäologischem Weg nachgewiesen wurde. Von dort sind zwei Kreuzfibeln mit ankerförmigen Armen bekannt, wovon eine zum hochwertigeren Typ Trier/Ingolstadt gehört.

In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts erlischt im Frankenreich rechts des Rheines die Beigabensitte in den Gräbern. Nur in wenigen Regionen Süddeutschlands sind noch im 9. und 10. Jahrhundert Gräberfelder mit Trachtbestandteilen bekannt. Gerade hier fehlen allerdings die Kreuzfibeln. Dies könnte neben chronologischen Ursachen auch in der sozialen Stellung der dort Bestatteten sowie ihrem religiösen Bekenntnis begründet sein. Diese späten,„beigabenführenden“ Friedhöfe liegen im alemannischen Siedlungsgebiet an der oberen Donau sowie in Nordostbayern, wo slawische Siedler am Landesausbau teilnahmen. Von beiden Gruppen überliefern die Schriftquellen eine gewisse Zurückhaltung, wenn nicht gar Widerstand gegen die angelsächsische Missionsbewegung des 8. Jahrhunderts.

Bei den Fundorten des Fibeltyps Trier/Ingolstadt handelt es sich dagegen vorwiegend um herausragende kirchliche Zentren, die damit auch in der Politik des karolingischen Reisekönigtums eine besondere Rolle spielten. Für viele Fundorte entsteht so der Eindruck einer gewissen Königsnähe, was nach dem endgültigen Verzicht Tassilos III. in Ingelheim 788 auch für Ingolstadt gelten darf.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 138-141.


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