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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Der Herrenhof von Ingoldesstat –
zwischen Donauübergang und Schuttermündung?

 

Östlich von Ingolstadt bei Großmehring lag der wohl bekannteste mittelalterliche Donauübergang der Region. Denn hier überschritten gemäß dem Nibelungenlied die Burgunder auf dem Weg ins Hunnenland den Strom. Trotz aller Warnungen erzwangen die Rheinländer den Flussübergang, indem sie den Mehringer Fährmann erschlugen. Bei diesem handelte es sich um keinen einfachen Knecht, sondern um einen stolzen Edelmann, den auch das ihm gebotene Gold als Entlohnung nicht lockte. Hatte der Verfasser des Nibelungenliedes im hohen Mittelalter noch Kenntnis von der Situation vor Ort während des Frühmittelalters?

Schon im 7. Jahrhundert war nach Aussage der archäologischen Funde (Groß-)Mehring ein bedeutender Siedlungsplatz. Dass hier nicht nur einfache Bauern, sondern auch Angehörige der damaligen Oberschicht lebten, belegt ein goldener Münzfingerring, der beim Pflügen auf einem Acker bei Großmehring zutage trat. Die Schmuckplatte dieses Rings besteht aus einem mit Perldraht eingerahmten Solidus des von 610 bis 641 n. Chr. in Byzanz regierenden Kaisers Heraclius und seines Sohnes Constantinus (642-668 n. Chr.).

Besonders hervorzuheben sind die Bestattungen zweier Männer aus der Zeit um 700 oder dem frühen 8. Jahrhundert, die mit herausragenden Beigaben in hölzernen, mit Steinen abgedeckten Grabkammern unter großen Grabhügeln beigesetzt worden waren. Etwa zur gleichen Zeit dürfte auch eine wohlhabende Frau bestattet worden sein. Die reich ausgestatteten Großmehringer Gräber belegen die Anwesenheit einer herausgehobenen Gesellschaftsschicht am Donauübergang im frühen 8. Jahrhundert.

Wie die Gräber von Großmehring gehören auch die von Etting- Sandfeld zu den spätesten, noch nach altem „heidnischen“ Brauch errichteten Totenruhestätten des frühen Mittelalters um Ingolstadt. Denn drei der Ettinger Waffenträger waren wohl ebenfalls unter einem Hügel bestattet worden. Weiterhin ist das Hügelgrab eines bedeutenden Mannes bei Gerolfing zu nennen.

Bei Gerolfing kommt die Schutter dem Hauptarm der Donau sehr nach. Noch im Frühmittelalter dürfte er von dort aus in südöstlicher Richtung nach Zuchering und Manching geführt haben.

Erst im 14. Jahrhundert wurde der Donauhauptarm künstlich nach Nordosten zur Stadt Ingolstadt umgeleitet. Wurde der reiche Tote im Löwenbuckel dort bestattet, wo damals die Wasserwege Schutter und Donau aufeinander trafen? Kontrollierte er damit eine Fernverbindung, deren Bedeutung einige Jahrzehnte später der Bau des Karlsgrabens unterstreicht?

Welche Rolle könnte aber dann noch das Areal um die Moritzkirche auf halbem Weg zwischen dem Donauübergang bei Feldkirchen/(Groß-)Mehring und Gerolfing gespielt haben? Die Analyse der Schriftquellen lässt darauf schließen, dass hier der 841 genannte Herrenhof von Ingoldesstat lag. Bislang weist aber nur die Kreuzfibel auf eine „gewisse Königsnähe“ dieses Platzes hin. Die Moritzkirche selbst ist archäologisch unerforscht.

Den besten Eindruck von einer frühmittelalterlichen Kirche, bei der sich einflussreiche Personen bestatten ließen, vermittelt das kleine Gotteshaus von Herrsching am Ammersee. Die einfache Saalkirche wurde in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts als Holzbau errichtet und später in Stein auf identischem Grundriss erneuert. Im angrenzenden Außenareal sind 20 Bestattungen des beginnenden 7. bis frühen 8. Jahrhunderts archäologisch untersucht. Ein benachbartes Holzpfostengebäude interpretiert man als Teil eines zugehörigen Hofes. In einem Tuffplattensarkophag lag ein Mann mit einem der reichsten frühmittelalterlichen Grabinventare in Bayern. Neben einer vollständigen Waffenausstattung aus Spatha, Sax, Lanze und Schild war ihm ein Prunkgürtel mit silbernen, auf der Schauseite feuervergoldeten Besätzen beigegeben.

Als die villa Ingoldesstat erstmals urkundlich erwähnt wird, ist die Bestattung bei Kirchen zum Regelfall geworden – allerdings ohne Grabbeigaben, die bisher vornehme Tote gekennzeichnet hatten.

Beigabenlose oder beigabenarme Bestattungen in oder bei der Moritzkirche, letztendlich nach königlichem Vorbild und möglicherweise im Gegensatz zu den benachbarten Hügelbestattungen, können sich auch intensiven archäologischen Forschungen lange entziehen. Die Kontrolle des Donauübergangs im Osten und der Schuttermündung im Westen durch berittene Funktionsträger der fränkischen Obrigkeit erscheint vom Geländesporn mit der Moritzkirche aus möglich. Die Pfostenspuren eines isolierten Herrenhofes mit Sonderfunktionen jenseits der normalen landwirtschaftlichen Arbeit könnten längst durch spätere Überbauung verwischt ein. Somit sei zur Diskussion gestellt, ob die Kreuzfibel von Ingolstadt, die die Königsnähe der Villa Ingoldesstat nahe legt, nicht doch der Schlüssel zur Entdeckung von Ingolstadts altem Zentrum, der curia dominicata ist.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung.


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