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Petrus Canisius
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 

Würdigung des Petrus Canisius

Nahezu alle Porträts des Heiligen vermitteln ein Bild seiner Persönlichkeit, lassen Wesenszüge erkennen. Sie zeigen ein unverwechselbares, asketisches, fast ausgezehrtes Gesicht mit großen, glühenden Augen. Petrus Canisius war ein Mensch, der zeitlebens in Flammen stand.

In seiner Kölner Studienzeit lebte er im Hause Andreas Herlls, eines gebildeten, der Mystik zugetanen Priesters. In Nikolaus van Esche begegnete ihm die "Devotio moderna": gelebte, tiefinnerliche Frömmigkeit, gründend in der Heiligen Schrift. Was er in persönlicher Begegnung erfahren hatte, lernte der junge Canisius wissenschaftlich hinterfragen, am 26.6.1546 wurde er Baccalaureus biblicus. Hinzu kam die Begegnung mit den Kartäusern von St. Barbara, damit mit der asketischen Strenge in letzter Konsequenz. Und als Drittes diejenige mit den Beghinen von Oisterwijk. Diese Komponenten ergaben eine Grundgestimmtheit, in der sich demütige Frömmigkeit, Askese und eine mystische Innerlichkeit verband. Dann lernte er Peter Faber kennen, der in Paris zum allerengsten Kreise des heiligen Ignatius gehört hatte, ein Gründungsmitglied des Ordens der Jesuiten. Unter seiner Leitung unterzog er sich den ignatianischen Exerzitien, die den Menschen wie Stahl schmiedeten. Als Novize setzte er seine Studien fort.

Die erlebte und von ihm gelebte Strenge machte ihn zum Reformer, der als solcher auch vor Bischöfe trat. Dank seiner Herkunft aus gutem Hause und seines Werdegangs wurde er weltläufig. Dies befähigte zum Umgang mit Bischöfen, Fürsten und deren Vertretern. Ignatianische Schulung und Veranlagung machten ihn zum Taktiker, zum Strategen, dessen Entscheidungen seinen Partnern und Freunden zuweilen schwerfielen. Er hatte einen Hang zum Unbedingten, mit den zuweilen enttäuschenden, auf keinen Fall schnell zu bessernden Verhältnissen fand er sich nur schwer ab, etwa an den Universitäten Ingolstadt und Wien.

Doch mag hinter seiner eigenen Ungeduld auch die des Ordens, vor allem des hl. Ignatius gestanden haben, es fehlte ihm zweifelsohne an Gelassenheit. Sein Freund und Ordensgefährte Claudius Jayus, der schließlich mit ihm in Ingolstadt antrat, hatte um die Gefährdungen des jungen Canisius gewußt, als er 1546 den eben zum Priester Geweihten auf den Weg von der Geschäftigkeit zum großen Schweigen führen wollte, der Brief sollte wie ein Menetekel über seinem Lebensweg stehen: "Es drängt mich um so mehr, Dir zu raten, weil ich Dich im öffentlichen Leben beschäftigt sehe und Du der Gegenstand des Lobes der Menschen bist, das so leicht täuscht. Steige daher tief in dein Herz, mein Peter, und übe Dich in tiefer Demut. Ich denke, es ist nicht gut für Dich, immer ein Buch in Händen zu haben, noch Dich unnötig in irgendein anderes Geschäft zu versenken. Wie die Seele vom Leibe getrennt werden kann durch zu viel Arbeit, so kann auch der Geist oder das Feuer Gottes in Deinem Herzen durch das Rennen und Hasten in äußeren Beschäftigungen allmählich gedämpft werden, bis es schließlich ganz erlischt. Ich möchte Dir deshalb aufs innigste wünschen, daß Du Dir dann und wann Halt gebietest und aufhörst, nicht bloß andern zu predigen, sondern auch mit Dir selbst Dich zu beschäftigen, auf daß Du Gott im Schweigen zu Dir sprechen hörest. Den größten Fortschritt macht nicht immer, wer vom Morgen bis zur Nacht über seinen Büchern sitzt. Der Mann des Gebetes lernt durch Nichtlernen, wie jenes große Licht der Kirche, der Aquinate, tat, dessen bester Lehrer Christus am Kreuze war."43

Sein theologisches Werk begann Canisius mit einer Ausgabe von Predigten Johannes Taulers, ebendesjenigen Mystikers, den auch Luther geschätzt hatte.44 In seiner Widmung an Georg de Skodborg, den Erzbischof von Lund, pries Canisius den Mystiker: "Disser doctor ist gewesen ein übertreflig hochgelerter man in der heilger schrifft vnd in menschlichen kunsten, auch eyns heilgen lebens. Da by ist er von dem heilgen geyst so reichlig erleuchtet vnd überformet inn gott, das er durch den geyst der prophetien, die grosse plagen vnd irrung im heilgen glauben (di nu über vns, got erbarms, gefallen) furgesehen vnd mit klaren worten beschreiben hat. - Die meynung seiner leren geet fürderlig dar vff, das wir durch die gnad gots vns grunts inwendig sollen warnemen, alle sünd vnd gebrechen absterben, allen lust vnd liebe zuò zeitlichen creaturen in vns todten, vnsen eygen wil in gots liebsten wil aussgeen, verlassen vnd verleugnen, Christum durch alle tugenten nachfolgen vnd vnse sele mit allen krefften in rechter liebe mit got vereinigen vnd eyn geyst mit got werden."45

Die Beurteilung des theologischen Werks des Heiligen ist schwierig. Karlheinz Diez bringt die ältere bisherige Wertung auf den Nenner: "nicht spekulativ, nicht historisch-kritisch, nicht schöpferisch."46 Im Ende eröffnet erst Karlheinz Diez mit seinem Buch über das Kirchenverständnis des Petrus Canisius47 die theologische Auseinandersetzung mit dem Werke des Heiligen.

Es fällt zweifelsohne des Canisius Zurückhaltung in scholastischer Methodik auf, ohne daß er diese grundsätzlich beiseite geschoben hat.48 Dies lag zweifelsohne im Zuge der Zeit, Canisius hat die Richtigkeit dieser Wertung spätestens an der Universität in Ingolstadt erfahren und wußte sich hierin zweifelsohne mit Ignatius einig,49 auch wenn später eigene Mitbrüder diesen Mangel an scholastischer Methodik beklagten, wie der oben zitierte Brief seines Bruders Theoderich aus Dillingen deutlich macht.

Canisius war humanistisch gebildet. Dies gab seinen Werken streckenweise stilistischen Glanz, auch diese Seite mahnte sein Bruder Theoderich unter Berufung auf Dillinger Mitbrüder an. Auch bei den Editionen von Werken Leos des Großen, Cyrills von Alexandrien und Hieronymusbriefen, die Canisius veranstaltet hatte, tritt diese humanistische Bildung zutage. Diese humanistische Komponente ist aber nur eine Dimension seines Werkes, die sich einem übergreifenden theologisch-praktischen Anliegen unterordnet.50

Wesentlich ist der konsequente Rückgriff auf die Hl. Schrift und die Väter.51 Man wird hierin nicht vorschnell einen Mangel an spekulativer und systematischer Kraft zu erblicken haben. Es ist weit eher zu fragen, ob hier nicht ein bewußtes, eigene Spekulation zurückdrängendes Handeln im Sinne einer "theologia positiva" als Erhebung und Aufweis des "depositum fidei" aus den Quellen vorlag, nicht zuletzt gedacht als Erneuerung aus den Quellen, in jener Zeit des späten Humanismus und der Gegenreformation glaubhafter als jedes Argumentieren aus scholastischer Methode und Systematik.

Wie bei nur wenigen theologischen Autoren der Zeit bietet Canisius persönlich durchlebte Theologie. Karlheinz Diez sieht die Mitte des canisianischen Denkens in seiner Inkarnationsmystik.52 "Diese Inkarnationsmystik mag zwar die systematische und detaillierte Auseinandersetzung mit den kontroversen Themen der Zeit behindern, sie eröffnet aber den letzten Horizont, gegen den sich die Position der katholischen Seite von jener der reformatorischen Seite abhebt. Für Canisius ist es klar, daß es im Grunde genommen um das rechte Verständnis der Inkarnation und um die Bedeutung der Menschheit Christi geht... Die Meinung, unser Autor sei nicht eigentlich in die damalige Glaubensdiskussion eingetreten, erweist sich somit als falsch oder muß zumindest differenziert werden."53 Hierin hatten auch manche seiner Mitbrüder im Orden Canisius nicht voll verstanden, wenn sie Klage führten, daß seine Widerlegung der Magdeburger Centurionen nicht griffig genug war. Canisius aber ging gerade in dieser inkarnatorischen Dimension seines Denkens mit Ignatius eins, verwiesen sei auf dessen Satzungen und Exerzitien. Diez hebt mit Recht hervor, wie in Canisius die Bedeutung der direkten Glaubenserfahrung und der Spiritualität deutlich wurde: "Nicht nur um das zu erkennen, ist es gut, im Chor der Kontroverstheologen von damals die Stimme eines Mystikers zu hören."54

Seine Selig- (1864) und Heiligsprechung (1925) und Erhebung zum Kirchenlehrer galten seiner Persönlichkeit und seinem Wirken insgesamt, nicht ohne Grund erhielt er den Titel "zweiter Apostel Deutschlands nach Bonifatius".
 

Canisius über sich selbst

Petrus Canisius über sein Selbstverständnis als Jesuit in einem Brief vom 5. Februar 1545 an Fürst Oswald, Graf von S´Heerenbergh:
"Wir halten treu an unseren Ordenssatzungen fest, die wir als Gefolgsleute Christi erwählt haben; allerdings verfolgen uns manche mit Haß und Feindschaft, und dies hat uns den Namen "Jesuiten" eingetragen. Wir denken jedoch nicht daran, jenen heiligsten Namen für uns allein in Beschlag zu nehmen, die wir ja kaum seine Jünger, sondern höchstens seine Knechte sind, dem Kriegsdienst des Kreuzes verschrieben. Mit Verachtung aller anderen Dinge haben wir uns das Kreuz als einziges Ziel vor Augen gestellt; und wir haben es überall aufzurichten versucht, sicher nicht ganz ohne Erfolg. Daß wir arbeiten für das Seelenheil der anderen Menschen, ist unser Gewinn und Nutzen. Das ist das Ziel, auf das hin unsere Studien ausgerichtet sind, darauf verwenden wir unsere Kraft und danach streben wir. Wir bezweifeln nicht, daß uns der allmächtige Gott seinen Schutz leihen wird, der uns zu dieser Art des Dienstes berufen hat und der die sichere Verheißung gab, daß denen, die das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen, nichts fehlen wird, sondern alles ihnen dazu gegeben wird (vgl. Mt. 6,33), was zu Nutzen des irdischen Leibs und der für den Himmel bestimmten Seele ist, was sie stärkt, schützt und vor Gefahren bewahrt. Wir wissen wohl, ja, wir haben es selbst schon erfahren, daß wir im Dienst des Kreuzes Christi wie alle seine Getreuen, Gefahren, Unannehmlichkeiten und Unglück zu ertragen haben, besonders in diesem verwilderten Jahrhundert, das alle Frömmigkeit verachtet, voll Aberglauben ist und die Ehre des Kreuzes Christi als Schande verschmäht. Aber um so fester ist unser Entschluß, und wir wappnen uns gegen alle Gefahren dieses Lebens, damit der Herr des Weinbergs, wenn er einmal Arbeiter zur Lese senden will, geeignete Arbeiter an uns finde (vgl. Mt. 9,38). Und nach dem Wort des heiligen Paulus wollen wir uns als Vorbild erweisen im rechten Tun, in der Lehre, Lauterkeit und Würde, damit der Widersacher beschämt werde, wenn er uns nichts Böses vorwerfen kann (Tit. 2,8 f.). Ich sehe zwar nicht ein, was einem Christen hart oder schwer erscheinen könnte, da doch das Kreuz seine Freude sein muß; er weiß ja, daß der Siegespreis seines Dienstes nicht mit Prunk, sondern durch Leiden errungen wird. Nichts anderes war ja das Leben der Heiligen als ein ständiger Kreuzweg und tägliche Abtötung. Deshalb liefen sie darbend, geängstigt und mißhandelt voller Ausdauer in dem Wettkampf, der ihnen aufgegeben war; sie blickten auf zum Begründer und Vollender ihres Glaubens, zu Jesus; Freude war vor ihn hingestellt, er aber erduldete das Kreuz und achtete nicht der Schmach (vgl. Hebr. 12,1 f.). Wir aber haben noch nicht bis aufs Blut widerstanden (ebd. V. 4). Wir sollen nach diesem höchsten Glück streben, das man zwar in diesem Leben schmerzlich empfindet, um so in den Schwierigkeiten, die der Herr uns schickt, zu beweisen, daß wir nicht ganz unechte Kinder Gottes sind. Denn durch beständige Trübsal hindurch müssen wir uns um die Nachfolge des gekreuzigten Christus bemühen, in dem schließlich und endlich alle Ehre zu gründen ist. Wir schulden denen großen Dank, die uns offen oder im verborgenen verfolgen und verleumden; denn sie nützen ja unserer Sache - gegen ihren Willen - mehr, als sie schaden, sie beschleunigen eher unseren Lauf, als daß sie ihn aufzuhalten vermöchten..."
(Aus: Seifert, Briefe des hl. Petrus Canisius, S. 97-99).

Siegfried Hofmann


 

Literatur

Zur Biographie vor allem:
  • Braunsberger: Beati Petri Canisii Societatis Jesu epistulae et acta, Bde. I-VIII, Freiburg im Breisgau, 1896-1923.
  • J. Brodrick: Petrus Canisius aus dem Englischen übersetzt von K. Telch, I und II, Wien 1950; ein kurzes, treffliches Lebensbild in: Briefe des hl. Petrus Canisius, ausgewählt und bearbeitet von S. Seifert, Leipzig 1983, S. 1-55;
  • B. Schneider, SJ., Petrus Canisius und Paul Hoffaeus, in: Zeitschrift für katholische Theologie 79 (1957), S. 304-330;
  • E. M. Buxbaum: Petrus Canisius und die kirchliche Erneuerung des Herzogtums Bayern 1549-1566, Rom 1973 (=Bibliotheca Instituti Historici Societatis Jesu 35);
  • ders., Der heilige Petrus Canisius, in: G. Schwaiger, Bavaria sancta. Zeugen christlichen Glaubens in Bayern, I, Regensburg 1970, S. 327-348;
  • K. Diez, Petrus Canisius (1521-1597), in: Katholische Theologen der Reformationszeit 3, Münster 1986 (=Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 46), S. 88-102;
  • S. Hofmann, Petrus Canisius und Ingolstadt. Sie hatten einen Heiligen gesehen und dies nicht gewußt, in: F. Mack: 50 Jahre St. Canisius Ingolstadt, 1987;
  • Katalog: Die Jesuiten in Bayern, S. 36-46.

  • Zur Edition der Werke Cyrills von Alexandrien (Köln 1546), s. De Backer-Sommervogel, Bibliotheåque II, Sp. 617 f. (Nr. 2).
  • Zur Edition der Werke Leos des Großen (Köln 1547 f.) s. De Backer-Sommervogel, Bibliotheåque II, Sp. 618 (Nr. 3).
  • Braun: Adversus novam historiam ecclesiasticam qvam Mathias Illyricus et eius collegae Magdeburgici per centurias nuper ediderunt..., Dillingen 1565.
  • Eisengrein: Adversus novam historiam Ecclesiasticam, quam Matthias Flacius Illyricus et eius collegae Magdenburgici, contra Verum Dei culti... nuper aediderunt, Ingolstadt 1566.
  • Sancti Petri Canisii Doctoris Ecclesiae Catechismi latini et germanice, I, hg. v. F. Streicher, Rom, München 1933.
  • Dr. Johannes Eck (Ausstellungskatalog), herausgegeben von der Stadt Ingolstadt (Stadtarchiv), Ingolstadt 1986.
  • Diez: Christus und seine Kirche. Zum Kirchenverständnis des Petrus Canisius, Paderborn 1987, S. 49 Vgl. Die Instruktion des Ignatius für die Entsendung der Jesuiten an die Universität Ingolstadt. Siehe das Kapitel über die Berufung der Jesuiten nach Ingolstadt.

Dr. Siegfried Hofmann. (Formatiert von Kurt Scheuerer)


Siehe auch:

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