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Petrus Canisius und Ingolstadt
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 

Klagen

Am 25. Januar 1550 zeigte sich Petrus Canisius in einem Brief an P. Johannes de Polanco, den Sekretär des Jesuitenordens, noch voll Zuversicht. Als aber die Jesuiten für die Studenten den Reiz des Neuen verloren, kam die Ernüchterung. Am 24. März 1550 erhob er bittere Klage über die tatsächlichen Verhältnisse an Bayerns einstiger Universität:

Über die mangelnden Voraussetzungen der Studenten:
"Wären es doch nur vier oder fünf, denen wir durch unsere Vorlesungen Gutes zu tun hoffen könnten! Was den größeren Teil derselben betrifft, bin ich sicher, daß, wenn unser hochwürdiger Vater Ignatius ihre Erziehung in Händen hätte, sie ohne ihren Schaden in die Grammatik- und Rhetorikklasse zurückversetzt würden. An dieser Universität besteht fast eine Abmachung, daß Studenten sich nicht zu bemühen brauchen, die Wissenschaften zu studieren, am allerwenigsten heilige Wissenschaften... Es ist hier ein großer Zulauf von Studenten, besonders von Studenten der Rechte aus verschiedenen Teilen Deutschlands, und es herrschen unter ihnen natürlich verschiedene Meinungen und Irrtümer in Glaubenssachen. Diese Meinungen werden von den führenden Männern der Universität nicht zurückgewiesen, entweder weil sie unfähig sind sie auszurotten oder weil sie nicht wollen."

Über das mangelnde Interesse an Religion:
"Allgemein gesprochen möchte ich sagen, daß man unter den heutigen Deutschen vergebens nach praktischem Interesse an der Religion sucht. Der Gottesdienst der Katholiken ist so ziemlich auf das Halten einer ohne alle Begeisterung vorgetragenen Predigt an Festtagen beschränkt. Was vom Fasten in der Fastenzeit übrig ist, ist bloß der Name; denn niemand fastet. Ob und wie selten besucht ein Mann die Kirche und die heilige Messe oder bekundet durch irgendein anderes äußeres Zeichen, daß er noch Freude habe am alten Glauben!"

Über die Behinderung seelsorgerlicher Aktivitäten durch den Ortsklerus:
"Sobald ich begann, ein wenig Interesse an einigen Studenten zu nehmen, ihre Beichten zu hören und ihnen in unserem Hause die Kommunion zu reichen, flog der Pfarrer zu den Waffen. Er beklagte sich öffentlich, daß sich Professoren der Theologie in das Gebiet der Pfarrer eindrängten, zum Schaden der Interessen seiner Kuraten, wie er behauptete. Wir sagten ihm, wir hätten ein päpstliches Privileg und eine besondere Sendung vom Bischof von Eichstätt, der sein und unser ordentlicher Oberhirte sei, zu tun, was wir taten. Wir erachteten es aber nicht für geraten, ihm unsere Dokumente zu zeigen noch von unseren Vorrechten am Beginn unserer Sendung viel Gebrauch zu machen."
"Wir möchten deshalb Euer Hochwürden bitten, uns zu schreiben und zu sagen, was Sie über diese und ähnliche Dinge denken und auch, wie wir Steine in Menschen verwandeln können, oder mit anderen Worten Deutsche in Leute, die für das religiöse Leben in unserer Gesellschaft geeignet sind. Sie haben einen wirklichen Abscheu vor Gelübden und den evangelischen Räten, und fast alle Aufrichtigkeit und Einfalt ihres Glaubens ist verschwunden. Die Lage ist darnach, einem, der sie ernstlich erwägt, das Herz stillstehen zu lassen. Die Häresie kann weder durch Gewalt noch durch Reform überwunden werden, und wir sind beim besten Willen machtlos, den verlorengegangenen Glauben wiederherzustellen, weil es zu wenig Priester gibt oder in Wahrheit gar keine."
U. a. weist er sodann auf die Notwendigkeit der Errichtung eines Kollegs in Ingolstadt hin.

Petrus Canisius, der von innerer Glut und Tatendrang erfüllte Heilige, war von Ungeduld getrieben, seine Unbedingtheit konnte sich nur schwer mit der Trägheit im Alltag der Studenten, Professoren und Bürger abfinden. Doch darf diese Klage nicht unbesehen übernommen werden. Wenn sich Canisius über das Nachlassen der Begeisterung der Studenten beklagt, so darf nicht übersehen werden, daß zwei der drei Jesuiten in Ingolstadt, Jayus und Salmeron, der deutschen Sprache nicht mächtig waren.
Was die Allergie der Studenten gegen zu häufiges Zitieren scholastischer Autoritäten betraf, so hatte sich in Deutschland durch Humanismus und Reformation - weder Jayus noch Salmeron waren in der Lage, die deutschen Texte der Reformatoren zu lesen - eben doch vieles geändert: Gegenüber den scholastischen Autoritäten hatte die Argumentation aus der Hl. Schrift nicht nur an Boden, sondern absoluten Vorrang gewonnen.

Die Klage über Mißhelligkeiten mit dem zuständigen Pfarrer - es konnte sich nur um den Pfarrer zur Schönen Unserer Lieben Frau Professor Theander handeln - wird angesichts der Verantwortung des Pfarrers über die Gesamtpfarrei und des Pfarrzwangs begreiflich. Daß es Ärger gab, wenn man Beichte hörte und Kommunion austeilte, ohne dem zuständigen Pfarrer die einschlägigen Privilegien auch nur gezeigt zu haben, hätte die Herren Jesuiten nicht zu verwundern brauchen. Und wenn Canisius beredt die Aussichtslosigkeit schilderte, den verlorengegangenen Glauben wiederherzustellen, so fällte er dieses Urteil aus nur einem halben Jahr praktischer Erfahrung in Ingolstadt!

Dr. Siegfried Hofmann. (Formatiert von Kurt Scheuerer)


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