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Siegfried Hofmann:
Die Jesuiten und die Theologische Fakultät
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 

1549

Es war ein Hauptanliegen Herzog Wilhelms IV. gewesen, durch die Berufung von Jesuiten der Theologie in Ingolstadt wieder ein festes Fundament zu geben. Der Theologischen Fakultät Ingolstadt kam hierbei eine Schlüsselrolle für Deutschland zu. Mit Canisius, Jayus und Salmeron entsandte Ignatius 1549 "drei seiner besten Leute" nach Ingolstadt.
Die Aufnahme der Vorlesungen durch Salmeron und Canisius mußte Aufsehen erregen: Salmeron las über den Römerbrief, das bedeutete angesichts der Reformation ein Bemühen um ein katholisches Schriftverständnis eines Kerntextes der Theologie Luthers. Canisius wählte das vierte Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus: Dies war ein bewußter Rückgriff auf die vorreformatorische Theologie in der Wiederaufnahme der klassischen Tradition des Sentenzenkommentars.

1552

Daß Salmeron Ingolstadt schon bald wieder verließ, auch Canisius mit den Jesuiten schon 1552 wieder abberufen wurde, tat dem theologischen Rang beider keinen Abbruch: Salmeron war ein exzellenter Exeget, wie seine Schriftkommentare beweisen ... und Claudius Jayus war ein bereits erfahrener Theologe und Kirchenpolitiker. Der theologische Auftakt in Ingolstadt war mit dem Spanier Salmeron, der in Alcalá studiert hatte, dem Savoyarden Jayus, der an der Universität Paris seine wissenschaftliche Ausbildung erfahren hatte, und dem Niederländer Petrus Canisius international.
Der Abzug der Jesuiten im Jahr 1552 stieß die Fakultät in einen Abgrund.
Die Vereinbarung zwischen Petrus Canisius und den herzoglichen Räten vom 7. Dezember 1555 verpflichtete den Orden u. a. zur Stellung von zwei Professoren der Theologie.

1556

1556 kehrten die Jesuiten nach Ingolstadt zurück. Fortan standen dem Orden zwei von vier, später drei von vier Professuren zu, bei häufigem, zeitweise an die Grenze des Erträglichen führendem, durch den Orden vorgenommenem Wechsel. Da Petrus Canisius 1556 Provinzial der Oberdeutschen Provinz wurde und nur noch für kurze Zeit in Ingolstadt Wohnung nehmen konnte, wurden Johannes Couvillon und Hermann Thyräus Professoren. Wissenschaftliche Leistung, erwiesen durch Veröffentlichungen, und Lehrtätigkeit waren gleichermaßen gefordert, mußten aber trotz der Intentionen des heiligen Ignatius im Orden erst vermittelt werden. Petrus Canisius, Pisanus und Paulus Hoffaeus sahen grundsätzlich deren Notwendigkeit, zeitweise wurde sogar ein Schriftstellerinstitut in den Blick genommen.

Thomas von Aquin

Wenn 1575 die Ingolstädter Theologieprofessoren begannen, den theologischen Cursus nach der "Summa theologica" Thomas von Aquins zu lehren, so bedeutete dies keineswegs einen Neubeginn, sondern stand sowohl in der vorjesuitischen Ingolstädter wie der hier bereits heimisch gewordenen thomistischen Tradition. 1593 schrieb die Generalkongregation des Ordens Thomas von Aquin als Richtschnur für den Orden vor, 1622 beschloß die Ingolstädter Theologische Fakultät einstimmig, das Fest des Thomas von Aquin in die Fakultätsfeste einzureihen. Ein verbindliches Fundament gab das Konzil von Trient. Auch zeitweise in Ingolstadt tätige Jesuiten nahmen an diesem Konzil teil: Couvillon, Jayus, besonders aber Salmeron und Canisius. Nicht zu vergessen sei der "Catechismus Romanus" von 1566, den Paulus Hoffaeus ins Deutsche übertrug.

Ausgaben von Werken von älteren Theologen

An erster Stelle stand in Ingolstadt das Studium der Heiligen Schrift. Deshalb dachte man an eine "katholische" Neufassung des berühmten hebräisch-lateinischen Lexikons Johannes Forsters, der selbst aus der Universität Ingolstadt hervorgegangen war.
Zu Schriftkommentaren kamen Ausgaben von Werken von Vätern und älteren Theologen: die Werke Cyrills von Alexandrien und Leos des Großen durch Petrus Canisius, die Akten des ersten Konzils von Ephesus durch Peltan, der ab 1556 bis 1572 Theologie gelehrt hatte, die Akten und Dekrete des ersten ökumenischen Konzils von Nicäa durch Alphons Pisanus, auch er zeitweise Professor in Ingolstadt, die auf Augustinus zurückführende "Confessio Augustana" von 1567 des in Ingolstadt bis 1567 bis 1575 lehrenden Hieronymus Torres und andere Väterausgaben.

Gregor von Valencia, Jakob Gretser

Internationale Bedeutung erlangte die Universität Ingolstadt durch Gregor von Valencia, den "Doctor Doctorum", von 1575 bis 1592 hatte er an der Hohen Schule gelehrt. Die Generallinie bot ihm Thomas von Aquin, seine "Analysis fidei catholicae" (Ingolstadt 1585) und sein Kommentar zur "Summa theologica" des heiligen Thomas (Ingolstadt 1591-1592) wurden grundlegend schlechthin.

Ihm zur Seite ist Jakob Gretser zu stellen, der von 1586 bis zu seinem Tod 1625 in Ingolstadt lehrte. Bei ihm wird am deutlichsten, worin diese Theologen des späten 16. Jahrhunderts - Petrus Canisius ebenso wie Gregor von Valencia und Gretser - über Thomas von Aquin hinausschritten: in der Kenntnis der "Fontes theologici" von der Heiligen Schrift bis zu den Vätern. Sein Hauptwerk "De sancta cruce" (Ingolstadt 1598) fordert noch heute Bewunderung ab.

Werke des Petrus Canisius

Eine Sonderstellung nehmen die Werke des Petrus Canisius von den Katechismen bis zu den großen Werken über Johannes den Täufer und Maria ein. Canisius selbst hatte die Herausgabe einer großen Kirchen- und Papstgeschichte angeregt, daß der Auftrag dann an ihn fiel, führte zu einem der bittersten Kapitel seines Lebens. ...

Gegenreformation

Sowohl die Berufung der Jesuiten nach Ingolstadt wie die "Schriftstellerei" der hier wirkenden Theologen war unter einem gegenreformatorischen Aspekt zu sehen, der sich keineswegs nur als Abwehr, sondern sehr wohl als positiver Dienst am Wiedererstarken der Kirche verstanden hatte. Canisius, Pisanus und andere hatten immer wieder versucht, dies der Ordensleitung klarzumachen. In der Widerlegung der Irrtümer und im Kampf gegen die Häretiker sahen die jesuitischen Theologen einen Schwerpunkt ihrer publizistischen Tätigkeit.

Häretiker

Gregor von Valencia wie Jakob Gretser und die anderen Ingolstädter Theologen sahen sich in den Dienst genommen. Aus Erfahrung der Angegriffenen wußten sie um die Wirksamkeit auch härtester publizistischer Mittel und griffen nun ihrerseits zu denselben Waffen. ...
In Rom sah man - hier mochte sich der räumliche Abstand wie auch der romanische Sinn für Maß und Proportion geltend gemacht haben - diese Entwicklung mit Sorge. So ließ der Ordensgeneral Laynez Canisius am 26. Januar 1563 wissen, man solle nicht leicht sagen, ein Satz sei häretisch, überhaupt solle bei Disputationen niemand als Häretiker bezeichnet werden, auch Aquaviva mahnte wiederholt zu Mäßigung und Bescheidenheit.

17. Jh.

Auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stand die jesuitische Theologie unter denselben Auspizien. Aquaviva erließ am 25. August 1608 eine Anweisung an die deutschen Provinzen, die den beißenden Büchern und Broschüren durch Gebot, Verbot und Verpflichtung von vier fähigen Zensoren Einhalt gebieten wollte. Nach Ausbruch des 30jährigen Kriegs schärfte man noch nachdrücklicher Zurückhaltung ein. ... Doch bei weitem nicht alle Jesuiten waren mit der sanften römischen Linie einverstanden. Rom gab nicht nach. Vitelleschi verbot deshalb 1626 unter Strafe der Exkommunikation die Herausgabe oder Unterstützung von Schriften, die direkt oder indirekt eine Kränkung enthielten, was besonders bei Fürsten und anderen Orden gelte. Doch ließen sich selbst so bedeutende Theologen wie Gretser und dessen Verballhorner Konrad Vetter kaum zügeln.

Bücherverbot

Wie schwer es damals auch jesuitische Theologen hatten, sich ein objektives Bild über ihre Zeit zu machen, erhellt das Bücherverbot. 1559 erließ Papst Paul IV. den Index der verbotenen Bücher. Inbegriffen waren nicht nur "häretische" Bücher im strengen Sinn des Wortes, sondern auch Anmerkungen. In Deutschland war dieses Verbot nicht ohne weiteres durchzusetzen, selbst Canisius führte darüber bittere Klage.
Der sogenannte Tridentinische Index von 1564 brachte eine gewisse Milderung, jedoch durfte auch ihm zufolge die Heilige Schrift in Landessprache selbst in katholischen Übersetzungen nur mit schriftlicher Erlaubnis des Bischofs gelesen werden. Wie aber sollten jesuitische Theologen als Kontroverstheologen reüssieren, wenn sie nicht einmal selbst häretische Bücher lesen durften? Der sogenannte Klementinische Index von 1595 brachte keine Wende. Gerade die namhaften jesuitischen Theologen sahen sich angesichts dieser Sachlage gefordert. Die Ordensgenerale mühten sich um Milderungen, wenn auch weithin vergeblich. ... Der nötige Freiheitsraum konnte nur in kleinsten Schritten erkämpft werden. Hinzu kam die Ordenszensur.

Ingolstädter Theologen im 17. Jh.

Auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkten in Ingolstadt Theologen von Weltrang:
Paul Laymann, der von 1603 bis 1609 in Ingolstadt Philosophie lehrte und den man nicht selten den bedeutendsten Moraltheologen der Oberdeutschen Provinz jener Zeit nennt. ...
Jakob Gretser ... Adam Tanner ...
An kontroverstheologischer Polemik sollte es auch nach 1600 in Ingolstadt nicht fehlen: Zu Gretser traten Lorenz Forer, Georg Stengel und andere.

kanonistischer Lehrstuhl

Im Jahre 1675 konnte das Jesuitenkolleg auch den kanonistischen Lehrstuhl, der in der Juristischen Fakultät beheimatet war, an sich ziehen. Er wurde einerseits der Theologischen Fakultät eingegliedert, andererseits behielt sein Vertreter Befugnisse in der Juristischen Fakultät.
Erster Lehrstuhlinhaber wurde Joh. B. Weiß. Nun eröffnete sich den Jesuiten der Universität eine neue Perspektive im Kirchenrecht. Als die bedeutendsten Vertreter gingen Franz Xaver Schmalzgrueber, Professor in Ingolstadt von 1709 bis 1716, Vitus Pichler (1716-1731) und Franz Xaver Zech (1743-1768) in die Wissenschaftsgeschichte ein.

2. H. d. 17. Jhs

Ansonsten scheint die Theologie in Ingolstadt während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwas zurückgetreten zu sein. Manche Autoren wie Christoph Haunold, der von 1653 bis 1666 in Ingolstadt lehrte, ("Institutionum Theologicarum libri IV", Ingolstadt 1659, und "Theologiae speculativae ..libri IV", Ingolstadt 1670) oder die Moraltheologen Jakob Illsung (1671-1679) und Jakob Wiestner (1681-1683, dann Professor des kanonischen Rechts) gewannen Ansehen. Zugegebenermaßen kennen wir ihre Werke nicht gut genug.

1. H. d. 18. Jhs

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts brach sich Neues Bahn. Das Vordringen der experimentellen Wissenschaften ging mit neuen Methoden einher. Inwieweit diese bei den theologischen Fächern durchschlugen, wird noch im einzelnen zu untersuchen sein. Ähnliches gilt von der Rezeption der protestantischen Philosophie und Theologie und nicht zuletzt von der Bibelkritik der Zeit. So werden manche Autoren noch näher zu untersuchen sein, wie der Philosoph und Theologe Anton Mayr d. Ä., der 1749 in Ingolstadt verstarb ("Theologia scholastica", Ingolstadt 1729-1732), oder Joseph Monschein ("Theologia dogmatica-speculativa", 1763-1766).

Aufklärung

Was sich unterschwellig und schrittweise angekündigt hatte, brach dann vollends bei Benedikt Stattler durch, der 1770 Professor der Dogmatik geworden war und 1782 das Feld räumen mußte. Einig war man sich, daß sich die herkömmliche Scholastik überlebt habe. Zwei Wege aber standen sich gegenüber: derjenige der positiven Theologie und jener der mathematischen, auf Systematik hinführenden Demonstration. Die eine führte auf Mabillon zurück und letztlich auf Melchior Canus' "Locitheologici" als Basis und Fundament der Theologie. Diese Theologie hatte ihren Schwerpunkt im historischen Erheben des Glaubensguts aus den Quellen, sie wurde in Ingolstadt u. a. von dem Benediktiner Hermann Scholliner vertreten, im Studienplan von 1774 setzte sich diese Richtung weithin durch.

Benedikt Stattler

Benedikt Stattler hingegen wollte die demonstrierende Methode Christian Wolffs in die katholische Theologie einbringen. Ihm ging es um die Rehabilitation der Theologie angesichts der modernen Wissenschaften. Auch Stattler setzte Offenbarung voraus, die Beweisführung aber habe mit der mathematisch-philosophischen Methode aus hinreichenden Gründen zu geschehen, alles müsse aus den Zusammenhängen einsichtig gemacht werden. Die Entartung der Theologie setzte für ihn bereits mit dem 12. Jahrhundert ein. Aufklärer gemessener Art waren beide: Scholliner und Stattler.

Wolfgang Fröhlich, Johann Michael Sailer

Besondere Schärfe gewannen die Auseinandersetzungen durch den 1781 nach Ingolstadt berufenen Benediktiner Wolfgang Fröhlich. In zwei Hauptwerken hatte Stattler seinen theologischen Entwurf vorgelegt: der "Demonstratio evangelica" von 1770 und der "Demonstratio catholica" von 1775, beide sollten 1796 das Schicksal der Indizierung erfahren. 1779 schlug Fröhlich gegen Stattler in seiner "Reflexio in sic dictam demonstrationem catholicam locosque theologicos magnifi domini Benedicti Stattler" los und stieß noch mehrmals nach. Der Kampf wurde gnadenlos geführt.
In die Auseinandersetzungen griff ein junger Theologe ein: der Stattlerschüler Johann Michael Sailer, der zu den bedeutendsten Theologen des 19. Jahrhunderts werden sollte. ...

neuer Studienplan 1774

Der Studienplan der Theologischen Fakultät von 1774 bedeutete die Absage an die herkömmliche Scholastik wie an die Systematik Stattlers. Zu den alten Fächern der Dogmatik, der Moral und der Exegese traten hinzu: eine Art enzyklopädischer Einleitung, eben die "Loci theologici", die orientalischen Sprachen, Pastoraltheologie, geistliche Beredsamkeit, Kirchengeschichte.
Der Studienplan von 1777 sah einen dreijährigen Cursus vor:
  • 1. Jahr: orientalische Sprachen, Exegese, Kirchengeschichte und einen Anhang über theologische Literaturgeschichte,
  • 2. Jahr: Dogmatik mit Patristik und Moral,
  • 3. Jahr: Fortsetzung der Dogmatik, Kirchenrecht und Pastoral, Katechetik, Homiletik und Liturgik.
1784 entschied man sich dann wieder für einen vierjährigen Cursus, der allenthalben frohe Zustimmung fand mit Ausnahme des Eichstätter Bischofs, der schärfsten Protest erhob, da er die Religion überhaupt in Gefahr sah.

Anmerkungen

Generell zur Geschichte der Theologie der Jesuiten in Ingolstadt und den gesicherten Daten:
  • B. Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern Deutscher Zunge, IIV, Freiburg im Breisgau 1907-1922;
  • L. Hammermayer, Die letzte Epoche der Universität Ingolstadt. Reformer, Jesuiten, Illuminaten (1746-1800), in: Ingolstadt. Die Herzogsstadt. Die Universitätsstadt. Die Festung, Ingolstadt 1974, II, S. 299-357;
  • W. Kausch, Geschichte der Theologischen Fakultät Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert (1472-1605) (= Ludovica Maximilianea, Forschungen 9), Berlin 1977;
  • C. Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München, Bde. I-II, München 1872;
  • G. Schwaiger, Die Theologische Fakultät der Universität Ingolstadt (1472-1800), in: Die Ludwig- Maximilians-Universität in ihren Fakultäten, im Auftrag von Rektor und Senat hg. v. L. Boehm und J. Spörl, Bd. I, Berlin 1972, S. 13-126.

Dr. Siegfried Hofmann.
Gekürzt und formatiert von Kurt Scheuerer


Siehe auch:

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