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Ingrid Eiden:
Thesenblätter und Gratulationseinblattdrucke
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 

Thesenblätter und Gratulationseinblattdrucke
als Spiegel jesuitischen Lebens an der Universität und im Kolleg Ingolstadt


Thesenblätter

Thesenblätter oder Thesenzettel sind Einblattdrucke größeren Formats, die sich immer mehr zu plakatartigen Großgraphiken entwickeln. Sie fanden im Universitätswesen des 16. bis 18. Jahrhunderts zur Ankündigung des feierlichen Promotionsaktes, der »disputatio«, an Universitäten und kirchlichen Kollegien und Hochschulen Verwendung.

Bei dieser Disputation hatte der Kandidat (meist Defendent oder Defensor, aber auch Respondent oder Propugnator genannt) lateinisch formulierte Thesen (auch assertiones, propositiones, conclusiones oder quaestiones) gegen das Kollegium seiner Fakultät zu verteidigen.
Das Blatt enthält außer diesen Thesen in der Regel auch Ort und Zeit der Disputation, Name, Titel und evtl. schon vorhandene akademische Grade des Kandidaten. Seine Herkunft ersieht man oft aus der lateinischen Ortsbezeichnung, die seinem Namen angefügt ist. Der Präses, auch Promotor genannt, gilt bis etwa 1800 als der eigentliche Verfasser der Dissertation.

Thesenblätter haben nicht erst seit Martin Luthers Thesenanschlag an der Wittenberger Schloßkirche auch an der ersten bayerischen Universität Ingolstadt Bedeutung. Sie wächst aber ganz erheblich mit dem Einzug der Jesuiten in die Universitäten. Der Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola »schätzte die Disputation als Mittel der rhetorischen Übung« und empfahl sie ausdrücklich in den »Constitutiones Societatis Jesu«.
In der »Ars Disputandi« des Petrus Canisius und in die 1599 in Kraft getretenen «Ratio atque institutio studiorum Societatis Jesu« fand die positive Einschätzung des Disputierens ebenfalls Eingang.

Anlässe für den Druck von Thesenblättern

Man unterscheidet nach dem Anlaß folgende Typen von Disputationen, bei denen es nicht immer gedruckte Thesenblätter gab :
  • Disputationes domesticae, (tägliche) Repetitionen des Lehrstoffes;
  • Disputationes sabbatinae (wöchentliche) und Disputationes menstruae (monatliche), bei denen die Thesen einen Tag vorher an die Türen der Klassen geschlagen wurden;
  • Dispuitationes solemnes, die als außergewöhnlicher Festakt oder zum Erwerb eines akademischen Grades abgehalten werden konnten.
Diese Disputationen wurden vor allem in der Barockzeit (ab etwa 2.Hälfte des 17.Jahrhunderts) mit z.T. üppig ausgestatteten Graphikblättern angekündigt.
Gerade für die Thesenblätter dieser letztgenannten Gruppe interessieren sich heute wieder vermehrt Historiker, Kunsthistoriker, Forscher der Universitätsgeschichte und Sammler.

In einem Kapitel über die Zensur von Druckwerken heißt es in Duhr, daß die Thesen anfangs nur eine Blattseite umfaßten, daß das Blatt aber später, als es immer größer wurde, gefaltet wurde und endlich ganze »Traktate enthielt von einem Umfang von acht oder neun Bogen«. Bei dieser Bezeichnung »Thesen« handelt es sich aber nach meiner Ansicht um Drucke allgemeiner Lehrsätze vor allem der theologischen und philosophischen Fakultät und nicht um das Thesenblatt aus Anlaß der Disputation zur Erlangung eines Studiengrades der Universität.

Erscheinungsformen

Im 16.Jahrhundert sind die Thesenblätter typographisch sehr einfach gehalten. Diese Drucke sind wie die Bücher der Zeit mit beweglichen Lettern gedruckt. Meist haben sie sogar ein Impressum. Wir finden in Ingolstadt Blätter im Format 20-25 x 30 cm (=2, d.h. Folioformat) von der einzigen ortsansässigen Druckerei (anfangs Alexander und Samuel Weissenhorn, später Sartorius und Eder, Angermeier. Die Blätter sind mit verschieden großen, Kursiv- und Antiqua Typen meist zweispaltig gedruckt. Gelegentlich wird ein Buchstabe aus den Initialalphabeten 2 und 3 der Familie Weissenhorn verwendet. Bei Sartorius und den späteren Druckern in Ingolstadt gibt es sehr einfache Blätter, die nicht einmal mehr Initialschmuck tragen. Als Umrahmung, in die unten oft das Impressum einbezogen ist, dient bei diesen Blättern fast immer ein schmaler ornamentaler Holzschnitt-Rollenstempel.

Am Anfang des 17.Jahrhunderts wird der Schmuck etwas reichhaltiger. Wir finden Wappen oder das I.H.S.-Zeichen. Die Formate werden größer. Reich ausgestattete Thesenblätter werden bereits um die Mitte des 17.Jahrhunderts gestochen und gedruckt. Der Grund dafür ist, daß auch Ingolstadt - wie viele andere Jesuiten-Universitäten - seine Thesenblätter in erster Linie aus Augsburg bezieht. Dort liefert der Kupferstecher Bartholomäus Kilian seit 1655 Blätter, die er nach Vorlagen der Maler Christoph Storer, Jonas Umbach und vieler anderer in hoher künstlerischer Qualität herstellt.
Ab der Mitte des 17.Jahrhunderts beginnt das Thesenblatt immer mehr, wenn auch in engen Bereichen, die heutige Funktion von Medien zu übernehmen. Sind im 16.Jahrhundert nur selten Mäzene, Patrone etc. neben dem Präses (»Doktorvater«) und dem Defendenten genannt, kommt es »im zweiten Drittel des 17.Jahrhunderts zu einem Thesenfrontispiz mit oftmals eigenwilligen und seltenen Bilddarstellungen mit symbolischen Anspielungen, unorthodoxen Symbolen, Emblemen und Apotheosen, die nicht selten unter dem Diktat utilitaristischer Erwägungen stehen oder Honneurs machen wollen.«

Fazit

Das Thesenblatt - ein Plakat

Thesenblätter waren ursprünglich Plakate, die auf öffentliche Disputationen im Universitätsbereich hinweisen sollten. Vielfach wurden sie aber auch verteilt und verschickt, um gleichzeitig den Lehrstoff eines Professors zu verbreiten, da ja der Schüler für die Kosten seiner Promotion aufkommen mußte. Die Auflagenhöhen dürften zwischen hundert und dreihundert gelegenen haben.

Die Forschung ist sich noch nicht einig, ob die Plakatform (Einblattdruck) wirklich am Anfang steht. Es gibt unterschiedliche Auffassungen:
  • Am Anfang war das Plakat, später kamen die ausgearbeiteten Thesen dazu (Duhr)
  • Am Anfang waren die ausgearbeiteten Thesen (Broschüre), dann kamen die Thesenblätter dazu (Vereinigung von Schrift und Bild. - Lechner)
  • Meine Meinung: Beide Druckerzeugnisse - großformatiges Thesenblatt und Broschüre im Quartformat (4) - können schon ganz früh nebeneinander auftreten.
    Beleg: Gregor von Valencia, Theses theologicae de SS. sacramento. Eucharistiae quas in academia Ingolstadiensi ... defendet M.Joannes Bargius eiusdem Societatis ... die XII Martii, Anno 1584 (Kat. Nr. 9), Format 2, sowie Gregor von Valencia, Titel wie oben, 7 Bl. (Kat.Nr. 9a), Format 4

Das Thesenblatt - Einladung und Widmung

Etwa ab 1630, als das Thesenblatt sich zu immer größerem Umfang entwickelt, steht die Repräsentation im Vordergrund. »Vor Beginn der Disputation wurde jedem der Anwesenden ein Thesenblatt überreicht. Nach dem Disputationsereignis fungierten die Thesenblätter als Trophäen für die Defendenten und als Widmungsblätter für die Patrone.«

Das Thesenblatt bei den Jesuiten - ein Spiegel?

Die Entwicklung der in den Thesenblättern verwendeten graphischen Elemente geht eng mit der Entwicklung des Selbstverständnisses des Ordens einher.
  • Zunächst geht es um die öffentliche Disputation zur Förderung der Eloquenz und zur Vertiefung des Stoffes.
  • Die Beschlüsse des Tridentinums finden in der Lehre der jesuitischen Professoren Eingang (vgl. Katalog-Nr. 1 - 9), und der Orden erweist sich durch die Themenstellungen bei Disputationen als Wegbereiter der Gegenreformation in Bayern.
  • Den Anspruch der Jesuiten als Erzieher einer geistlichen und weltlichen Elite sieht man (besonders in der Barockzeit) an der Vielzahl von adeligen und vornehmen Respondenten, die dann auch durch besonders teure und aufwendige Thesenblätter auffallen. Sogar in den Universitätsakten wird das Thesenblatt »Die Erziehung Max Emanuels zum christlichen Helden« sehr lobend vermerkt.

In den »Akten der philosophischen Fakultät Ingolstadt« vom 19.12.1670 heißt es u..a. Etzdorff habe sich ».... eleganti emblemate« ausgezeichnet.
In einzigartiger Weise werden nämlich in dieser Darstellung alle wichtigen Elemente eines barocken Thesenblattes der von den Jesuiten geprägten bayerischen Landesuniversität erfüllt:
a) Der Präses ist Professor und Jesuit in Ingolstadt, Beichtvater am kurfürstlichen Hof und Begleiter der Truppen in die Türkenfeldzüge;
b) Die Darstellung des Kurprinzen im Alter von acht Jahren ist von außerordentlichem Liebreiz und war nach Meinung von Appuhn-Radtke dem Defendenten für seine spätere Karriere bei Hofe sehr nützlich.

Gratulations-Einblattdrucke

Für diese Art von Drucken stehen Exponate nur bis zum Jahr 1616 zur Verfügung.
Zur Beleuchtung des jesuitischen Lebens im Kolleg geben sie interessante Hinweise. Die Typographie ist wieder sehr einfach, noch ohne Bilderschmuck. Meist ist am unteren Rand der Drucker genannt. Wir finden fast ausschließlich Zweispaltendruck. Fast alle Blätter enthalten Widmungsgedichte, meist in lateinischen, manchmal auch in griechischen Hexametern.
Die Anlässe für diese Widmungsblätter sind Aufnahme eines Studierenden in die Marianische Kongregation oder Übernahme einer Funktion in der Kongregation; Gratulation der Mitstudenten zum Erreichen eines akademischen Grades eines Studierenden; besondere Ereignisse in Fürstenhäusern, die dem Kolleg nahestehen.

Gratulations-Einblattdrucke - ein Spiegel?

Alle Blätter, die zu den o.g. Anlässen vom Ingolstädter Kolleg gedruckt wurden, zeugen von einer hervorragenden philologischen und rhetorischen Schulung der Zöglinge. Häufig wurden gekonnt Beispiele aus der Geschichte gebracht und Anspielungen auf berühmte Personen und Vorkommnisse vergangener Jahrhunderte gemacht. Alle Blätter zeugen von einem liebevollen Umgang der Zöglinge miteinander. Gedichte für Mitbrüder werden mit gleicher Sorgfalt ausgearbeitet wie für höhergestellte Personen und Mitglieder regierender Häuser.

Ingrid Eiden. (Formatiert von Kurt Scheuerer)


Siehe auch:

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