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Flußgeschichte unserer Heimatlandschaft III
Die Urdonau

 

4.0 Beweise für einen Flußlauf

Wichtig in dem "Krimi" Landschafts- und Flußgeschichte waren die "Spurensuche" und die "Beweise".

4.1 Großformen

Solche "Fingerabdrücke" eines Flusses sind z.B. die Großformen, die er in der Landschaft geschaffen hat, also z.B. eine gewundene Talform, ein Mäandertal wie das Altmühltal mit Talspornen (Mühlberg bei Wellheim, Torleitenberg bei Dollnstein, Frauenberg bei Eichstätt, Gungoldinger Sporn, Eggersberg-Riedenburger Sporn, Schellenberg zwischen Kinding und Enkering, Michelsberg bei Kelheim).
An manchen Stellen ist durch die gemeinsame Arbeit des Hauptflusses (Albdonau = Urdonau) und des einmündenden Nebenflusses ein sogenannter "Durchbruchsberg" entstanden, z.B. an der Einmündung des Urmains (Vorläufer der Altmühl) bei Dollnstein: der "Tollenstein" (Burgberg), an der Einmündung der Sulz der riesige Arzberg zwischen Beilngries und Töging und an der Einmündung der weißen Laber der Wolfsberg südöstlich von Dietfurt. Vollkommene Umlaufberge, die der Hauptfluß alleine schafft, sind selten: Nur einmal hat die Urdonau dieses "Kunstwerk" geleistet: am Galgenberg bei Wellheim.
Dafür braucht man nach anderen Zeugnissen der Flußarbeit nicht lange zu suchen: An jeder Außenkurve des Tales (=Urdonaulauf - in Fließrichtung gesehen) liegen steile Prallhänge mit malerischen Felsbastionen, Türmen und Wänden, meist Riffdolomit oder tafelbankiger Dolomit: z.B. die Kletterfelsen zwischen Konstein und Aicha, die Felsgruppen auf der Westseite des Galgenberges (=Torleitenberg) bei Dollnstein, das amphitheatralische Felshalbrund über Obereichstätt, die Dolomittürme entlang der B 13 ( Weißenburger Straße gegenüber der Willibaldsburg in Eichstätt) und die Felsgruppen am Arnsberger Hang, um nur einige zu nennen.
Den Prallhängen gegenüber sind sanft ansteigende Gleithänge (an den früheren Innenkurven der Urdonau) ausgebildet: z.B. am Mühlberg bei Wellheim, auf den Ostseiten des Galgenberges (Torleitenberges) bei Dollnstein und des Frauenberges bei Eichstätt sowie am Gungoldinger und Arnsberg-Böhminger Sporn.

Weitere Beweise für die Kraft des fließenden Wassers liefern die riesigen von ihm weither transportierten Lockermassen: Sande und vor allem Kiese, die der Fluß aufschüttete und z.Teil auch wieder ausräumte, während er sich ein neues, tieferes Bett fräste. Durch den Wechsel von Aufschüttung und Ausräumung sowie erneuter Aufschüttung in tieferer Lage usw. entstehen ebene, gegeneinander gestufte Flächen verschiedener Höhenlage, sogenannte Flußterrassen aus Kiesen und Sanden = Schotterterrassen.

Da der Bildungsvorgang normalerweise von oben nach unten verläuft, liegen oben die früher abgelagerten. Flußterrassen erlauben dadurch eine relative zeitliche Einstufung. Eine absolute Datierung der Flußterrassen in unserem Gebiet ist schwierig aufgrund meist fehlender Zeitmarken (tierische und pflanzliche Fossilien) und der Begrenztheit radiometrischer Verfahren. Dies gilt für das gesamte Alpenvorland. Wichtige Hinweise (allerdings ohne absolute Zeitangaben) geben die Lößbedeckung der Schotterterrassen, ihre Verwitterung und eventuelle Verfestigung durch oben gelösten und weiter unten ausgefällten Kalk. Solche Schotterschichten sehen aus wie "Naturbeton" und heißen Konglomerate oder Nagelfluh. Sie treten erst bei älteren Schottern (ab der vorletzten Eiszeit) auf.
 

4.2 Kleinformen

4.2.1 Flußkiese

Beweise für die Existenz und die Herkunft (Einzugsgebiet) eines Flusses sind aber insbesondere Kleinformen - nämlich das Material der Kiesterrassen selbst: die Kiese, Gerölle, in der Gesamtheit als Schotter bezeichnet (von "Schutt", "schütten"). Sie wären wirklich einen eigenen Aufsatz wert; denn vieles daran ist interessant aber meist unbekannt. Noch dazu sind wir im Donautal "steinreich" - an Kiesen nämlich, (was Kiesgrubenbesitzer und Bauunternehmer sehr zu schätzen wissen: bestes, billiges Material bei reichem Angebot, kurzen Transportwegen und reger Nachfrage).

Kiese, wie sie in den Schotterterrassen der Donau vorkommen.
Ihre Farben verraten, daß verschiedenartige Gesteine vertreten sind (besonders kräftige Farben zeigen sich nach Anfeuchten der Kiese mit Wasser):
  1. Jurakalk, plattig, nur kantengerundet, da kurzer Transportweg
  2. Alpenkalk, erkenntlich an den weißen Quarzadern (bei der Alpenbildung zerbrochen, Bruchstellen später durch Kieselsäurelösungen wieder "verheilt").
    1+2 im Meer durch Ablagerung (kalt) gebildet
  3. Gneis, schieferige Struktur durch Wechsellagerung von Quarz und Glimmer (in größeren Tiefen durch hohen Druck und hohe Temperatur umgewandeltes Gestein)
  4. Granit, körnige Struktur (lat. Granum, Korn) zeigt Körner aus drei verschiedenen Mineralarten: farbige=Feldspat, graue=Quarz, dunkle=Glimmer ("Granite haben immer: Feldspat, Quarz und Glimmer!")

Granit ist ein Tiefengestein. Es entstand aus der glühendheißen Schmelze in der Tiefe der Erdkruste. Aufgrund der sehr langsamen Abkühlung und der mächtigen Deckschichten von mehreren tausend Metern Dicke konnten die Minerale gut auskristallisieren und erreichten Korngrößen, die mit bloßem Auge zu erkennen sind.

Über die Herkunft der Gesteine kann nur der Fachmann nach aufwendigen, speziellen Untersuchungen (Schwermineralanalyse) Gültiges aussagen. So kommen für Kalkgesteine (im Donautal bei Ingolstadt) der Schwäbisch-Fränkische Jura oder die Nördlichen Kalkalpen als Liefergebiete in Frage, für Granite und Gneise der Schwarzwald oder die Zentralalpen.

4.2.2 Leitgeröll Radiolarit

Ein Gestein erlaubt aber auch ohne aufwendige Untersuchungen den Schluß, daß Alpengestein vorliegt: Radiolarit. An Kiesstränden unserer Baggerseen und auf Kieshaufen der Schotterwerke fallen sie uns als knallige, rosa bis rot-braune Gesteine mit weißen Kalkadern auf. Radiolarit ist hart, feinkörnig, bricht splittrig und besteht chemisch aus fast reiner Kieselsäure (SiO2). Im Dünnschliff ist unter dem Mikroskop zu erkennen, daß das Gestein ganz aus winzigen Kügelchen aufgebaut wird - kaum 1/10 mm im Durchmesser -, deren Außenwand von zahlreichen Poren durchbrochen und mit Stacheln besetzt ist.

Es sind Reste der zarten Kieselskelette von Radiolarien (=Strahlentierchen), Einzeller, die auch heute noch im Plankton (im Wasser treibende schwebende Organismenwelt) der Meere vorkommen. Nach ihrem Tode sinken sie zusammen mit Kalkskeletten auf den Meeresgrund. Unterhalb von 4500 m Tiefe wird das Wasser aufgrund seines hohen Kohlensäuregehaltes so aggressiv, daß Kalkskelette bald aufgelöst werden. Zurück bleiben die kieseligen Hartteile der Radiolarien, die dann ausschließlich den roten Tiefseeton oder Radiolarienschlamm bilden. Seine Farbe verdankt er der vollständigen Oxydation der Eisenverbindungen durch das sauerstoffreiche Tiefenwasser. Durch den gewaltig anwachsenden Auflagerungsdruck der zunehmenden Last der Deckschichten, durch Entwässerung und Verdichtung der Porenräume bildet sich in geologischen Zeiträumen Radiolarienschlamm zum Gestein Radiolarit um. Durch seine große Härte gehört es zu den widerstandsfähigsten Geröllen des Donaugebiets, daher auch der Name "roter Hornstein".

Betrachtet man das gesamte Einzugsgebiet der oberen Donau, kommen Radiolarite allein in den Alpen vor. Sie müssen in unser Gebiet von Iller oder Lech herangeschleppt worden sein. Radiolarite sind sogenannte "Leitgerölle", d.h. sie sind der sicherste Beweis dafür, daß die Gerölle, in denen sie liegen, aus den Alpen stammen.

Anmerkung: Aus verschiedenen Gründen ist es unwahrscheinlich, daß das Alpenmeer zur Zeit der Ablagerung des Radiolarienschlamms an der Wende mittlerer/oberer Jura vor rund 160 Millionen Jahren jemals tiefer als höchstens 2000 m war. Es mögen also damals andere Bedingungen (heute sind mindestens 4500 m nötig) für die erwähnten Vorgänge geherrscht haben.
 

4.3 Vorraussetzungen für die weitere Entwicklung

4.3.1 Niveauunterschied

Die Landschaftsentwicklung bis zur 1. Laufverlegung der Donau zeigt als Ergebnis einer ca. 5 Millionen Jahre dauernden Ausräumung durch die Flüsse einen Niveauunterschied zwischen dem Donaulauf im Wellheim-Eichstätter Albtal und den (Neben)flußsystem im Ingolstädter Becken.
Das Ingolstädter Becken wurde im gleichen (gewaltigen!) Zeitraum durch die gemeinsame Arbeit der kleinen Nebenflüsse der Donau (Schutter, Neuburger Fluß, Donaumoosflüsse, Paar und Ilm) tiefer ausgeräumt, als es die Donau trotz ihrer gröberern Grabwerkzeuge (Schotter aus den Moränen und Schotterplatten des Alpenvorlandes und ihrer ca. viermal größeren Wassermassen (gegenüber heute) vermochte.
Der harte Jurakalk z.T. als schichtungsloser Riffkalk - oder Dolomit - bot auch dem großen Fluß beachtlichen Widerstand.
Die vereinigten erwähnten kleinen Flüsse hatten ihre Quellen zwar in der unmittelbaren Umgebung, also nur geringe Wassermassen und keine Grobschotter zur Verfügung, sie konnten dafür aber in dem weichen lockeren Untergrund aus Sanden, Feinkiesen und Tonen (=Molasse, bei der Alpenhebung von Flüssen abgelagert) im Ingolstädter Bereich eine weites, tiefes Becken schaffen.
Außerdem sägten sie kurz vor ihrer Einmündung in die Albdonau durch den Weltenburg-Kelheimer Jurariegel ein tiefes Tal, den sogenannten "Weltenburger Donaudurchbruch" - korrekt: "Weltenburger Enge"-. Diese ist größtenteils ihr Werk, die Donau ist an dem ca. 180 m tiefen Cañon nur mit 10-15 m Ausräumungsleistung beteiligt. Kein Wunder, sie strömt ja "erst" seit knapp 200.000 Jahren durch die Enge.

4.3.2 Die trennende Wasserscheide

Sie verhinderte (zunächst), daß die Donau in das tiefer gelegene Ingolstädter Becken floß.
Von Friedberg östlich von Augsburg zog sie - östlich des Lechs nach Norden über die Höhen, die heute das Donaumoos im Westen begrenzen, über den Finkenstein nach Norden zur heutigen Altmühl, wo sie südlich des Tales nach Ost-Nordost weiterlief. Im nördlichen Teil der Wasserscheide (Altmühl bis südlich Oberhausen) besteht der Untergrund aus hartem Jurakalk. Ab Oberhausen bildet zwar Molasse (lockere Sande, Tone) die Unterlage, diese ist aber mit bis zu 10 m dicken Iller-Lech-Donauschottern (meist Kieselgesteine) gepanzert.
Nun ist das Problem: Wie konnte die Donau die trennende Wasserscheide überwinden und in das tiefer liegende Ingolstädter Becken gelangen?

Heinrich Niedermeier, 1995


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