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Texte im Stadtmuseum Ingolstadt - Raum 5
Vindelikische Städte und Tempel
der Mittel- bis Spätlatènezeit

 
Die dem Latènestil und der Keltenzeit gemäße neue Baukunst wird erst gegen Mitte der Periode erkennbar. Wie bei aller Baukunst besteht hier die Aufgabe, Räume mit umschließenden und tragenden sowie deckenden Baugliedern, aber auch mit schmückenden und symbolhaften Elementen zu schaffen.
Da Stadt und Tempel quasi zum Maß der Keltenzeit werden, sind die symbolischen Momente der Heiligen Grundrisse besonders prägnant.

Sowohl südlich als auch nördlich der Alpen werden nämlich seit der Mitte des Jahrtausends viele Naturheiligtümer durch Tempelbauten erweitert oder ersetzt. Der traditionelle Typus kreisförmig oder quadratisch umgrenzter Grabstätten und anderer geometrischer Erdwerke wird in einigen Keltenprovinzen, besonders im Vindelikergebiet, aus dem Gräberkultus gelöst und in Form sog. Viereckschanzen-Tempel monumental gestaltet. Das sind wall- und grabenumzogene Kult- oder Festplätze von streng viereckigem Grundriss mit jeweils einem Tor, deren Situierung und Beschaffenheit allen Befestigungscharakter ausschließen lässt. In solchen Viereckwällen konnten ebenerdige Holzzäune als Vorgängerbauten, aber auch Holztempelchen und künstliche Opferschächte nachgewiesen werden.

Neu in den nordalpinen Bereich übertragen ist dagegen die alte mediterrane Siedlungsform der geschlossenen Stadt von sozial sowie wirtschaftlich gegliederter Organisation und Struktur.
Auf Randhöhen der Alb und in der Niederung des Donautals entstehen so befestigte Keltenstädte ähnlich den von Caesar beschriebenen gallischen Oppida.
Zwar sind die Anlagen auf dem Michelsberg bei Kelheim und am Stätteberg bei Unterhausen nur aus dem überkommenen Bautypus der Abschnittsbefestigungen ins Große übersetzt und wohl eher Refugien als Dauersiedlungen.
Aber das in der Ebene bei Manching neugegründete Oppidum umschließt auf weiträumig-kreisförmiger Fläche mit steinerner Ringmauer ein orientiertes Straßenkreuz nebst hölzernen Wohnbau- und Gewerbequartieren und ist wiederum durch sakrale Geometrie bestimmt, es ist als Hauptort und politisch-wirtschaftliches Zentrum der Vindeliker anzunehmen.
In diesen eine Weltordnung spiegelnden Bauideen und Architekturklassen treten mittelbar Priesterkollegien und Feudalaristokratie der Kelten, die von Caesar geschilderten Gesellschaftsklassen der Druiden und Ritter, in ihrer ganzen Macht hervor.
Übrigens könnten Gruppierungen von Viereckschanzen-Tempeln, die (wie die Tempelgruppe bei Böhmfeld) abseits und außerhalb der eigentlichen Siedlungszonen liegen, als religiöse Mittelpunkte gesehen werden.

Dr. Rudolf Albert Maier, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt, um 1980
Fotos: Kurt Scheuerer


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