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Die verschiedenen Stunden im 16. Jh.

 

Ungleichlange Stunden

Wie sich der Mensch mit der antiken Zeiteinteilung zurechtgefunden hat, können wir heute gefühlsmäßig wohl gar nicht mehr erfassen. Sowohl der Tag als auch die Nacht waren in jeweils zwölf Stunden eingeteilt. "Bey den Juden aber ist alle zeyt der Tag/ Er sey langk oder kurtz/ 12 Stund langk geweßen."
Diese Stunden hatten jedoch, entsprechend der Jahreszeit und der geographischen Breite, an jedem Tag eine andere Dauer. Man nennt sie deshalb die ungleichlangen Stunden. Nach heutiger Rechnung geht die Sonne bei uns im Juni/Juli gegen 4 Uhr und im Dezember etwa um 8 Uhr auf. Der Tag - und damit auch die antike Stunde - ist also im Sommer bis zu doppelt so lang wie im Winter.

Im Folium populi beschreibt Apian im "Fünfft Capittel/ wie du die stund vom Auffgang unnd Nydergang/ des gleichen die Judenstund erkhennen solt."
Neben den üblichen Anweisungen zum Gebrauch des Gerätes "Und die selbigen Judenstund habe ich in disem Instrument mit zertaylten lini/ oder mit klainen punctlein gemacht/" gibt er hier Hinweise zur richtigen zeitlichen Einordnung der Geschehnisse während der Passion Christi.

Die im Neuen Testament angegebenen Stunden beziehen sich ja auf die jüdische Zeitrechnung, nicht auf die im 16. Jh. gültige Stundenzählung:
"Dann die Juden haben einen yetlichen Tag er sey langk oder kurtz in 12 gleiche tayl getaylt/ das clar zu beweysen ist auß dem alten und newen Testament. ...
Das aber die Juden dise Stunden gebraucht haben/ unnd nicht die Nürnberger stund/ wie ettlich mainen und schreyben/ wil ich auß der heyligen geschrifft genuogsam beweren. ...
Dann zu Nürnberg ist der Tag zu zeyten nur 8 stund langk/ zu zeyten 16 stund. Bey den Juden aber ist alle zeyt der Tag/ Er sey langk oder kurtz/ 12 Stund langk geweßen. ..."

Apian führt nun einige Bibelstellen an.
Weiter stellt er fest, die Stunden zählen "von Mittag zu Mitternacht/ von dann widerumb zu dem Mittag. Darumb irren ettliche Prediger/ die die Stund des Passions unnsers Erlößers nach unsern stunden rechnen."

Gleichlange Stunden

Zwar hatte sich mit der Einführung der mechanischen Uhr die gleichlange Stunde durchgesetzt, jedoch war die Zählweise noch unterschiedlich.
Die italienischen und böhmischen Stunden begannen bei Sonnenuntergang und zählten von 1 bis 24. Apian schreibt: "wie vil stund die Beham und Sleßier zelen/ die ire stund nach dem nydergang der Sonnen rechen: und wie vil die Nürnberger ... welhe vom auffgang der Sonnen zelen".
In Nürnberg zählte man die Stunden von Sonnenaufgang bis -untergang; der Tag hatte im Sommer also bis zu 16 Stunden, im Winter sank seine Länge auf 8 Stunden, während die Nachtlänge (gezählt wurde hier von Sonnenuntergang bis -aufgang) sich umgekehrt verhielt. "Dann zu Nürnberg ist der Tag zu zeyten nur 8 stund langk/ zu zeyten 16 stund." Dies läßt sich sehr gut an der Sonnenuhr des Johannes Stab in Nürnberg (Abb. 1) erkennen.

Planetenstunden

Mit dem Quadranten Apians können aus den gemeinen Stunden auch die Planetenstunden abgeleitet werden. Diese dienen zur Ermittlung der von den Planeten regierten astrologischen Häuser.
Es werden unabhängig von der Länge des Tages zwölf Stunden gezählt von Sonnenaufgang bis -untergang, ebenso zwölf Nachtstunden; "aber nicht (wie der gemayn hauff maint) ist ein stund als langk als die ander".
Die Dauer der Häuser sollte einigermaßen gleich bleiben. Daher muß im Sommer (bei kurzen Nachtstunden) die erste Stunde des Tages auch kurz sein. Die weiteren Stunden werden dann länger, so daß die sechste Stunde "die sich allmal zu mittag endet" mit der darauffolgenden siebten die längste Stunde ist.
Im Winter ist das dann genau umgekehrt. "Also geschicht dise taylung des ab und zuonemens/ in einer steten und natürlichen proportion."
Aus den ungleichen Stunden kann man erkennen, "welher Planet die Element und Elementischen cörper regiert".

Apian scheint dem jedoch nicht viel abgewinnen zu können, denn er schreibt weiter: "darvon dann die alten gar vil gehalten haben/ die ursach aber bey den newen nicht sonderlich erkendt ist/ darumb sie von inen auch hynder gelegt werden."
Er meint hier also, die Wissenschaft seiner Zeit würde die Astrologie nicht mehr beachten. Die Verhältnisse dürften jedoch damals wohl anders gewesen sein. Seine Bücher aber mußten sich auch verkaufen, daher ist mit vielen seiner Geräte auch eine Umrechnung in Planetenstunden möglich.

In der darauf im Instrument Buch folgenden "Taffel der regierung der Planeten nach den ungleichen stunden des Tags" sind waagrecht die Planetenstunden von 1 bis 12 angetragen, senkrecht die Wochentage. Die Sonntagsreihe beinhaltet Sonne, Venus, Merkur, Mond, Saturn, Jupiter, Mars. Dann wiederholen sich diese sieben Planeten bis zu Saturn in der 12. Stunde. In der Nachttafel geht es dann weiter mit Jupiter. Die 12. Nachtstunde endet mit Merkur, so daß die Tagestafel des Montags in der 1. Stunde mit dem Mond beginnt. Die Wochentage beginnen also mit dem Namen des jeweils zugehörigen Planeten.

Kurt Scheuerer, 1995


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