„Donauauen an der Kälberschütt“
Maßnahmen zum Schutz der Bestände im Naturschutzgebiet
Ingolstadts einziges Naturschutzgebiet auf Stadtgebiet, die Donauauen an der Kälberschütt, rückt immer mehr in den Fokus, da unmittelbar daneben, auf dem ehemaligen ERIAG- bzw. Bayernoil-Raffineriegelände, derzeit der neue Innovationscampus der Audi AG (IN-Campus-Gelände) entsteht. Für das 1992 ausgewiesene Naturschutzgebiet wurde im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde beim Umweltamt der Stadt Ingolstadt von einem Fachbüro ein Pflege- und Entwicklungsplan erstellt, dessen Ergebnisse jetzt vorliegen.
Derzeit noch durch einen Zaun vom neuen IN-Campus-Gelände getrennt, befinden sich im ehemaligen Erweiterungsgelände der damaligen Raffinerie Teilbereiche des Naturschutzgebietes. Neben den Auwaldbeständen an der Südseite der Donau mit ihren Altwassern, u.a. dem Franziskanerwasser, umfasst das Naturschutzgebiet hier auch wertvolle, orchideenreiche Magerrasenflächen und mehrere kleine Tümpel in einer ehemaligen Kiesabbaustelle.
Im Rahmen des Pflege- und Entwicklungsplanes wurden Pflanzenarten sowie Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische, Tagfalter, Libellen, Heuschrecken und Mollusken (Schnecken und Muscheln) erfasst sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen erarbeitet.
Das Ergebnis der Untersuchungen ist erfreulich. Die Gutachter stellten fest, dass sich das Naturschutzgebiet trotz der relativ geringen Ausdehnung von nur rund 110 Hektar durch eine überregional bedeutsame Artenvielfalt auszeichnet. Neben dem beinahe flächendeckenden Vorkommen von 19 bundesweit bedrohten und als Flora-Fauna-Habitat-Lebensraumtypen charakterisierten Pflanzengesellschaften der Roten Liste Deutschlands konnten im Gebiet 623 Pflanzen- und Tierarten nachgewiesen werden, von denen 159 Arten auf der Roten Liste verzeichnet sind. 21 Arten gelten landesweit als stark gefährdet und vier Arten sogar als vom Aussterben bedroht.
Als wahres Schatzkästchen hat sich das Franziskanerwasser erwiesen, das im Süden bis an den Auwaldsee verläuft. Hier wurden u.a. viele Libellen erfasst, darunter die beiden vom Aussterben bedrohten Arten Keilflecklibelle und Große Moosjungfer. Bei der letztgenannten handelt es sich sogar um einen Erstnachweis in der Region Ingolstadt. Bemerkenswert ist auch der nachgewiesene große Bestand an Bitterlingen, einer stark gefährdeten Fischart, die sich nur dann vermehren kann, wenn ausreichende Bestände an bestimmten Muscheln, im vorliegenden Fall Teichmuscheln, vorhanden sind.
Höchste Bedeutung für den Arten- und Lebensraumschutz kommt im Naturschutzgebiet den Magerrasen („Brennen“) im Anschluss an das IN-Campus-Gelände zu, da sie Lebensraum einer sehr großen Anzahl an seltenen und bedrohten Arten sind. Hier wurde als kleine Sensation die Schlingnatter, eine stark gefährdete, ungiftige Schlangenart nachgewiesen, die bisher im Gebiet nicht bekannt war. Sehr individuenreich kommt in den Brennen darüber hinaus die Zauneidechse vor.
Bei den Brennen handelt es sich um trocken-magere Extremstandorte auf Kies, den die Donau vor der Stauregulierung bei starken Hochwasserereignissen in der Aue verteilt hat. Von diesem früher in der südlichen Donauaue großflächig ausgeprägten Lebensraum stellen die Magerrasen im untersuchten Gebiet heute einen unbedingt erhaltenswerten Rest dar, der besonderer Pflege bedarf. Erfreulicherweise stellte der Gutachter fest, dass sich die Flächen in einem guten Pflegezustand befinden. Hier führt der Jagdpächter in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde seit mehreren Jahren eine zeitlich gestaffelte, schonende Mahd durch, die sich an den Erfordernissen der vorkommenden Arten orientiert.
Da die Magerrasen und Waldbestände im Naturschutzgebiet unmittelbar an das IN-Campus-Gelände angrenzen, sind Maßnahmen zum Schutz und zum Abpuffern unerwünschter Einflüsse auf die wertvollen Bestände erforderlich. Als Ergebnis mehrerer Abstimmungen sieht die AUDI AG ein Ausgleichsflächenkonzept vor, beispielsweise ist im Übergangsbereich u.a. die Neuanlage eines Magerrasens geplant. In dem 15 Hektar großen Puffergebiet zwischen IN-Campus und Naturschutzgebiet werden auf der gesamten Fläche regionstypische Lebensräume der Donauauen gestaltet. Auf diese Weise können sich die derzeit auf ein Minimum reduzierten Lebensräume der offenen Brennen wieder vergrößern.
Um künftig den an der Natur Interessierten Bürgern von Ingolstadt sowie den Beschäftigten im neuen Technologiepark die Möglichkeit zu geben, das Naturschutzgebiet zu erleben, wurde im Rahmen des Pflege- und Entwicklungsplanes ein Besucherlenkungskonzept erarbeitet, das im Laufe des Jahres im Rahmen einer Masterarbeit weiter verfeinert wird. Neben verschieden langen Rundwegen sind vielfältige Informationseinrichtungen geplant. Ziel ist es, den Besuchern die Faszination für das Schatzkästchen Natur in der Kälberschütt nahezubringen, ohne die wertvollen und gegenüber Störungen empfindlichen Arten und Lebensräume zu beeinträchtigen.