Seiteninhalt

Das Gedächtnis der Stadt

Stadtarchiv restauriert beschädigtes Material

Vor genau 100 Jahren, im Mai 1918, demonstrierten aufgebrachte Menschen in Ingolstadt gegen Krieg, Hunger und Wohnungsnot. Der aufgebrachte Mob stürmte damals das Rathaus und legte dort Feuer. Das heute als „Rathaussturm“ bekannte Ereignis hat Folgen bis heute. In der Registratur der Stadtverwaltung lagerten nämlich die Archivalien, historische Schriften und weiteres geschichtliches Material. Obwohl bis auf die alte Einwohnermeldekartei zum Glück nichts vollständig vernichtet wurde, sind viele Akten nachhaltig beschädigt worden – durch das Feuer selbst oder durch das Löschwasser. Das „Gedächtnis der Stadt“ hat gelitten.

Heute ist das Stadtarchiv Ingolstadt zusammen mit dem Stadtmuseum und der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek im Kavalier Hepp untergebracht. Dort wird amtliches Schriftgut, das bis zu 700 Jahre alt ist, aufbewahrt und dient als Quelle für historische Forschung und lokale Geschichte. Sowohl bei den Akten als auch an den Bänden sind heute noch Spuren der Hitzeeinwirkung von damals zu sehen. Noch mehr als diese stellt für die heutigen Archivare der durch das Löschwasser verursachte Schimmel ein großes Problem dar. Zwar wurde durch den Einbau einer Klimatisierung die Schimmelausbreitung eingedämmt, dennoch müssen die vorhandenen Sporen entfernt werden – keine leichte Aufgabe bei dem jahrhundertealten, fragilen Material. Aber auch andere, zum Teil durch häufige Nutzung entstandene Mängel am Archivgut sollen nun beseitigt werden: Bindungen werden erneuert, Risse hinterklebt, Stellen mit drohendem Textverlust stabilisiert, Verschmutzungen entfernt und säurehaltige Kartonagen ausgetauscht.

„Was sinnvoll und machbar ist, wird im Rahmen einer Bestandhaltungsoffensive seit dem letzten Jahr in Angriff genommen“, erklärt Stadtarchiv-Leiterin Beatrix Schönewald. Dazu müssen sich die Archivmitarbeiter alle Materialien einzeln und ganz genau ansehen und auf mögliche Schäden untersuchen. Festgestellte Mängel werden erfasst und in Schadklassen eingeteilt, um sie anschließend in qualifizierte Hände zur Restaurierung geben zu können.

Der überwiegende Teil der im Stadtarchiv verwahrten Überlieferung besteht aus Schriftgut der Stadtverwaltung, das bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Neben den Urkunden über Rechtsgeschäfte und Titelverleihungen an die Stadt dokumentieren die Amtsbuch- und Rechnungsbände historisch wichtige, zum Teil auch rechtlich oder finanziell relevante Belange der Stadtgeschichte, darunter Rats- und Briefprotokolle. Den größten Teil der archivarischen Überlieferungen stellen die bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückreichenden Akten der städtischen Ämter dar, zum Beispiel des Standes- und Bürgeramtes. Ergänzt wird die Verwaltungsüberlieferung des Stadtarchivs durch Nachlässe und verschiedene Sammlungen, zumeist von Privatpersonen, Vereinen, Verbänden, Firmen oder kleineren Betrieben.