Dynamisierung der Donauauen zwischen Neuburg und Ingolstadt

Was sind die Donauauen?

Flussökosysteme bestehen aus den drei Elementen Gewässerbett, Ufer und Aue. Das natürliche Überschwemmungsgebiet des Flusses bestimmt dabei seine Aue. Die Donauauen zwischen Neuburg und Ingolstadt zählen aufgrund des großflächigen Auwaldbestandes und des Artenreichtums zu den bedeutendsten Flusslandschaften in Mitteleuropa. Durch die Donaukorrektionen im 19. Jahrhundert und die anschließenden Stauregulierungen im letz ten Jahrhundert ging die natürliche Flussdynamik weitgehend verloren. Regelmäßige Hochwasser mit weiträumigen Überschwemmungen, wechselnde Grundwasserstände, Abfluss- und Gewässerbettdynamik sind jedoch natürliche Vorgänge und elementarer Bestandteil fluvialer Ökosysteme. Heute steht das Gebiet nur noch für größere Hochwasser als Retentionsraum zur Verfügung. Dass es diese Funktion auch weiterhin erfüllt, ist für den Hochwasserschutz von großer Wichtigkeit. Die bestehende Konzeption mit dem Streichwehr bei der Stauhaltung Bergheim leitet erst bei einem Hochwasser mit Abflussspitzen ab 1.300 m³/s Wasser aus der Donau in den Auwald.

Das natürliche Fließgewässerkontinuum ist durch die beiden Staustufen Bergheim bei Fkm 2.469,9 und Ingolstadt bei Fkm 2.459,18 unterbrochen: Der Fließcharakter der Donau ging in den Stauräumen verloren und die Durchwanderbarkeit, die sogenannte biologische Durchgängigkeit, ist für danubische Lebewesen unterbunden. Hinzu kommt eine mangelnde Quervernetzung der Donau mit ihren Nebengewässern und Altarmen.

Warum sind Auen so wertvoll und so wichtig?

Auen sind die Gebiete entlang der Fließgewässer, die natürlicherweise von deren dynamischen Veränderungen geprägt sind. Zu diesen Veränderungen zählen neben Gewässerbettverlagerungen (Mäanderbildung) auch Hochwasserereignisse, Niedrigwasserperioden und Sedimenttransport (Geschiebetransport) von Felsblöcken, Steinen, Kies, Sand bis hin zu Schwebstoffen.

Durch diese natürlich Dynamik entwickeln sich zahlreiche stark unterschiedliche Lebensräume:

Altarme, Flutrinnen entstehen durch die Abtrennung von Flussschlingen. Diese sind zumeist flacher als der eigentliche Flussschlauch, das Wasser fließt hier wesentlich langsamer. Diese aquatischen Zonen sind die Kinderstube zahlreicher Fischarten, Amphibien und Wasserinsekten.

Kies- und Sandbänke werden von der Strömung, besonders bei Hochwasserereignissen, abgetragen und umgelagert. Auf diesen kurzlebigen Standorten setzen sich hauptsächlich einjährige Pflanzen durch, die selbst einen kurzen Lebenszyklus besitzen.

An den Uferstreifen siedeln sich Pionierpflanzen an, die im Schatten höherer Gehölze nicht gedeihen könnten. Gehölzfreie Vegetationsformen beschränken sich weitgehend auf vom unverbauten Gewässer neu geschaffene Standorte und sind daher ausgesprochen selten.

Schilfbestände am Donaualtgewässer Bild vergrössern Schilfbestände am Donaualtgewässer

Im häufig überschwemmten Wasserwechselbereich lagern sich teilweise mächtige Schichten sehr fruchtbarer Böden infolge der langsam abfließenden Hochwässer ab. Auf diesen amphibischen Standorten bilden wasserunempfindliche Gehölze und Bäume wie Erle und Weide Weichholzauen.

Hartholzauen besiedeln die terrestrischen Zonen, die nur bei extremen Hochwasserereignissen überflutet werden. Hier wachsen überwiegend Bäume wie Stieleiche, Ahorn, Esche, Hainbuche, Ulme und Birke, die weniger überschwemmungstolerant sind. In diesen Bereichen findet normalerweise keine Bodenumlagerung mehr statt.

Hartholzauewald Bild vergrössern Hartholzauewald

Die Auwälder sind durch die häufigen natürlichen Störungen reich an Totholz. Dadurch können sich verschiedenste Entwicklungsphasen auf sehr kleinem Raum zeitgleich und nebeneinander entwickeln.

Brennen sind hochdynamische Habitatstandorte in der Aue, die bei Hochwasserereignissen umgelagert werden. Inmitten des Waldes werden Inseln aus grobkörnigem Material aufgetürmt. Durch die geschützte Lage und das geringe Wasserspeichervermögen entstehen trockene, heiße Standorte, über denen Temperaturen bis zu 50° C herrschen können. Auf diesen kurzlebigen Standorten siedeln Spezialisten mit kurzen Lebenszyklen. Im Falle der Brennen sind es vor allem hitzetolerante Pflanzen.

Magerrasenstandort auf einer Brenne Bild vergrössern Magerrasenstandort auf einer Brenne

Hochwasserereignisse und Flussumlagerungen verändert immer wieder das Gesicht dieser Landschaft. Durch Abtransport und Umlagerung des Bodens entstehen neue Standorte, schwankende Wasser- und Grundwasserspiegel verändern die Lebensbedingungen für Flora und Fauna und sorgen so für eine hohe Biodiversität.

Pirol Bild vergrössern Pirol
gebänderte Heidelibelle Bild vergrössern gebänderte Heidelibelle

Unter den zahlreichen Tier- und Pflanzenarten der Flussauen befinden sich über 500 Arten, die auf der roten Liste der bedrohten bzw. gefährdeten Arten stehen. Die hochgradig vernetzte Lebensraumfunktion intakter Auen schafft Rückzugsräume für seltene oder reliktische Arten und ist gleichzeitig Zufluchtsort für Lebewesen in der Donau bei Katastrophenereignissen wie Hochwasser oder Schadstoffwellen. So gesehen verfügen Auen über ein hohes Wiederbesiedlungspotential, eine Trittsteinfunktion bzw. eine Strahlwirkung für ehemals angestammte Lebensräume.

Wegen ihres hohen naturschutzfachlichen Charakters wurden die intakten Auenrelikte der größeren Fließgewässer, so auch die Donauauen zwischen Neuburg und Ingolstadt, in die von der EU verabschiedeten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als FFH-Gebiet aufgenommen.

Abgesehen von der biodiversen ökologischen Funktion verfügen Auen durch ihr hohes Wasserspeichervermögen über eine gewaltige Retentionswirkung. Bäume und das Unterholz bremsen die Fließgeschwindigkeit und mildern so die Höhe der Flutwellen. Neben dem Hochwasserschutz und der klimatischen Pufferwirkung haben intakte Auen für den Menschen einen hohen Erholungs- und Freizeitwert.

Wodurch wurden Flüsse und Auen zerstört?

Anthropogene Nutzungsinteressen in den Auen für Siedlungen sowie für Land- und Forstwirtschaft haben in den beiden letzten Jahrhunderten zu gravierenden Eingriffen in Fluss und Aue geführt. Flussbegradigungen, wie etwa die Donaukorrektionen um 1830 in Verbindung mit Versteinungen der Ufer legten auch die Donau in ein kanalartiges Korsett ohne Quervernetzung mit Seitengewässern, Altarmen und Aue. Damm- und Deichbauten schneiden heute die Altgewässer von den Flussläufen ab. Dadurch fehlt den Altarmen und Tümpeln in den Auen die Frischwasserzufuhr. Die Wasserqualität leidet erheblich unter diesem Mangel. Die Altarme verlanden.

Durch die monotone und erhöhte Fließgeschwindigkeit kam es zur Eintiefung des laufverkürzten Flusses und damit zum Absinken des Grundwasserspiegels in der Aue. Daraus resultierten nur noch seltene Flutungsereignisse in der Aue. Beide Faktoren bewirkten langfristig ein Abkoppeln der Aue und des Auwaldes von Fluss und Grundwasser und begünstigten mit höheren Flurabständen Landwirtschaft und Siedlungen, begleitet von einem Rückgang der Auwaldflächen durch Rodung. Um eine weitere Gewässerbetterosion zu stoppen, wurden um 1970 die beiden Staustufen Bergheim und Ingolstadt mit dem Zweck der Stromgewinnung errichtet. Zwischen Lechmündung und Vohburg befinden sich heute fünf solcher Staustufen in der Donau, weshalb dieser Abschnitt nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie als erheblich verändert eingestuft wurde. Die Staustufen bewirkten eine zweite Welle fataler Beeinträchtigungen für die Donau: Sowohl die Geschiebedurchgängigkeit, als auch die biologische Durchgängigkeit wurden unterbrochen und der Fließcharakter ging in den Stauräumen verloren. Die Sohle ist hier kolmatiert, d.h. ihr Kieslückensystem, das sogenannte Interstitial als Lebensraum für strömungsliebende Wirbellose und als Laichhabitat für Fische, ist mit Sedimenten verstopft. Wärmeres Wasser, mangelnde Beschattung und geringe Strömung lassen Algenblüten in den Stauräumen entstehen mit Negativfolgen für die Gewässergüte.

(Fotos: Heidemeier)