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Bronzezeitliche Deponierungen
Zeugnisse religiöser Vorstellungen und Praktiken

Stefan Winghart
Aus dem Katalog zur Ausstellung: Das Geheimnis des Bernstein-Colliers
Ingolstadt 1998. S. 65-71.


Die Rekonstruktion urgeschichtlicher Religionsvorstellungen aus stummen Überresten der materiellen Kultur gehört zu den schwierigsten und unsichersten Unternehmungen der prähistorischen Archäologie. Gänzlich unmöglich ist die Umschreibung spezifischer, sozial oder ökonomisch begründeter Kultphänomene: Die soziale Pyramide archaischer Gesellschaften ist im allgemeinen eher flach und steht schichtenübergreifend in unmittelbarer Abhängigkeit von agrarischen Ressourcen, weswegen wir wohl mit einigem Recht grundsätzlich landwirtschaftlich geprägte Glaubensinhalte für alle Schichten der Bevölkerung annehmen dürfen.

Wohl am augenfälligsten wird der Glaube an ein Jenseits bzw. an eine wie auch immer geartete Fortexistenz nach dem physischen Tod im Ritual der Bestattung. Für die Bronzezeit lassen sich dabei im wesentlichen zwei Stränge herausarbeiten, die für die ganze Dauer der Epoche verbindlich bleiben, nämlich das Flach- und das Hügelgrab. In den Flachgräbern der Stufe A (19./18. Jh. v. Chr.) zeigt sich im Ritus der Hockerbestattung die Ungebrochenheit der endsteinzeitlicher Traditionen. Die kanonische Beigabe von Bronzedolch und Silexpfeil rechnen zum Erbe der Bogenschützen der Glockenbecherkultur, metallene Randleistenbeile ersetzen die steinernen Hiebwaffen der schnurkeramischen Streitaxtgruppen.

Die religiös zu interpretierende Sitte der intentionellen Deponierung oder Versenkung von Gegenständen an besonderen Orten, die in Spätneolithikum einsetzt und bruchlos in die Frühbronzezeit weiterführt, steht in enger Wechselbeziehung mit dem Grabbrauch, ein Phänomen, das bis zum Ende der Urnenfelderbronzezeit zu beobachten sein wird. Insbesondere der Dualismus Schnurkeramik-Glockenbecherkultur findet hier sein Pendant: Während die vornehmlich niedergelegten Funktionsgruppen, steinerne und später bronzene Waffen (Abb. 1), in der Hauptsache Äxte und Beile, dem Leitfossil in den Gräbern der Streitaxtkulturen entsprechen, bleiben die Waffen , die dem Glockenbecherkreis zuzurechnen sind, von der Sitte der Deponierung oder Versenkung unberührt.

Von der Stufe B an setzt sich der am ehesten aus schnurkeramischer Tradition herzuleitende Grabhügel als Bauprinzip durch. Im Falle einer Körperbestattung liegt der Tote gewöhnlich in gestreckter Rückenlage, versehen mit den Insignien seines Ranges und wohlversehen mit Speise und Trank in tönernen Gefäßen im Zentrum des Hügels zu ebener Erde. In Bayern ist allerdings seit der Frühbronzezeit ein starker Trend zur Brandbestattung zu beobachten, die spätestens ab der Stufe C (15./14. Jh. v. Chr.) zum Regelfall wird. Die Bestattung wurde im allgemeinen von kleinen Erd- oder Steinpackungen überdeckt, unter denen sich ein Holzsarg oder eine schmale Totenkammer befand. Die im Grab beigegebene Kriegsausrüstung des Mannes steht zu Beginn der mittleren Bronzezeit mit Dolch und Beil noch stark in der Tradition der Vorgängergruppen. Während des 16. Jahrhunderts wandelt sich der Dolch zum Schwert mit Griff aus organischem Material, das Streitbeil verschwindet. Die Vervollkommnung der Gießereitechnik ermöglicht die Herstellung von sog. Vollgriffschwertern. Die Grabausstattung der Frauen kann je nach sozialer Stellung sehr stark variieren. Gängig sind bronzene Armringe, - reifen und - bänder, Nadeln der verschiedensten Formen, Finger- und Zehenringe, Knöchelbänder, metallbeschlagene Stirnbänder, Anhänger in mannigfacher Form sowie Kleiderbesatz und Gürtelzubehör.

Als überaus wertvolles Schmuckstücke der jüngeren Mittelbronzezeit gehören die Beinbergen und das Bernsteincollier vom Ingolstädter Audi-Gelände in diesen Kontext. Schlaglichtartig zeigen sie die Kontinuität frühbronzezeitlichen Deponierungsverhaltens. Erkennbar ist hier die Trachtausstattung einer vornehmen Dame zusammengestellt, die jedoch nicht ins Grab gelangte, sondern außerhalb und gesondert niedergelegt wurde. Die Gründe für solche Handlungsweisen werden erst allmählich deutlicher, ohne daß derzeit eine wirklich befriedigende Lösung angeboten werden könnte. Auffällig ist immerhin, daß wie schon in Endneolithikum und Frühbronzezeit vornehmlich Geräte und Schmuck einer hohen Qualitätsstufe niedergelegt werden (Abb.2), die, wenn auch selten, ansonsten in zeitgleichen Gräbern auftauchen und die stetige Zunahme derartiger Deponierungen mit dem Zunehmen der Brandbestattung korrespondiert. Daß der Übergang von der Körper- zur Brandbestattung zweifellos auf einen tiefgreifenden Wandel der religiösen Vorstellungen zurückzuführen ist, betont den besondere Charakter des Phänomens Deponierung.

In der Spätbronzezeit ändert sich das Bestattungsritual. An die Stelle der Hügelbestattung tritt zunehmend das Flachgrab. Endgültig setzt sich die Leichenverbrennung durch, wenngleich die für einen Leichnam bestimmte Grabkammer noch etliche Zeit beibehalten wird. Täuscht der Eindruck nicht, so tritt die Gruppe oder der Verband, dem der Tote angehörte, im Bestattungsritual stärker in den Vordergrund. Innerhalb der sozialen Oberschicht scheint die Rolle des Gastmahls auch im Totenzeremoniell eine besondere Rolle einzunehmen.

Es scheint, daß in den Gräbern dieser Personengruppe Vorstellungen Ausdruck finden, die im Zuge verstärkter Fernkontakte aus den Donauländern und der Ägäis zusammen mit zahlreichen Sachgütern und sozialen Mustern, zu denen wesentlich zeremonielle Ausstattung mit Waffen und Schmuck, Trink- und Eßgeschirr sowie in einigen Fällen vierrädrigen Wagen gehörten, nach Süddeutschland gelangten, wo sie entsprechend eigenen Vorstellungen umgedeutet und in traditionelle Bestattungsmuster übernommen wurden. Diese Eliten repräsentierten ihr Selbstverständnis in einem bestimmten Zeremoniell bzw. in der kanonischen Anhäufung von Schätzen im oder am Grab, in deren bruchstückweise zugänglichen Sinngehalt die Komplexe Reiten und Fahren, Kampf, Gastmahl, Zeremonie und Metallverarbeitung auszumachen ist.

Archäologisch ist dieses Phänomen im Grabbrauch nur relativ kurze Zeit, etwa drei bis vier Generationen belegt. Spätestens ab der Urnenfelderstufe A2 (11. Jh. v. Chr.) werden hochrangige Gegenstände in den Grabausstattungen, sofern sie überhaupt je gängige Beigabe waren, zunehmend seltener, verschwinden aber nicht aus dem Totenbrauchtum selbst. Hier sind verschiedene Tendenzen zu beobachten: Zum einen nimmt die pars pro toto – Beigabe zu, deren Dimension erst allmählich mit zunehmenden Beobachtungs- und Erkenntnisstand sichtbar wird. Ideell eng damit verwandt erscheint die Miniaturisierung, die in der Beigabe von Kessel- oder Modellwägen zum Vorschein kommt. Des weiteren ist in der Anlehnung an donauländische Vorbilder eine Neigung zur Absonderung der hortartig niedergelegten Beigabenkomplexe von der Bestattung zu beobachten. So wird etwa im Falle der Ha A1 zeitlichen Grabdepots von Münchsmünster, Lkr. Pfaffenhofen a.d.Ilm (Abb. 3), die Auslagerung aus der eigentlichen Bestattung bereits räumlich vollzogen, so daß hier eher von Depots im funeralen Zusammenhang als von eigentlichen Grabbeigaben gesprochen werden kann.

Die nachfolgende Urnenfelderkultur entsteht auf der Grundlage der Bronzezeit, zeigt aber andererseits doch so starke kulturelle Eigenheiten, daß es gerechtfertigt erscheint, sie als eigene Kulturstufe anzuführen. Verbunden ist sie mit der vorangehenden Endstufe der reinen Bronzezeit durch eine Anzahl von Traditionen in Sachformen, in der Fortführung der Brandbestattung sowie in der rituellen Niederlegung von Horten und Einzelfunden. Insgesamt nimmt der während der mittleren Bronzezeit nur selten geübte Brauch der Deponierung während der Spätbronze- und der Urnenfelderzeit kontinuierlich zu. Auffälligerweise sind es dabei die Sachgüter des Symbolkanons von Kampf, Mahl/Gelage und Wagenfahrt, die bevorzugt außerhalb des Grabes in den Boden kommen.

Der Wandel vom eher kleingruppenartigen Gesellschaftsbild der Bronzezeit zur größeren Gemeinschaft der Urnenfelderzeit erfordert bzw. bedingt einen Wandel der soziologischen Struktur. Etliches hierzu ist aus der Geschichte des Schwertes abzulesen, das seit der mittleren Bronzezeit die soziale Stellung eines Häuptlings oder zumindest eines einflußreichen Mannes kennzeichnet. In der Urnenfelderzeit paßt man sich mit der Umbildung der Waffe vom Stich- zum Hiebschwert ebenso wie mit der Übernahme von Schutzbewaffnung südöstlichen Kampfweisen an. Vieles ist regional unterschiedlich, vieles auch archäologisch kaum nachweisbar, da man nicht in allen Gebieten Bayerns Toten Waffen mit ins Grab gab. Eine unbekannte Zahl wurde wieder eingeschmolzen, etliche zur Selbstausstattung in Vorsorge für ein Leben nach dem Tod zu Lande niedergelegt oder im Wasser versenkt.

Die Urnenfelderzeit führt hier bronzezeitliches Brauchtum in ungebrochener Tradition weiter fort. So ist über viele Jahrhunderte hin die Versenkung von Nadeln an gleichbleibenden Wasserstellen zu beobachten, was gemeinsame mythische Grundvorstellungen der beiden Epochen besonders deutlich macht. Aus Morren bei Ellmoosen im Landkreis Rosenheim und bei Ainring, Lkr. Berchtesgadener Land, stammen beispielsweise Bronzenadeln, deren Datierung von der Stufe Bronzezeit B (16./15. Jh. v. Chr.) bis an das Ende der Urnenfelderstufe A (12./11. Jh. v. Chr.) reicht, mithin also etwa 500 Jahre umschließt (Abb. 4). Die Grundidee des Nadelopfers ist recht gut nachzuvollziehen. Sie ist in weiten Teilen des alten Europa gleichermaßen nachweisbar und hat im Volksglauben bis in die Neuzeit hinein überlebt. Quellen ebenso wie Brunnen oder Höhlen gelten hier als Eingänge zur Unterwelt, zur Wohnung chtonischer Gottheiten und Geister oder zum Reich der Toten. Über diese Zugänge versuchte man vermittels des Opfers mit dieser Welt in Kontakt zu treten, wobei sich Nadeln, die aufgrund ihrer festmachenden, bannenden Funktion in zauberischen Ritualen seit jeher eine besondere Rolle spielten, offenkundig besonders eigneten. Der individuelle Grund dieser anscheinend hauptsächlich von Frauen ausgeübten kultischen Handlung bleibt zwar weitgehend im unklaren, doch wird er sicherlich in den Bereichen zu suchen sein, die die Grundkonstanten des ländlichen Lebens bildeten: Geburt, Initiation, Ehe und Tod.

Auch dem männlichen Bereich ist die Praxis der Versenkung nicht fremd. Zu Hunderten finden sich wertvolle Sachgüter der Bronze- und Urnenfelderzeit in Flüssen, Seen, und Mooren, vornehmlich an besonderen Stellen, wie Strudeln, Engen oder Mündungen. Bevorzugte Objekte sind Äxte, Beile, Lanzenspitzen und Schwerter, die in symbolischer Handlung den Fluten übergeben wurden, wobei sich Äxte besonders an Gefahrenstellen, Lanzenspitzen vornehmlich an Mündungen zu häufen scheinen. In der Versenkung von Schwertern wird vielfach eine Art Selbstausstattung für das Leben nach dem Tode gesehen, zumal die hohe Zahl der Flußschwerter auffällig mit der geringen Zahl der Grabwaffen korrespondiert. Ähnlich wie Quellen gelten auch Flüsse als Wege in die Unter- und Totenwelt und wohl nur über sie konnte in einer uns fremden Vorstellungwelt ein Schwertträger sich seine Waffe sichern.

Gewiß sind Verluste durch Unglücke oder Kampf nicht auszuschließen, doch klärt die Massenstatistik sehr schnell über die wahren Verhältnisse auf, denn in der frühen Eisenzeit ändert sich das Bild schlagartig. Während die Beigabe von Schwertern in Gräbern durchaus im Schwange bleibt, hört das Versenkungsritual abrupt auf. Der Bruch eines Verhaltensmusters, das vom Endneolithikum bis in Urnenfelderzeit belegt erschien, erweist sich als Teilstück allgemeiner kultureller Vorgänge. Dem Ausbleiben von Flußfunden steht ein ebensolches in Mooren, Quellen, und auf Höhen und Pässen gegenüber. Der scheinbare Bruch betrifft allerdings nur gewisse Phänomene. An der Basis bleibt die Hallstattzeit in bronze- und urnenfelderzeitlichen Vorstellungen verwurzelt. Wenn nun Waffen und Schmuck nicht mehr in Flüssen, Mooren und Quellen, auf Höhen oder in Horten auftauchen, sondern in den Gräbern sozial bevorrechtigter Gruppen, so illustriert dies den grundsätzlich ähnlichen Charakters von Grabbeigaben und Deponierungen in den vorhergehenden Zeitperioden.

Läßt sich die Versenkung von Wertgegenständen bei näherem Hinsehen relativ leicht als religiös motivierte Übung erkennen, so ist die bei der Niederlegung von Horten, die vom festen Land stammen und nicht in Siedlungs- oder Grabzusammenhang zu bringen sind, schon wesentlich schwieriger. Erörterungen zu diesem Thema machen einen erklecklichen Teil der vor- und frühgeschichtlichen Literatur aus. Eng verknüpft mit den verschiedenen Interpretationen von Depots, allerdings im Hintergrund stehend, ist die Beschäftigung mit dem Problem der Einzelfunde, obwohl bereits früh erkannt wurde, daß es sich dabei nur in den seltensten Fällen um wirkliche Verlustfunde, sondern vielmehr um "einzeln versteckte Gegenstände, also gleichfalls Depotfunde" handelt. Die in Süddeutschland lange vorherrschende Lehrmeinung, die Horte als "in unruhigen, kriegerischen Zeiten versteckter und danach nicht mehr gehobener Wertbesitz" deutete, mußte Horten und Einzelfunden folgerichtig die Rolle der hervorragendsten historischen Quelle zubilligen. Die sakrale Interpretation blieb dementgegen weitgehend die Domäne der nordeuropäischen Forschung.

Erst mit der Erkenntnis, daß die Motive der Niederlegung großenteils die Zusammensetzung von Horten bestimmten, war die Voraussetzung für eine differenzierte und vielschichtige Betrachtungsweise von Einzel- und Mehrstückdeponierungen als Ausdrucksformen einer im überwiegenden Teil der Fälle sakral bedingten, prähistorischen Verhaltensweise gegeben. Etwas im Hintergrund gegenüber Versenkungsfunden und Horten standen bisher Deponate vom festen Land, wobei Höhlenfunde, zu denen eine umfängliche Literatur existiert, hier ausgenommen werden müssen. Das Vorhandensein von Deponaten, vor allen Dingen auf Pässen und Höhen, ist längst bemerkt und ihre Interpretation als Votivgaben weitgehend unumstritten.

Es soll hier nicht der Versuch unternommen werden, sämtliche Hort- und Einzelfunde prähistorischer Epochen über den kultischen Leisten zu schlagen. Ganz ohne Zweifel wurden wertvolle Gegenstände in unmittelbarer Gefahr der Erde anvertraut und, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr gehoben. Dies kann ebenso wenig bestritten werden, wie etwa die Möglichkeit, daß Waffen und Gerät durch Schiffshavarien in Wasser gelangten. Der Vergleich der großen Serien spricht jedoch eine eigene, deutliche Sprache: Einer sehr großen Zahl von bronze- und urnenfelderzeitlichen Horten stehen so gut wie keine eisenzeitlichen gegenüber, und dies, obwohl speziell im Ostalpenraum deutliche Hinweise auf kriegerische Unruhehorizonte unübersehbar sind. Zudem dürfte die Fragestellung, hier Versteckfund, da kultisches Depot, in dieser Polarität sicher falsch gestellt sein und nicht der ganzheitlichen Weltsicht eines Naturvolkes entsprechen, das neben dem objektiven Bild der Gegebenheit immer auch die mythische Qualität sieht.

Ganz ähnliche Aussagen sind zu den bis vor relativ kurzer Zeit in Bayern kaum bekannten Gefäßdeponierungen zu machen. Der Grund für die geringe Beachtung, die diese bisher in der archäologischen Wissenschaft fanden, liegt an der Schwierigkeit, sie, wenn sie sich nur durch Aufsammlungen auf Äckern zu erkennen geben, von Siedlungsfunden zu unterscheiden. Erst systematische, großflächige Grabungen haben hier die Möglichkeit geschaffen, den Charakter einer Befundgattung zu bestimmen, deren zeitliche Erstreckung sich vom Spätneolithikum bis ans Ende der Urnenfelderzeit zieht. Der materielle Befund ist dabei leicht zu umschreiben, die ihm zugrundeliegende Deutung extrem schwierig. Im allgemeinen werden mehrere Gefäße unterschiedlicher Größe und Funktion in Erdgruben oder flachen Mulden niedergelegt bzw. vergraben. Namentlich in Endneolithikum und Frühbronzezeit kann dabei wohl der Inhalt in seiner Bedeutung über das Behältnis gestellt werden, was sich in der Lage im Boden ausdrückt (Abb. 5). In Spätbronze- und Urnenfelderzeit ist dies offensichtlich nicht mehr der Fall: Jetzt scheint das Geschirr selbst der Gegenstand der Vergrabung zu sein was sich darin zeigt, daß vielfach Gefäße mit der Öffnung nach unten und ineinander gestapelt deponiert werden. Die Deutung reicht von Opferhandlungen über Töpferlager und Vorratsgruben, wobei sicherlich keine dieser Erklärungen das Patent verdient. Im jeweiligen Einzelfall sind Funde und Befunde sehr genau zu prüfen und wie so oft zeigt sich, daß die Rekonstruktion größerer Zusammenhänge nur auf der Basis exakter denkmalpflegerischer Erfassung des Kleinraums möglich ist. Außer Zweifel dürfte jedoch stehen, daß in einem gewichtigen Anteil der Fälle Keramikdepots Äquivalente zur rituellen Verbergung von Metallgegenständen darstellen, setzen doch auch sie mit Beginn der Hallstattzeit plötzlich aus.

Wesensverwandt mit der rituellen Deponierung von Gefäßen ist auch ihre Verwendung auf Brandopferplätzen, wo sie zu Tausenden zerschlagen und mit Teilen von Haustieren verbrannt wurden. Die damit verbundenen Vorstellungen bleiben freilich im dunkeln, immerhin dürfte der bäuerlich bedingte Grundzug, der in der Opferung von Vieh und Nahrung liegt, deutlich zu greifen sein. Die Plätze, auf denen diese Opferungen vorgenommen wurden, sind im allgemeinen durch vielerlei Besonderheiten von der Natur ausgezeichnet, sie liegen an Quellen, auf Felsvorsprüngen oder auf Berggipfeln. Gleichläufigkeiten mit der Platzwahl für die Niederlegung von Horten oder Deponaten dürften dabei kaum zufällig sein. Im Gegensatz zu dieser eher individuell geprägten Sitte wird man in den Brandopferplätzen eher kultische Mittelpunkte größerer Personenverbände sehen wollen. Bayern bildet auch hier einen integralen Bestandteil der alteuropäischen Kulturwelt: Die Aschenaltäre der antiken Welt, deren bekanntester in Olympia stand und dem Zeus geweiht war, sind, bei aller lokal bedingten Verschiedenheit, auf das gleiche gedankliche Grundmuster zurückzuführen.

Die Anonymität, in der sich die bislang erwähnten Befunde zur Geschichte der bronzezeitlichen Religion bewegen, ist teilweise durchaus beabsichtigt. Seit dem mittleren Neolithikum verhindert im südlichen Mitteleuropa ein strenges Tabu die bildliche Darstellung von Tier, Mensch oder Gottheit. Zwar dürfen wir sicherlich davon ausgehen, daß sich regelmäßig wiederholende Ziermuster zumindest ursprünglich Bedeutung besaßen, die über die reine Ornamentik hinausgingen, doch fehlt uns der Schlüssel zur Entzifferung dieses Codes. Die archaische Furcht, die im Abbild die Bannung des Lebendigen befürchtete, wirkt so bis heute nach.

Auch der Rückschluß auf prinzipiell verwandte Kulturen eines höheren Standes, die besser erforscht sind, wie solche des mykenisch-ägäischen Kreises, bringt wenig Gewinn, muß doch auch die homerische Archäologie zugeben, daß sie über die religiöse Vorstellungswelt der griechischen Frühzeit so gut wie nichts weiß. Die Faszination, die diese Krieger auf die nordalpinen Oberschichten ausübten, ist jedoch unübersehbar und, wie bei vorgeschichtlichen Kulturen häufig zu beobachten, hat man zusammen mit gesellschaftlichen Verhaltensweisen auch religiöse Vorstellungen übernommen. So gelangten aus dem östlichen Mittelmeer die hierzulande zeichenartig verkürzten Symbolfiguren von Vogel und Sonnenscheibe in unsere Breiten. In beidseitiger Kombination als Sonnenbarke werden sie zum bestimmenden Piktogramm der Bronze- und Urnenfelderzeit. Die Barke trägt an jedem Ende einen Vogelkopf und in der Mitte eine Sonnenscheibe. Vogel, Sonne und das schwer zu trennende Begriffspaar Schiff/Wagen werden auf diese Weise in einem mythischen Symbolzusammenhang verbunden, der unmittelbar aus karpatenländischem Einfluß herzuleiten ist, dessen Wurzeln aber wohl wesentlich weiter südöstlich, im ägäisch-pontischen Raum zu suchen sind. Vornehmlich Gegenstände des schon wiederholt angesprochene Symbolkanons von Wagenfahrt, Kampf und Gelage stehen damit in enger Verbindung , wie etwa der bekannte Bronzekessel von Unterglauheim in Bayerisch-Schwaben zeigt (Abb. 6). Kaum je stammen Gegenstände dieser Qualität während der mittleren und späten Urnenfelderzeit aus Bestattungen, sie werden vielmehr regelhaft an besonderen Orten, häufig auf Höhenbefestigungen deponiert.

Auch diese spezielle Art der Deponierungen von höchstwertigen Sachgütern versiegt mit der Hallstattzeit. Vornehmlich in der Stufe C (8. Jh. v. Chr.) werden wie in der späten Bronzezeit Schwerter, Pferdegeschirr, Wagen und Trinkgeschirr wieder mit ins Grab, das jetzt bezeichnenderweise wieder überhügelt ist, gegeben, ebenso Symbolgut wie Pferdchen, Gefäße mit Zeichnungen oder Ringgehänge, figurale Äquivalente zu den zeichenhaft verkürzten Formen der bilderfeindlichen Bronze- und Urnenfelderzeit. In der Stufe Ha D (7./6. Jh. v. Chr.) verlagert sich das kulturelle Schwergewicht auf den Westkreis, die mediterranen Beziehungen werden anders und intensiver. Festzuhalten bleibt aber, daß im eigentlichen Hallstattbereich kaum mehr Waffen, Bronzegeschirr und Wagenteile von außerhalb des Grabes stammen, im Gegensatz zu Westeuropa, wo die Versenkung von Schwertern in Gewässern weiter geübt wird.

Die Niederlegung von wertvollen Gütern steht damit im offensichtlichen Zusammenhang mit dem Totenbrauchtum der sozialen Eliten, die die Symbole ihres Status in zeitbedingt gewandelten Gestus während der frühen und mittleren Bronzezeit in Gräbern, während der Spätbronze- und Urnenfelderzeit außerhalb davon in Horten und Einzelfunden und während der Hallstattzeit wieder in Bestattungen deponierten. Sicherlich in Parallelität dazu steht die Renaissance des Grabhügels in der Hallstattzeit, der während der Urnenfelderzeit in Süddeutschland für vier Jahrhunderte verschwunden war. Der Kulturbruch zwischen Bronze und Eisenzeit reduziert sich so in Teilen auf eine Änderung im Totenbrauchtum der Führungsschichten, der gleichwohl tiefgreifende geistige Umwälzungen anzeigt. Er spiegelt den Wandel von einem gruppen- oder clanorientierten Selbstverständnis zu jenem eines sich seiner selbst und seiner Macht bewußten Individuums. Es ist noch nicht zu erschließen, was letztlich den beschriebenen Wandel auslöste. Einstweilen werden wir uns noch mit eher vagen Hinweisen auf den Niedergang des epochenbestimmenden Kupfer- und Zinnhandels, die gesellschaftsverändernde Kraft des neuen Metalls Eisen und gemeineuropäische Vorgänge begnügen müssen.


Abbildungsunterschriften:

  1. Einzeln niedergelegt Steinstreitaxt der frühmetallzeitlichen Schnurkeramikkultur von der Einöde Heidenpoint, Gde. Ainring, Lkr. Berchtesgadener Land. L. 21,4 cm.
  2. Mittelbronzezeitliche Deponierung eines Colliers von bronzenen Stachelscheiben von der Höhensiedlung "Rachelburg", Gde. Flintsbach, Lkr. Rosenheim.
  3. Wagenbronzen der endenden Spätbronze- bzw. beginnenden Urnenfelderzeit aus einem funeralen Depot bei Münchsmünster, Lkr. Pfaffenhofen a.d.Ilm
  4. Bronze- und urnenfelderzeitliche Nadeln als Weihefunde aus dem Ainringer Moor, Lkr. Berchtesgadener Land.
  5. Keramikdeponierung der späten Glockenbecherkultur von Allershausen-Unterkienberg, Lkr. Freising.
  6. Umzeichnung von Symboldarstellungen der Vogelbarke vom späturnenfelderzeitlichen Kessel von Unterglauheim, Lkr. Dillingen.


Dr. phil. Stefan Winghart
Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Bodendenkmalpflege
Postfach 100203
80076 München

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