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Erblühen im Schmuck
Zu den Insignien antiker Göttinnen

Kurt Scheuerer
Aus dem Katalog zur Ausstellung: Das Geheimnis des Bernstein-Colliers
Ingolstadt 1998. S. 85-89.


Mythen und Sagen dienten in schriftloser Zeit dem Zusammenhalt der Gemeinschaft.
Sie vermittelten die Ordnungen, die Regeln des Zusammenlebens, die Grundlagen der Moral.
Sie verhalfen den Zuhörern zu psychologischen Erkenntnissen, zum Verständnis für das Verhalten ihrer Mitmenschen und zur Reflexion ihrer selbst.
Die Erzählungen waren einprägsam und verhalfen den Menschen, sich in die gegebene Ordnung von Familie, Gemeinde, Staat und Welt einzufügen. Diesseits und Jenseits stellte eine ineinander greifende Einheit dar. Das Göttliche war dem Menschen stets gegenwärtig. Bedeutende Ereignisse oder überraschendes menschliches Handeln wurde oftmals als ein Eingreifen metaphysischer Wirksamkeiten betrachtet.
Spätestens in der Phase der Geschichte, in welcher sich hierarchische Strukturen in der menschlichen Gemeinschaft ausbildeten, nahmen diese Wirksamkeiten auch persönliche Züge an. Die Jenseitswelt spiegelte ganz offensichtlich die sozialen Bezüge der irdischen Lebensgemeinschaften wider. Auch die Welt der Götter war nunmehr hierarchisch gegliedert. Die einzelnen Herrschaftsbereiche waren unter den Göttern verteilt. In gleicher Weise wie irdische Herrscher residierten sie in ihren Palästen und trugen die Zeichen und Symbole ihrer Würde bei sich.

Inanna

Älteste Kunde vom Schmuck antiker Göttinnen erfahren wir aus dem sumerischen Mythos von Inannas Gang in die Unterwelt, welcher in variierter Form auch von der babylonischen Ischtar vorliegt.
"Von dem »Großen Oben« auf das »Große Unten« richtete sie ihren Sinn" (Zitiert nach: Kramer, Samuel N. Geschichte beginnt mit Sumer. 1959. S. 121-129.), die Himmelskönigin begehrte auch das Reich ihrer älteren Schwester Ereschkigal. Diese aber hatte die Absicht Inannas erkannt und ordnete ihre Torwächter an, Inanna wie eine gewöhnliche sterbliche Frau zu behandeln: "Tief gebeugt, laß sie nackt vor mir erscheinen."
An jedem der sieben Tore wurde ihr ein Teil ihrer Würdezeichen weggenommen:
1. die Schugurra, die »Krone der Ebene«
2. der Meßstock aus Lapis-Lazuli und die Meßleine
3. die kleinen Lapis-Lazuli-Steine um ihren Hals
4. die beiden Nunuz-Steine an ihrer Brust
5. der Goldring an ihrer Hand
6. der Brustschild »Komm, Mann, komm«
7. das Pala-Gewand der Herrscherin.

Inanna ist Himmelskönigin, Herrin des »Großen Oben«. Als sichtbare Zeichen ihrer Würde trägt sie ein Diadem und vielfältigen Schmuck. Letzterer wäre wohl nicht derart ausführlich aufgezählt worden, wenn er nicht auch symbolhaften Charakter gehabt hätte. Nach Ablegen ihrer Insignien und ihrer Kleider ist sie nun nicht mehr von den Sterblichen zu unterscheiden und somit offenbar machtlos. Sie kann daraufhin von Ereschkigal, der Herrin des »Großen Unten«, trotz ihrer Göttlichkeit durch das »Zorneswort« getötet werden.

Die besondere Bedeutung des Schmucks für Frauen und Männer kann auch heute noch im gesamten vorderen Orient beobachtet werden. Er muss prächtig sein und schwer. ("Euer minderes Gold würde ich nie tragen!", bedeutete mir eine Perserin.) In vergleichbarer Weise dürfte das Anstecken von Geldscheinen an die Kleidung des orientalischen Brautpaares zu deuten sein. Ihre goldenen Ringe sind die Rückversicherung der Inderin für den Fall der Witwenschaft.

Hera

In ihrer Eigenschaft als Himmelsgöttin könnte Inanna mit der griechischen Hera verglichen werden:
Hera, die als Schützerin der Ehe keine Nebenbuhlerin duldete und die Eskapaden ihres Gatten Zeus (mit wohl vorgriechischen Göttinnen) rächend verfolgte.
Hera, der es gelang, in Wiederholung des ersten Brautbetts Zeus in Schlummer zu versetzen, um während dessen ihre eigenen Wünsche für den Verlauf des Streits vor Troja zu verwirklichen.

In Vorbereitung dieser »Heiligen Hochzeit« reinigte und salbte sie sich,
"Hüllte sich drauf ins Gewand, das ambrosische, so ihr Athene
Zart und künstlich gewirkt und reich an Wundergebilde;
Dann mit goldenen Spangen verband sie es über dem Busen,
Schlang dann umher den Gürtel, mit hundert Quasten umbordet.
Und jetzt fügte sie auch die schönen Gehäng´ in die Ohren,
Dreigestirnt, hellspielend; und Anmut leuchtete ringsum.
Auch ein Schleier umhüllte das Haupt der erhabenen Göttin,
Lieblich und neuvollendet; er schimmerte hell wie die Sonne;"
(Ilias 14, 170-188. Übertragen von Johann Heinrich Voß.)

Das reichverzierte Kleid wird offenbar von zwei Fibeln zusammen gehalten. Hier zeigt sich die zeitliche Diskrepanz zwischen den geschilderten Ereignissen vor Troja gegen Ende des 2. Jt. - unserer Urnenfelderzeit entsprechend - und dem Entstehungstermin der homerischen Ilias, wohl im 7. Jh. v.Chr., welcher in unsere Hallstattzeit fällt. Homer schildert Ereignisse der Vergangenheit mit den Sitten seiner Gegenwart. Aus bronzezeitlichen Gewandnadeln werden so goldene Fibeln.
Der Gürtel ist Symbol der ehelichen Tugend, die dreigegliederten beweglichen Ohrringe erhöhen ihre Anmut. Sonst trägt sie keinen Schmuck, was auch altem griechischen Brauch zu entsprechen scheint. Dem Schmuck kam um die Jahrtausendwende bei den Griechen nur wenig Bedeutung zu, erst durch die orientalischen Einflüsse änderte sich dieses in homerischer Zeit. (Weißbrodt, Werner. Schmuckmuseum Pforzheim. Pforzheim 1980.)
Hera bedarf auch keiner Ringe und keiner Krone, es ist wohl ihr hell schimmernder Schleier, der ihre Würde verkörpert. Aus sich heraus ist sie die Himmelskönigin, die Basileia, gemeinsam weltbeherrschend in ihrer Verbindung mit Zeus. Ihr ist die Familie, das Innere des menschlichen Lebensbereiches anvertraut, Zeus das Äußere, der Bereich der Öffentlichkeit. Diese - immer wieder aufs Neue zu vollziehende - Ehe sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Welt der Götter und der Menschen. (s.a. Kerényi, Karl. Töchter der Sonne. Zürich 1944. S. 150-165.)

Aphrodite

Eheliche Harmonie ist keine Selbstverständlichkeit, es muss eine besondere Atmosphäre zwischen Mann und Frau bestehen. Sogar Hera bedarf, um diese wieder her zu stellen, der Hilfe, welche sie unter einem leicht zu durchschauenden Vorwand von Aphrodite erbittet:

»Gib mir den Zauber der Lieb' und der Sehnsucht, welcher dir alle
Herzen der Götter bezähmt und sterblicher Erdebewohner!"
Aphrodite war einverstanden
»... und löste vom Busen den wunderköstlichen Gürtel,
Buntgestickt; dort waren des Zaubers Reize versammelt;
Dort war schmachtende Lieb´ und Sehnsucht, dort das Getändel
Und die schmeichelnde Bitte, die selbst den Weisen betöret.
Den nun reichte sie jener ... «
» ... da lächelte sanft die hoheitblickende Here;
Lächelnd drauf verbarg sie den Zaubergürtel im Busen.«
(Homer. Ilias, 14.198-223. Übertragung von Johann Heinrich Voß.)

Aphrodite löst den Gürtel, den kestos himas, von ihrem Busen. Er ist ein buntgesticktes Band, also weder ein Halsschmuck, noch ein - wie bei Inanna - um die Taille geschlungener Gürtel, der die Kleidung zusammenhält. Hera verbirgt ihn im Busen, also unter der Kleidung.
Damit steht er wohl eher als sichtbares Zeichen stellvertretend für den »Aphrodisischen Zauber«, den »Urzauber der Liebe«, die »Wärme und Echtheit der Leidenschaft, die das Wesen der Aphrodite ebenso durchglüht, wie das sonnenhafte Gold ihre ganze Erscheinung« (Kerényi, Karl. Töchter der Sonne. Zürich 1944. S. 160.).

Diesen Grundzug ihres Wesens zeigt uns auch der Homerische Hymnos, er spricht von Aphrodite,
... die den unsterblichen Göttern süße Sehnsüchte einflößt,
ebenso auch die Geschlechter der Sterblichen jäh überwältigt, ...
Der Kythereia im herrlichen Stirnband huldigen alle ...
Ja, sie verführte Zeus sogar, den Werfer der Blitze ...
(Homerischer Hymnos auf Aphrodite. Übertragen von Dietrich Ebener. In: Bibliothek der Antike. Griechische Lyrik. Berlin und Weimar 1980.)

Auch Sappho bittet in ihrem Gebet an Aphrodite offensichtlich um diesen "Zauber" der Liebe:
"... steh im Kampf mir selber zur Seite!"
Die Angesprochene scheint damit einverstanden:
... Wen soll Peitho in Liebe wieder
jäh entbrennen lassen zu dir, wer, Sappho,
tut dir ein Unrecht?
Flüchtet sie: Nun, nachlaufen wird sie bald dir -
schlägt sie Gaben aus: Nun, sie selbst wird geben -
liebt sie nicht: So wird sie in Kürze, wider
Willen auch, lieben!
(Sappho, um 600 v.Chr. Übertragung: Dietrich Ebener. In: Griechische Lyrik. Berlin und Weimar 1980. S. 107.)
Hier - wenige Generationen nach Homer - hat sich die magische Wirkung bereits vom Gegenstand, dem Gürtel, gelöst, aber noch ist die Gottheit selbst die Beeinflussende. Bald schon wird die mythische Vorstellung vom rationalen Denken der Philosophen abgelöst werden. (Zum Begriff der "Achsenzeit": Jaspers, Karl. Vom Ursprung und Ziel der Geschichte. 1955. S. 14-19.) Noch aber sind hier auch volks-magische Vorstellungen erkennbar, denn sogar "wider Willen auch" soll die zu beeinflussende Person lieben.

Betrachten wir nun Aphrodites Kleidung und Schmuck entsprechend der Beschreibung des Homerischen Hymnos. Zeus, ihren elementaren Verführungskünsten hilflos ausgeliefert, zürnte ihr, und ließ sie seinerseits nun "süßes Verlangen ... spüren zum Helden Anchises":
"... sie trug ein Gewand, das leuchtete heller als Flammen,
trug auch gewundene Spangen und blanke Geschmeide in Kelchform.
Herrliche goldene Ketten von bunter, kunstreicher Arbeit
hingen um ihren zarten Nacken; ihr üppiger Busen
schimmerte silbern wie Schein des Mondes, ein Anblick zum Staunen.
(Homerischer Hymnos auf Aphrodite. Übertragen von Dietrich Ebener. In: Bibliothek der Antike. Griechische Lyrik. Berlin und Weimar 1980.)

Auch hier, das ist zu berücksichtigen, wird wiederum Schmuck des 7. Jhs v.Chr. beschrieben. Kostbar, bunt und farbig ist Aphrodites gesamte Ausstattung - auch Sappho betet zu ihr:
"Du, auf buntem Thron, Aphrodite, Göttin, ...".
Der "silberne Schimmer ihres Busens" läßt Kerényi an die kretischen Statuetten denken, deren auffallend bunte Kleidung die Brüste frei lässt.

Die orientalische Herkunft der Aphrodite von Ischtar und Astarte ist hier unverkennbar. Mit den Seefahrern über die Inseln kommend, erreichte sie die Griechen.
Bei ihrer ersten Ankunft auf der Insel Zypern wurde die aus dem Meer sich erhebende Aphrodite von den (Blüte und Frucht bringenden) Horen auch mit Schmuck versehen:
"Taten ihr auf das unsterbliche Haupt den prächtigen, goldenen,
Schöngefertigten Kranz, und in die durchstochenen Ohren
Fügten sie Blüten aus Messing und aus gepriesenem Golde.
Ihren zarten Hals und den silberschneeigen Busen
Schmückten sie mit goldenem Geschmeide, mit dem sie ja selber
Prangen, die Horen im goldenen Stirnreif, ..."
(Homerische Hymnen. Übertragung: Thassilo von Scheffer. In: Griechische Gedichte. Hrsg. Horst Rüdiger. Herrsching o.J. S. 20-23.)
Mit "Messing" (oreichálkou) ist hier Orichalkum gemeint, die Legierung des römischen Dupondius, der doppelt so wertvoll als der gleich große As aus Kupfer war. Stirnreif, Ohrringe und Halsketten erinnern sehr an Inanna und besonders die Ohrringe sind deutlich orientalischer Herkunft - nördlich der Alpen tauchen solche erst in der Hallstattzeit auf.
Offenbar hat die neu angekommene Aphrodite die Bereiche der Horen und der Chariten in sich aufgenommen, wie dieses auch das Überreichen der Blumen-Ohrringe deutlich zeigt. Auch Venus, die altitalische Göttin des Frühlings und der Gärten, teilte dieses Schicksal wohl mit einer Vielzahl von weiteren örtlichen "Wirksamkeiten des Erblühens", deren aller Verehrung in derjenigen Aphrodites aufging.

Nun wieder zurück zum jungen Anchises:
"Als sie sich auf dem lockenden Lager niedergelassen,
zog er zuerst den schimmernden Schmuck ihr vom Leibe, die Spangen
und die gewundenen Broschen, Geschmeide in Kelchform und Ketten,
löste den Gürtel ihr dann und streifte die glänzenden Kleider
ihr von den Gliedern und legte sie ab auf silberbeschlagnem
Sessel. Nach götterverhängtem Schicksal streckte sich schließlich,
ohne die Wahrheit zu wissen, der Sterbliche neben die Göttin."
(Homerischer Hymnos auf Aphrodite. Übertragen von Dietrich Ebener. In: Bibliothek der Antike. Griechische Lyrik. Berlin und Weimar 1980.)
Wie schon bei Inanna wird auch hier genau geschildert, in welcher Reihenfolge Schmuck und Kleidung abgenommen werden. Ist das ein Symbol dafür, dass Aphrodite damit ihre Göttlichkeit vorübergehend aufgibt? Anchises kann das Zusammensein mit einer menschlichen Frau überleben, mit einer Göttin so ohne weiteres wohl nicht.  

Freyja

Ein großer zeitlicher und räumlicher Sprung bringt uns nun ins mittelalterliche Island. Um 1220 verfasste der Isländer Snorri Sturluson ein Dichterlehrbuch, die Snorra Edda, in welchem er sich auf Lieder beruft, die zwar im 13. Jh. in der Lieder-Edda niedergeschrieben wurden, deren Stoffe jedoch weit zurückreichen. (Tetzner, Reiner. Germanische Göttersagen. Stuttgart 1992. - Diederichs, Ulf. Germanische Götterlehre. Köln 1984.) Hier erhalten wir literarisch verbrämte Kunde von den Asen, den nordischen Göttern, und den Wanen, wohl sehr alten Vegetations- und Erdgöttern. Von besonderem Interesse erscheint dabei das Geschwisterpaar Freyja und Freyr, in welchen sich wohl, meines Erachtens, im Laufe der Jahrtausende, ähnlich wie auch bei vielen griechischen Göttern, die vielfältigen Aspekte verschiedener örtlicher Naturwirksamkeiten versammelt haben. Insbesondere sind deutliche Bezüge zwischen Freyja und Aphrodite zu erkennen.

Freyja kennt den Seid (Seidr), den Zauber der Wanen, wohl eine Art von magischer Beeinflussung.
Denkbar, dass derartiges auch in Sapphos Gebet (s.o.) zum Ausdruck kommt: "wider Willen auch" soll die Begehrte lieben. Freyja gibt das Wissen um den Seid (von dem leider zu wenig überliefert ist) an Odin weiter, dem dessen Anwendung dann von Loki als ungeziemend vorgeworfen wird (Lokasenna 24.). Dies lässt daran denken, dass es auch Zeus möglich war, Aphrodite in Liebesverlangen nach Anchises zu versetzen, eine Fähigkeit, die sonst nur Aphrodite selbst vorbehalten war.

Ein wesentliches Attribut Freyjas ist ihr einzigartiger Halsschmuck, der Brisingamen. Vier Zwerge hatten diesen gefertigt. Freyja bot ihnen Gold und Silber dafür. Die Zwerge wiesen das zurück, als Erdwesen hatten sie wohl selber genug davon, Freyja sollte mit jedem von ihnen eine Nacht verbringen. Freyja, die Wanin, die jetzt bei den Asen lebte, sollte damit wohl die Ursprünglichkeit und Erdhaftigkeit ihres wanenhaften Wesens bewahren. Diese "Heiligen Hochzeiten" könnten uns heute auch ein Symbol für ein Bewahren, nicht ein Ausbeuten der Natur sein.
Die Zwerge selbst erinnern an der griechischen Hephaistos, den kunstfertigen Schmied, den Ehemann Aphrodites, den diese mit Ares betrogen hatte. Zauberhafte Fäden, von Hepaistos gefertigt, umflossen das Liebespaar, banden es und gaben es dem Spott der herbeigeeilten männlichen Götter preis, wobei sich ein Vergleich mit den Spottreden des Loki aufdrängt. (Lieder-Edda. Lokasenna, 30 und 33. Übertragung: Felix Genzmer. In: Germanische Götterlehre. Köln 1984.)

Es war wohl weniger die Tat, als die Schande, dabei ertappt worden zu sein, die beiden - Freyja und Aphrodite - vorgeworfen wurde:
"... Der Kriegsgott eilte gen Thrake,
Aber nach Kypros ging Aphrodite, die Freundin des Lächelns,
In den paphischen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.
Allda badeten sie die Charitinnen und salbten
Sie mit ambrosischen Öle, das ewige Götter verherrlicht,
Schmückten sie dann mit schönen und wundervollen Gewanden.
(Homer. Odyssee. 8, 361-366. Übertragung von Johann Heinrich Voß.)
Für Aphrodite war damit dann auch wohl alles erledigt, Od dagegen, der betrogene Ehemann Freyjas wanderte "in weite Ferne, und Freyja weint ihm nach, ihre Tränen sind rotes Gold."
(Prosa-Edda. Gylfis Betörung (Gylfaginning). Übertragung: Gustav Neckel. In: Germanische Götterlehre. Köln 1984. S. 149.)

Bereits Apollonios berichtet im 3. Jh. v.Chr. bei der Schilderung der Heimfahrt der Argonauten von Tränen:
"Ringsumher am Ufer seufzen, in Pappeln verwandelt, Phaethons Schwestern,
die Heliaden, im Winde, und lichte Traenen aus Bernstein fallen auf den
Boden, die die Sonne trocknet und die Flut in den Eridanos hineinzieht."

In der Antike ist Bernstein nach Süden verhandelt worden, nach Diodor gelangte er über das Rhônetal nach Rom. "Rotes Gold" - weint auch Freyja Tränen aus Bernstein? Tränen, die ins nordische Meer fallen und von den schäumenden Wogen ans Ufer getragen werden?

Die Lieder-Edda berichtet vom Begehren des Riesen Thrym auf Freyja. Er entwendete den Hammer des Thor und wollte diesen nur im Austausch gegen Freyja zurückgeben. Als man Freyja diese Forderung übermittelte, wurde sie zornig:
Grimm ward da Freyja, grollend schnob sie,
der ganze Saal der Götter bebte,
hinsprang der breite Brisingenschmuck:
"Die mannstollste müßte ich sein,
reist ich mir dir nach Riesenheim."
Nach langer Beratung schlug Heimdall vor, Thor als Freyja zu verkleiden:
"Binden wir Thor mit Brautlinnen!
Er trage den breiten Brisingenschmuck!
Lassen wir Schlüssel am Leib ihm klirren,
und Frauenkleider aufs Knie fallen
und breite Steine auf der Brust liegen,
türmen wir hoch den Brautschmuck ihm!"
Diese List hatte dann Erfolg, Thor konnte seinen Hammer wieder holen.
(Thrymlied. Übersetzung: Felix Genzmer. In: Germanische Götterlehre. 1984. S. 58/59.)

Brisingamen, der Schmuck, den Freyja von vier Zwergen erhalten hatte, war breit. In ihrem Zorn ist er "hingesprungen". Er bestand also wohl aus vielen Einzelteilen. Es ist dabei an ein Kollier aus vielen Perlen oder Ähnlichem zu denken. Die Anfertigung des Brustschmucks durch vier Zwerge läßt an die Verwendung von Edelmetall denken. Wäre dieses jedoch ausschließlich verwendet worden, so hätte der Halsschmuck jedoch nicht bei diesem heftigen Zornesausbruch "hinspringen" dürfen. Er wäre bestenfalls abgerissen. Es ist also eine Anfertigung aus gefassten oder durchlochten Steinen zu erwarten. Was liegt im Norden näher, als dabei an Bernstein zu denken. In der klassischen Antike, also in Griechenland und Rom, waren Halsketten aus Karneol, einem rötlichen Halbedelstein, der aus Indien bezogen wurde, große Mode. Der gelb-rötliche Bernstein könnte, ohne ausdrücklich genannt zu werden, im Norden ebenfalls diese Funktion besessen haben.
Auch wird erwähnt, dass über den Frauenkleidern "breite Steine auf der Brust" lägen. Diese Aussage kann sich nur auf Bernstein beziehen. Er ist das einzige Material, welches ausreichend groß und dabei doch noch leicht genug ist, um in dieser Art getragen zu werden.

Die aufgeführten Göttinnen vermögen die Frau in der Würde ihrer Weiblichkeit zu repräsentieren. Ihr Schmuck ist eines ihrer hervorragenden Symbole:
Die Krone der Inanna und der Schleier der Hera zeigen die Himmelsgöttin, die reife Frau.
Der Gürtel der Aphrodite und der Brinsingamen der Freyja stehen für die Schönheit des Erblühens, den feinsinnigen Zauber der Erotik.

Auch gerade heute wieder gilt das "Sich-schön-machen" als wesentliches Erfordernis unserer Gesellschaft. Dabei ist der Halsschmuck der intimste Schmuck des Menschen. In ihm stärkt sich der Mann zu Kraft und Ansehen und in ihm erblüht die Frau zu voller Würde und Schönheit.

Kurt Scheuerer, Ingolstadt 1998


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