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Siegfried Hofmann:
"Jesuiten in Ingolstadt" (Aus der Eröffnungsansprache)
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 
Ansprache von Dr. Siegfried Hofmann zur Jesuiten-Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt, 1991,
gekürzt von Kurt Scheuerer.

Ignatius von Loyola

Ignatius war nach weltfrohen Jugendjahren zum Büßer von glühender Frömmigkeit geworden. Zugleich hatte er manches seiner soldatischen Vergangenheit bewahrt: eiserne Disziplin vor allem, aber auch ein kühl-strategisches Denken, das bewußt Prioritäten setzte. Er hatte sich und seinen Orden bewußt in den Dienst des Papstes gestellt.

Er hatte noch als Laie zum Mißfallen vieler seelsorgerlich gewirkt, und seine Antwort, die er 1527 der Inquisition gab, und die er selbst in seinem Lebensbericht überlieferte, hat nichts an schneidender Schärfe verloren:
"Er werde alles ausführen, was das Urteil ihm befehle, aber er werde es nicht annehmen. Denn ohne daß auch nur die geringste Kleinigkeit wirklich verurteilt worden sei, verschließe man ihm den Mund, damit er nicht mehr seinen Mitmenschen zu Hilfe komme, soweit er dies vermöge."

Ingolstadt

Vom bayerischen Herzog und dessen Beamten bedrängt, entsandte Ignatius 1549 drei seiner besten Leute nach Ingolstadt: den Niederländer Petrus Canisius, den Savoyarden Claudius Jayus und den Spanier Alphonso Salmeron.
In seinen Instruktionen vom 24. September 1549 machte er das doppelte Ziel deutlich: "Der Universität von Ingolstadt und, soweit möglich, Deutschland zu helfen im wahren Glauben und im Gehorsam gegen die Kirche".

Als sich die Errichtung des versprochenen Kollegs in die Länge zog, berief er 1552 kühl berechnend die Jesuiten wieder aus Ingolstadt ab. Doch nur wenige Jahre später kehrten sie wieder zurück und noch in seinen letzten Brief vor seinem Tode findet sich die Bitte, mehr über das Kolleg in Ingolstadt zu erfahren.

Petrus Canisius

Der zweite große Heilige des Jesuitenordens, der Ingolstadt in besonderem Maße verbunden war, ist Petrus Canisius.
Ingolstadt hatte ihn zunächst 1549-52 erlebt: die Universität als Professor, die Gläubigen als Prediger, Studenten wie Bürger auch als Seelsorger, aber auch den unbequemen Reformer von mystischer Glut, erstaunlich wie wahrhaftig die erhaltenen Portraits des Heiligen sind.
Als die Jesuiten 1556 nach Ingolstadt wieder zurückkehrten - Canisius hatte in der Zwischenzeit in Wien kaum Besseres als in Ingolstadt erfahren - gingen langwierige Verhandlungen mit Canisius voraus. Canisius selbst freilich kehrte in der Folgezeit jeweils nur für kurze Spannen Zeit nach Ingolstadt zurück.

Paulus Hoffaeus, sein Nachfolger als Provinzial, war ein bedeutender willensstarker, aber auch hochfahrender und streckenweise ungerechter Mann, der in Ingolstadt auch Wohlgesonnene wie den Theologen und Marktpfarrer Martin Eisengrein gegen sich und die Jesuiten aufbrachte.

Jesuitenkolleg

Das Ingolstädter Jesuitenkolleg erwuchs in diesem 16. Jahrhundert zu einer beachtlichen Größe.
Ein Bauprojekt von 1555 zerschlug sich.
1576 übergab dann Herzog Albrecht V. den Jesuiten das 1570/74 von Ahasver Stern erbaute herzogliche Seminar mit der kleinen Hieronymuskirche an der Ecke Konviktstraße/Jesuitenstraße als Kolleg.
Für deren Pläne, die auch ein Gymnasium und ein Seminar umgriffen, war dies zu klein.
So folgten sehr bald schon neue Baumaßnahmen. 1580 bis 1582 fügte man einen Bau an der Konviktstraße an, der bis zum Münster reichte. Es handelte sich hierbei im wesentlichen um den Trakt, der heute Canisiuskonvikt ist, mit dem Gymnasium im Mittelteil und dem Seminar Sancti Ignatii martyris im südlichen Teil.
Ab 1592 folgten weitere große Baumaßnahmen: wohl die Gebäudetrakte, die nach Westen anschlossen, vor allem bei der Hl. Kreuzkirche.
1591 wurde dem Kolleg das ehemalige Kloster Biburg, 1599 das ehemalige Kloster Münchsmünster übergeben. Die reiche herzogliche Dotierung war Voraussetzung, daß das Kolleg in der 2. Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert das personenstärkste Jesuitenkolleg und der nahezu ausschließliche Studienort der gesamten Oberdeutschen Provinz wurde.
Zur großen Kirche des Jesuitenkollegs wurde die Hl. Kreuzkirche. Diese wurde 1587 bis 1589 im Anschluß an die kleine Hieronymuskirche des ehemaligen herzoglichen Seminars errichtet.
Der Abbruch der Kirche im Jahr 1859 um militärischer Bauten Willen gehört zu den unwiederbringlichen Verlusten an Kunstwerken in Ingolstadt.

Kongregationen

Die Jesuiten betrieben eine sehr zielgruppenorientierte Seelsorge.
1577 wurde in Ingolstadt als erste auf Betreiben des Petrus Canisius die Akademische Marianische Kongregation gegründet, die wenig später in die der Universitätsstudenten und jene der Gymnasiasten geteilt wurde, 1612 kam die Bürgerkongregation Maria vom Sieg hinzu, später eine Kongregation für Soldaten und eine Schutzengelbruderschaft für Kinder.

Die Kongregationen errichteten eigene Oratorien.

1619 wurde das Oratorium der Bürgerkongregation Maria vom Sieg errichtet, es lag südlich des Münsters. Es war der erste freistehende Kongregationssaalbau der gesamten Oberdeutschen Provinz.
Hier verfuhren die Jesuiten volksnah.
Maria vom Sieg: Das legendäre Eingreifen Marias in der Seeschlacht von Lepanto 1571 und damit die Errettung der Christenheit vor den Türken verfehlte gerade angesichts der lange weiterbestehenden Türkengefahr seine Wirkung nicht.
Schließlich wurde des ganze Oratorium zu einem theatrum der Seeschlacht von Lepanto: Der Hochaltar zeigte im Bilde Maria über dem Schlachtengeschehen. Vier knieende geschnitzte Türken trugen das Bild.
Der Münsterpfarrer, der mit scheelen Augen die Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft sah, wandte sich an Eichstätt, man müsse gegen das Treiben der Kongregation einschreiten, vor den knieenden Türken des Hochaltars erschraken Ingolstädterinnen so sehr, daß sie nun schon Kinder mit Türkenköpfen gebährten.
Die Kanzel hatte die Gestalt einer Galeere mit Segeln und Takelage und hölzernen Kanonen.
An hohen Festtagen stellte man die Lepantomonstranz auf den Altar, die der Goldschmied Johannes Zechl aus Augsburg lieferte: Auch hier trug ein knieender Türke die eigentliche Monstranz in Gestalt der gnadenhaften Errettung der Christenheit durch das Eingreifen Marias in die Schlacht.

Im Oratorium der Akademischen Marianischen Kongregation von 1732/36, das heute wegen der übersiedelten Bürgerkongregation den Namen "Maria de Victoria" trägt, entstand eines der kostbarsten Werke des kirchlichen Barocks.
Das Deckenfresko Connas Damian Asams, ja das ganze Oratorium wird zu einer bildhaften Vergegenwärtigung der incarnatio dominica in Meditation und Lobpreis im Geiste des hl. Ignatius, als ein "exercitium spirituale" im Sinne der ignatianischen Exerzitien.
Ich halte es für die vollendetste und sublimste Verbildlichung jesuitischer Spiritualität schlechthin. An zentraler Stelle stehen in den ignatianischen Erziehungen die Meditationen über die Menschwerdung, die Inkarnation.

Kirchen außerhalb Ingolstadt, die zum Ingolstädter Kolleg gehörten

Drei werden in dieser Ausstellung in einer Dokumentation vorgestellt: die Kirche des ehemaligen Klosters Biburg, die Wallfahrtskirche in Allersdorf, ein jesuitischer Monte sacro, und die ebenfalls zu Biburg gehörende einstige Wallfahrtskirche zum hl. Leonhard in Perka.
Ein dreifach aufgefaltetes Angebot an ein weites Umland mit der Quelle von Allersdorf, dem Ignatiuswaser, das man in Allersdorf wie in Biburg für Mensch und Tier, äußere und innere Anwendung ausgab, und dem hl. Leonhard in Perka.

Jesuitische Philosophie in Ingolstadt

Dieses Kapitel der Ausstellung handelt von tiefgreifenden Auseinandersetzungen zwischen Universität und Kolleg. Zwei Welten prallen hier aufeinander:
Die Universität mochte dem schrittweisen Zugriff der Jesuiten auf den Philosophischen Kurs bis zur Übertragung der gesamten Fakultät an den Orden im Jahre 1588 nicht zusehen, sie sahen die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr, sahen starren Gesichts, wie der Orden in eigener Machtvollkommenheit Professuren besetzte und ersetzte.
Die Jesuiten hinwiederum kämpften um ihr umfassendes Bildungssystem, das keine leere Stelle kannte, sie wollten das Grundstudium für alle höheren Studien nicht zur Vermittlung instrumentaler Fertigkeiten verkümmern sehen. Und nicht zuletzt wollten sie auf die Krönung des Curus philosophicus als allgemein verbindliches Bildungsgut nicht verzichten, auf die Metaphysik.

Ingolstädter Astronomie

Sie hatte wie die Mathematik ihren Ort im philosophischen Kurs.
Am 12. November 1611 berichtete Scheiner in einem Brief an Markus Welzer über seine Beobachtung dunkler Flecken in der Sonne. Er ahnte wohl nicht, welche Miene er damit lostrat.
Es kam zu jenen Ausbrüchen Galileis gegenüber Scheiner, der sich wiederholt voll des Respekts um den großen Gelehrten bemühte.
Am schlimmsten 1632, als er in seinem Bericht von den beiden Weltsystemen Scheiner und seinen Schüler Georg Locher dem Gespött der ganzen Welt preiszugeben gedachte, während Scheiner resignierend in seinem Hauptwerk "Rosa Ursina" festhielt:
"Was gewinne ich, wenn man mich für den ersten Entdecker der Sonnenflecken hält und als solchen ausgibt, und was verliere ich, wenn man mir solchen Titel abspricht? Ich würde mich schämen, um so eitlen Vorrang zu streiten."
Gewiß: Scheiner hielt am ptolemäischen Weltsystem fest, Galilei verfocht das kopernikanische und konnte dabei auch auf Jesuiten am Collegium Romanum zählen.
Doch vergessen wir allzu schnell, daß so manches Argument Galileis einer strengen Prüfung nicht standhielt also damals wirklich Hypothese gegen Hypothese stand, und daß der Jesuit Bellarmin so Unrecht doch wohl nicht hatte, als er vorschlug, Galilei könne sehr wohl das kopernikanische System als Hypothese vertreten, wenn auch nicht als Gewißheit. Wenn er aber eindeutige Beweise vorlege, würde man zu prüfen haben, ob man die Hl. Schrift bisher richtig ausgelegt habe.

Theologie

Die Theologie der Ingolstädter Jesuiten reichte von der Bereitstellung der Loci theologici, der wissenschaftlich einwandfreier Texte der Konsilien und der Väter bis zu den großen scholastischen und nachscholastischen Systemen.
In Vertretern wie Gregor von Valentia, Jakob Gretser und Adam Tanner erreichte sie europäischen Rang.

Jesuitentheater

Jakob Gretser, Jakob Biedermann, Jakob Balde und viele mehr.
Es entstand eine Theaterkultur eigener Art.

Der "Udo" Gretsers: Studenten und Schüler spielen einen - wenn auch legendären - lasterhaften Erzbischof, der den dreifaltigen Gott dreimal auf öffentlicher Bühne verflucht, um dann in die Hölle geführt zu werden.
Belzebub zum Erzbischof: "Nun kommst Du, Fürst und vorzüglicher Gefolgsmann meines Reichs. Wir sind bereit, Verdienste zu vergelten. Freu dich und frohlocke!"

Sie finden drüben im Canisiuskonvikt das Wandbild mit Jakob Balde und in dieser Ausstellung sein Portrait. Ich kenne kein sublimeres Theaterstück als seinen Jephtias, der 1637 in Ingolstadt aufgeführt wurde.
Vielleicht darf ich an dieser Stelle an Balde, den Lyriker, erinnern. Der Protestant Johann Gottfried Herder hatte ihn wieder entdeckt und kritisch in seinem Kenotaphium gerühmt.

Mission und Inkulturation

Bei Ignatius und Franz Xaver gründeten sie im Mysterium der Inkarnation.
Wir zeigen Portraits Riccis und Valignanos: Ausdruck der Verehrung der großen Wegbereiter der Inkulturation auch zu Zeiten des Ritenstreits durch die Ingolstädter Jesuiten.
Das Verhängnis des Mißverstehens seitens Roms klingt an.
Große Namen wie Ignaz Kögler, Anton Gogeisl oder Eusebio Kino stehen exemplarisch für andere.

Gegner der Jesuiten

Und nicht zuletzt erinnert diese Ausstellung auch an die Gegner der Jesuiten von den Professoren Nikolaus Eberhard und Karl Manz bis zu Weishaupt und Lori oder dem späten Nachkömmling Carl Prantl.
Die Ingolstädter Gegnerschaft muß an dem Wirken der Jesuiten in Ingolstadt gemessen werden.

Über 2 Jahrhunderte hatte der Orden Großes geleistet: Wissenschaftlich, kulturell und seelsorgerlich.
Er hatte, aufs Ganze gesehen, mit Souveränität seine Aufgaben gemeistert.
Er hatte dem Denken Perspektive und Weite gegeben und gewahrt.
Er wußte wie kein anderer Orden auf die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten einzugehen, zu einer stillosen Verbrüderung hat er sich dennoch nicht herabgelassen.
Nach außen geschlossen und zuweilen infolge seiner ernstasketischen Grundhaltung abweisend wirkend, gab es in seinem Innenbereich eine erstaunliche Bandbreite.
An seiner inneren Größe, seiner Ausstrahlung, seinem Auftreten mit Macht und seiner souveränen, weltumspannenden, vor Ort zuweilen verletzend kühlen Strategie haben sich viele gerieben.

Ansprache von Dr. Siegfried Hofmann zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt. 1991.
Gekürzt von Kurt Scheuerer, Ingolstadt.


siehe auch:


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