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Siegfried Hofmann:
Der Jesuiten-Orden
Ein Beitrag zur Ausstellung: Die Jesuiten in Ingolstadt

 
Das Erscheinungsbild der einzelnen Jesuiten muß, wenn man den erhaltenen Portaits Glauben schenken darf, etwas Streng-Düsteres an sich gehabt haben. Dabei hatten sie auf ein eigenes Ordensgewand von vornherein verzichtet. An der Kleidung wollten sie keinen Unterschied zu der landesüblichen Priesterkleidung dokumentieren.
Bleibt ein gewisser Ernst als Grundzug. Auch wenn Rekreation und mancherlei an bescheidener Lebensfreude gestattet war und die Armut in den Kollegien keinesfalls ins Extreme getrieben wurde, waren die Jesuiten wohl von Hause aus kein "fröhlicher Orden". Die Ernsthaftigkeit der Lebensführung war in der Bekehrung des Ignatius grundgelegt.

Askese

Prägend für seine Gefährten wurde die asketische Dimension auch im Alltag. Mit ihr gingen Bußübungen wie die Geißelung einher, auch wenn dies alles nach dem Willen des Gründers mit Maß geschehen und gemäß den Satzungen dienenden Charakter haben sollte: »Die Züchtigung des Körpers darf nicht maßlos sein, nicht unbedacht in Fasten, Nachtwachen und anderen äußeren Bußübungen und Mühseligkeiten, die größere Güter schädigen und verhindern. Deshalb ist es angemessen, daß jeder seinem Beichtvater mitteile, was er in dieser Hinsicht tut, und dieser unterbreite es dem Obern, sobald er eine Übertreibung feststellt oder vermutet, und alles dazu hin, mit mehr Licht voranzuschreiten und Gott Unserem Herrn in unseren Seelen und Leibern mehr zu verherrlichen.«

Exerzitien

Vielleicht stand die Meditation als eine Weise des Betens in polarer Spannung zur geübten Askese. Sie fächert sich schon bei Ignatius als "meditacion", "consideracion" und "contemplacion" auf, was von Hans Urs von Balthasar als "Erwägung", "Besinnung" und "Betrachtung" wiedergegeben wird.
Die "Exerzitien" des hl. Ignatius wurden zur großen Schule des betrachtenden Betens, das von der Evokation der Sinne zur Evokation der seelischen Kräfte führte - nicht ohne Grund führte eine barocke Anleitung zu den Ignatianischen Exerzitien den Titel "Ignatianischer Seelen-Wecker" um in den Lobpreis zu münden.
Dieser Weg konnte mystische Züge annehmen wie bei Petrus Canisius, verfing aber auch bei nicht der Mystik Zugeneigten als eine bewußt eingesetzte Methode "christlichen Vollkommenheitsstrebens".
In einem Orden, der auf das tägliche Strömen des Chorgebetes verzichtete, kam dieser Dimension jesuitischer Spiritualität große Bedeutung zu.

Gemeinschaft

Die Fixierung auf Gott schloß selbstverständlich die gegenseitige Freundschaft und Liebe nicht aus, hatte aber ständig den Oberen als gleichsam Dritten im Bunde im Blick, an den sich jeder einzelne gebunden zu fühlen hatte. Dies schuf nun jedem einen gewissen persönlichen Bereich, der von seiten der Mitbrüder zu respektieren war und vor platter Kumpanei bewahrte.
Außenstehenden mochte diese Wahrung eines gewissen Abstands untereinander und zur Außenwelt zuweilen fremd gewirkt haben, wahrgenommen wurde diese Haltung wie bei Johann Gottfried Herder sehr wohl.

Gehorsam

Fremdartig mochte auf viele die Forderung strengen Gehorsams gewirkt haben. Dieser Gehorsam war in den Augen des hl. Ignatius geradezu das Grundgesetz des Ordens (»principio y principal fundamento«), ein Gehorsam der Christus und an dessen Stelle dem Heiligen Vater, im Orden konkretisiert im Ordensgeneral, geleistet wurde und bis zum blinden Gehorsam mit Ausnahme sündhaften Verhaltens führte:
»Derart, daß wir in allen Dingen, auf welche sich der Gehorsam mit der Liebe erstrecken kann (das sind alle jene, wo keine offensichtliche Sünde vorliegt), auf seine Stimme hin mit größter Bereitschaft zur Stelle seien, als ginge sie von Christus Unserem Herrn aus, denn an Seiner Statt und um Seiner Liebe und Ehrfurcht willen leisten wir Gehorsam, wobei wir alles andere, sogar den begonnenen Buchstaben, unvollendet stehen lassen und die ganze Absicht und alle Kräfte auf den Herrn aller Geschöpfe hinlenken, so daß der heilige Gehorsam sowohl in der Ausführung wie im Willen wie in der Einsicht stets in jeder Hinsicht vollkommen sei, indem wir alles, was uns aufgetragen wird, mit großer Eile, mit geistiger Freude und mit Beharrlichkeit vollbringen, uns selbst davon überzeugen, alles sei recht so, und jede eigene Ansicht und eigenes Urteil, die sich dem widersetzen, in blindem Gehorsam verleugnen, (wie gesagt) in allen vom Obern angeordneten Dingen, an denen nicht irgendein Schein der Sünde ist, indem wir bedenken, daß alle, die unter dem Gehorsam leben, sich von der Göttlichen Vorsehung durch den Obern so tragen und lenken lassen müssen, als wären sie ein Leichnam, der sich nach überallhin versetzen und in jeder Weise behandeln läßt, oder als wären sie ein Greisenstab, der in der Hand dessen, der ihn führt und sich seiner bedienen will, überall und zu jeder gewünschten Sache dient; denn so muß der Gehorchende jede Sache, zu der der Obere ihn zum Besten der ganzen Gesellschaft einsetzen will, fröhlichen Geistes unternehmen, durchdrungen davon, daß er in ihr mehr als in einer anderen, die er leisten und bei der er seinen Eigenwillen und seine private Meinung durchsetzen könnte, dem göttlichen Willen gleichförmig wird.«
Hans Urs von Balthasar mochte aus eigenem Erleben gesprochen haben, wenn er in diesem Gehorsam den »Ausgangspunkt der Sendung der Gesellschaft« sieht und den Weg des Gehorsams als die Sendung zum Kreuz Christi begreift, weil durch den Gehorsam ein jeder »mit Christus mitgekreuzigt« werde, auf daß er wie die Apostel »Frucht bringe«.
Die Bereitschaft, in Christi Sendung einzutreten, schloß Opferbereitschaft bis hin zum Martyrium ein.

Sendung

An zentraler Stelle des Selbstverständnisses des Ordens stand der Begriff der »Sendung«. Sie ist bei Ignatius letztlich inkarnatorisch fundiert. Wie die Sendung Christi in der Menschwerdung und im Kreuzestod Gehorsam in Bejahung war, wird auch die Sendung des Ordens gesehen, als »Hingabe des Willens an Gott in Seinen Heilswillen hinein« in »radikalem Gehorsam«. In dieser inkarnatorischen Sicht nimmt die Sendung die ganze Welt - man vergesse nicht, daß der Ferne Osten ebenso wie Amerika in den Gesichtskreis getreten war - in den Blick, wie die Satzungen klar machen:
»Und weil an erster Stelle die Aussendung durch den Papst als die allerwichtigste behandelt werden soll, so ist festzuhalten, daß die Absicht des Gelübdes, ihm, dem obersten Statthalter Christi, ohne irgendeine Ausflucht zu gehorchen, darauf gerichtet war, daß er die Gesellschaft nach allen Seiten aussende, unter Gläubige und Ungläubige, wo immer er es für die größere göttliche Ehre und das Heil der Seelen als zweckmäßig erachtet; die Meinung der Gesellschaft ging nicht dahin, an irgendeinen besonderen Ort hinzugehen, vielmehr über den Erdkreis nach verschiedenen Ländern und Orten zerstreut zu werden, und sie wünschte, darin besser zum Ziel zu gelangen, in dem sie die Verteilung ihrer Mitglieder dem Papst überließ.«
Die Sendung durch den Ordensoberen kann nur gemäß der diesem gemachten »concesion« geschehen, »einen jeden aus der Gesellschaft dorthin zu senden, wo es ihm dringender scheint«, zu Gläubigen wie zu Ungläubigen. Hierbei werde der Ordensgeneral »große Umsicht walten lassen, damit beim Senden nach dem einen oder anderen Ort, für den einen oder anderen Zweck, dieser oder jener Person, in der einen oder anderen Weise, für längere oder kürzere Zeit, immer das getan werde, was zum größeren göttlichen Dienst und allgemeinen Besten ist.« Und es wird hierbei nicht vergessen hinzuweisen, daß zu erwägen sei, »wo man voraussichtlich mit den Mitteln, die die Gesellschaft anwendet, größere Frucht gewinnen wird...«.
In dieser Auffassung von Sendung gründen die Flexibilität bzw. Mobilität im Personalstand des jeweiligen Kollegs - man denke an die Rolle der »stabilitas loci« in den alten Orden - wie das vor Ort nicht selten befremdende Handeln aus taktisch-strategischen Überlegungen.

Dr. Siegfried Hofmann.
Ausstellungs-Katalog: Die Jesuiten in Ingolstadt. 1991.
Gekürzt von Kurt Scheuerer.


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