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Flußgeschichte unserer Heimatlandschaft II
Die Urdonau

 

3.0 Die Entwicklung der Ausräumungslandschaft

3.1 Ein großer Aufstieg:
Die Entstehung der Urdonau und ihres Einzuggebietes

Aufschüttungslandschaft der Urdonau. Zeichnung: Niedermeier
Im mittleren Teil der Abbildung links ist ein solcher Vorgang dargestellt:
Vor ungefähr 3 Millionen Jahren, also noch in der Zeit des Jungtertiär begann sich die Süddeutsche Scholle im Westen langsam zu heben.
Die Folge war, daß sich die bisher westgerichtete Abflußrichtung in ein ostgerichtetes Flußsystem änderte.
Zugleich bildete sich eine "Urdonau" aus. Ihre Zuflüsse kamen zunächst aus Nord-Nordwesten und Süd-Südwesten. Diese Urdonau muß sich in den folgenden Jahrhunderttausenden zum größten Fluß Süddeutschlands entwickelt haben: Ihre Quellen lagen im Spessart, in der Rhön, dem Frankenwald, den ostbayerischen Grenzgebirgen (Fichtelgebirge, Oberpfälzer- und Bayerischer Wald), dem Schwarzwald, am St. Gotthard (Schweiz) und im gesamten Nordalpenraum vom Rhätikon bis zum Wiener Wald. Dieser gewaltige Fluß muß die mehrfache Wasser- und Schuttmenge der heutigen Donau zum Schwarzen Meer geschickt haben.
 

3.2 Fingerabdrücke:

Schotter (= Kiesflächen) als Beweise der Flußgeschichte

Da die Hebung andauerte, wurden auch die Nebenflüsse nach Osten umgelenkt und bildeten allmählich West-Ost-Täler aus (Unterer Teil der obigen Abbildung).

Zunächst konnten Donau und Nebenflüsse in dem verhältnismäßig weichen Untergrund aus Molassematerial, d.h. in Sand, Ton und Feinkies leicht ihre weiten Mäander (= Flußschlingen) ziehen, immer wieder verlagern und sich allmählich in die Tiefe graben. Die Donau war anfänglich noch nicht an ein festes Tal gebunden.
Schotter im Altmühltal. Zeichnung: H. Schieck
Beweise für diese flußgeschichtliche Entwicklung bilden Überreste von Kiesvorkommen (= Flußschotter) auf den Hochflächen zu beiden Seiten des Altmühltales, die von der Urdonau (hier heißt sie "Altmühldonau") während ihres Laufes über die Hochfläche abgelagert wurden.
 

3.3 Wer sich selbst eine Grube gräbt...

(der bleibt auch drin!) - Die Talform als Beweis der Flußgeschichte

Ausräumungslandschaft (Nord-Süd-Profil). Zeichnung: Niedermeier
Als nun aber eine spezielle Hebung der gesamten Juratafel einsetzte, mußten sich die Flüsse zwangsweise tiefer einschneiden um mit der Hebung Schritt halten zu können.
Die weiche Molasseschicht dünnt aber nach Norden zunehmend aus. Die Folge war, daß die nördlichsten Teile des Gewässersystems, also z.B. die Donau, bei ihrer Ausräumungsarbeit bald auf den harten Jurakalk-Untergrund gerieten.
Der große Fluß konnte sich aufgrund seiner Wassermassen und der mitgeführten Menge an "Schleifwerkzeugen" (Schotter und Sand) mühelos einschneiden. Er fräste seine Flußschleifen immer tiefer in den harten Felsuntergrund, d.h. er projizierte seinen früheren Lauf nach unten (oder er "pauste" ihn durch auf eine darunterliegende Fläche).

Allerdings war er nun auch in seinem selbstgegrabenen, steinernen Bett gefangen; denn seitliches Ausbrechen war nur mehr sehr begrenzt möglich. In festem Untergrund übertrifft die Tiefenerosion die Seitenerosion. Die Altmühldonau konnte höchstens bei geringerer Wasserführung innerhalb ihres selbstgeschaffenen Tales nochmals kleinere Flußschleifen anlegen. Genauso machte es später die Altmühl (vor ihrer Regulierung) in dem für sie viel zu weiten Tal. Ein Flußforscher formulierte das so: "Die Altmühl schlottert im Urdonautal wie ein Bub in Großvaters Hosen".

Der heutige windungsreiche, malerische Verlauf des Altmühltals ist also ein Millionen Jahre altes erdgeschichtliches Dokument, das bezeugt, daß sich die Urdonau von der Hochfläche in die Tiefe gegraben hat.
 

3.4 Rückzugsgefechte:

West-Ost-Trockentäler beweisen die Ausräumung der Altmühlalb

Die Flüßchen südlich der Donau aber mußten, da sie ihre viel geringere Wassermenge nur aus kleineren Einzugsgebieten der nächsten Umgebung erhielten, versickern, nachdem sie den Jurauntergrund erreicht hatten.
Jurakalk weist, wenn nicht lokale Tonschichten als Wasserstauer vorliegen, durchwegs Karststruktur auf, d.h. eine Vielzahl von Klüften, Spalten, Gerinnen und anderen Hohlräumen, die Wasser schlucken und in die Tiefe bis zu einer wasserstauenden Tonschicht leiten können.

Die Spuren der Flüßchen südlich der Urdonau findet man noch heute auf der Jurahochfläche der Altmühlalb zwischen Altmühl- und Donautal als flache, wasserlose, vorwiegend west-ostgerichtete Talreste. Sie wurden durch die spätere Gewässerentwicklung vielfach zerstückelt und nach Norden zum Urdonautal, oder nach Süden zum Ingolstädter Becken umgelenkt.

Reste der früheren Molasseverbreitung finden sich noch vorwiegend am Südabfall des Jura, so z.B. um Kösching, Stammham, Schelldorf, Lenting, Etting, Gaimersheim, Eitensheim, Lippertshofen, Hitzhofen und von Dünzlau über Egweil bis Neuburg. Ein großer Anteil der Mergel, Sand und Feinkiesschichten ist jedoch ausgeräumt.
 

3.5 Die "Kleinen" leisten Großes:

Die Ausräumung des Ingolstädter Beckens und der Weltenburger Enge

3.5.1 Die Entwicklung des Gewässersystems

Weiter im Süden versickerten die Bäche und Flüsse nicht und konnten sich weiter eintiefen und Material ausräumen. Warum? Der Südteil des Jura machte die erwähnte Hebung nicht mit. Dadurch kam es dort zur Schrägstellung und zu einer Verbiegung der Landoberfläche und des Untergrundes (Albsüdrandflexur).
Diese Abbiegung ist im heutigen Landschaftsbild deutlich zu erkennen: Sie verläuft von Kösching über Lenting, Wettstetten, Lippertshofen (südwestlich des Reisberges) nach Nassenfels.

Unter der Altstadt von Ingolstadt liegen daher zunächst noch 150 m "lockere" Molasseschichten (Sande, Tone, Mergel, Feinkiese). Erst darunter folgt der harte, massige Jurakalk (Grundwaserbohrung Ingobräu). Die Mächtigkeit der Molasseschichten nimmt nach Süden nach Art eines Keiles zu: unter Mainburg liegen 350 m, Landshut 1.000 m, München 1.800 m, Alpenrand 4.000 m, Miesbach 6.500 m.

Naturräumliche Gliederung. Zeichnung: Niedermeier
Im Süden halfen die Bäche im Gebiet des heutigen Donaumooses, die Paar, weiter östlich die Ilm und die Abens in ihrer Erosionsarbeit zusammen.
Letztere drei schufen die Ausräumungslandschaften des Feilenmoosbeckens und des Neustädter Beckens.

Alle diese Fließgewässer mündeten vor Weltenburg in den sogenannten "Neuburger Fluß" - östlich von Neuburg entspringend - und zogen gemeinsam nach Osten weiter um sich bei Kelheim mit der mächtigen Altmühldonau zu vereinigen.

1 Ingolstädter Becken, 2 Donaumoosbecken, 3 Feilenmoos, 4 Neustädter Becken,
5 Rainer Hochterrasse, 6 Aindlinger Schotterterrassentreppe, 7 Tertiärhügelland, 8 Hohes Tertiärhügelland,
9 Stepperger Albsporn, 10 Vohburger Albsporn, 11 Kelheimer Albsporn, 12 Wellheimer Trockental
 

3.5.2 Flüsse verlängern sich - auch flußaufwärts

Rückschreitende Erosion

Da es für das Verständnis unserer Landschaftsentwicklung von Bedeutung ist, müssen wir uns kurz mit dieser Erscheinung befassen:

Wasserfall (Schnitt). Zeichnung: G. Wagner
Jeder Wasserfall, genaue Messungen und Beobachtungen beweisen dies, verlegt im Laufe der Zeit seine Fallkante zurück, also entgegen der Fließrichtung flußaufwärts.
Die fallbildende, widerstandsfähige Schicht wird am Wasserfall durch Wasser ständig unterspült. Schließlich bricht der überhängende Teil ab und wird wegtransportiert. Die Fallkante ist damit zurückverlegt. Der Vorgang läuft aber ununterbrochen weiter. Diese Erscheinung talaufwandernder Erosion nennt man rückschreitende Erosion.

Beim Niagarafall z.B. (größerer kanadischer Fall) beträgt das Zurückschreiten zur Zeit 67 cm pro Jahr (beim kleineren amerikanischen 18 cm pro Jahr). Aus Beobachtungen und Messungen kann man schließen, daß die Fallkante seit 12.000 Jahren (seit dem Ende der letzten Eiszeit) 11 km flußaufwärts gewandert sein muß, d.h. von der Mündung in den Ontariosee (Queenstown) bis zur heutigen Lage bei der Stadt Niagara.
Die 11 km lange Cañonstrecke zwischen den beiden Städten, die der Niagarafluß durchströmt, ist also das Ergebnis der rückschreitenden Erosion des Wasserfalles.

Rückschreitende Erosion von Quellen. Zeichnung: Niedermeier
Nicht nur Wasserfälle wandern flußaufwärts, sondern auch Quellen.
Durch Unterspülung, Nachbrechen des überhängenden Materials und dessen Abtransport wird eine Quellnische geformt, die entgegen der Ablußrichtung "wandert".

Man spricht von rückschreitender Erosion der Quellen.

Diese Rückwärtsverlegung geht zwar sehr langsam aber kontinuierlich vor sich und erreicht deshalb in "geologischen Zeiträumen", d.h. in Zehn- oder Hunderttausenden von Jahren sehr beachtliche Beträge.

Auch in unserer Heimatlandschaft liefen (und laufen!) solche Vorgänge ab.

Man kann das Ergebnis am heutigen Gewässersystem und an den Landschaftsformen (Relief) unserer Heimat ablesen - d.h. der Geologe (der Erdgeschichtler) kann die Entwicklung der Fließgewässer zurückverfolgen und daraus und aus anderen "Indizien" (Schotterterrassen, Talformen) das frühere Landschaftsbild "rekonstruieren".

 

 

3.5.3 Der Knüller:

"Den Donaudurchbruch bei Weltenburg gibt es nicht!"

Hier die ganze Wahrheit:

Dem gemeinsamen Wirken der kleinen Donauzuflüsse Schutter, Donaumoosbäche, Paar, Ilm, Abens, vereinigt mit dem Neuburger Fluß gelang in einigen Millionen Jahren eine beträchtliche Ausräumungsleistung in die Tiefe und zur Seite (Tiefen- und Seitenerosion).
Am besten sehen und beweisen kann man das am sogenannten "Weltenburger Donaudurchbruch", ein Ausdruck, bei dem sich dem Geologen und Landschaftsgeschichtler buchstäblich die Haare sträuben.
Wieso? Es war gar nicht die Donau, sondern die gemeinsame Schleifarbeit der vorher genannten kleinen Bäche und Flüsse, welche von oben her - zunächst in weichen Molasse- und Kreidezeitschichten ein flaches, geschwungenes Tal ausräumten.
Später, im harten Massenkalk und Kelheimer Kalk hatten sie keine Wahl mehr und mußten vor allem in die Tiefe schürfen (bei hartem Gestein übertrifft die Tiefen- die Seitenerosion). Von einem seitlichen "Durchbruch" kann also keine Rede sein.

Weltenburger Enge

Weltenburger Enge (Foto: Kurt Scheuerer)

Weltenburger Enge

Erst viel später, gegen Ende der drittletzten Eiszeit (Rißeiszeit I), vor ca. 200.000 Jahren, nahm die Donau das jetzige Tal in Besitz - und damit auch die Weltenburger Enge (so lautet der gebräuchliche, fachliche Ausdruck ) - weil sie ihre ursprüngliche Laufstrecke über Wellheim - Dollnstein - Eichstätt - Beilngries - Riedenburg aufgeben mußte.
Aus der Höhenlage ihrer Schotterterrassen vor der Weltenburger Enge und dahinter im Kelheimer Becken schloß man, daß demnach der "große" Fluß nur die untersten 10 - 15 m dieses eindrucksvollen Canons geschaffen haben kann.
Die "Kleinen" aber müssen darüber vorher schon ein Tal von 180 m Tiefe ausgeschürft haben. (Zur heutigen Landoberfläche muß man noch die mächtigen Kreidezeit- und Molasseschichten hinzurechnen, die größtenteils längst abgetragen sind). Allerdings hatten sie dafür auch wesentlich mehr Zeit zur Verfügung, nämlich ca. 3 Millionen Jahre.
Die gesamte Ausräumleistung beträgt also ca. 200 m bis heute.

Heinrich Niedermeier, 1994


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