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Günter Rehm:
Das Münsterarchiv in Ingolstadt

 
Auch in den USA ist das Münsterarchiv ein Begriff

Dank eines Computers lassen sich Anfragen nun leichter beantworten

 

Ingolstadts ehemaliger Kulturreferent ist seine Monopolstellung endgültig los. Jahrelang war Dr. Siegfried Hofmann der einzige, der sich einigermaßen in den Beständen des Münsterarchivs auskannte, der wußte, in welchem Karton oder Regal welche Kirchenrechnung oder Urkunde zu finden ist. Nun haben Doris Wittmann und die EDV dem Stadtheimatpfleger den Rang abgelaufen. Seit November 1994 sichtet, lichtet, ordnet und katalogisiert die 30jährige Ingolstädterin die Schriftstücke und gibt die wichtigsten Stichpunkte in den Computer ein. Über 1700 Einzelpapiere hat die Historikerin bereits erfaßt; wo Hofmann früher Stunden suchen mußte, genügen heute (meistens) ein Stichwort und ein sanfter Druck auf die „Enter"-Taste und schon erscheinen auf dem Bildschirm alle unter dem Suchbegriff gespeicherten Informationen.

Zum einen hat Münsterpfarrer Isidor Vollnhals nun einen Überblick, was da alles in seinem Archiv steht, zum anderen lassen sich Anfragen von Historikern, Universitäten, Studenten und Privatleuten inzwischen wesentlich einfacher beantworten - immerhin vergeht kaum ein Tag, an dem nicht mindestens ein Brief mit der Bitte um Auskunft über einen verstorbenen Verwandten oder die Geschichte eines Kunstwerks des Münsters im Pfarramt eingeht.

Die Anfragen kommen nicht nur aus Bayern und dem übrigen Bundesgebiet, sondern bis aus den Vereinigten Staaten. Die Universität Dayton im US-Bundesstaat Ohio erstellt derzeit ein Lexikon über alle bedeutenden Marienwallfahrtsorte und bat das Münsterarchiv um historisches Material über die Wallfahrt zur Dreimal Wunderbaren Muttergottes; eine Familie aus Frankreich forschte nach einer einst in Ingolstadt lebenden Verwandten, die sich als Tochter eines dänischen Festungsbauers entpuppte.

Die Spuren seines Urgroßvaters Frederic Geissel wollte ein US-Bürger aus Seattle zurückverfolgen lassen. Allerdings wußte er nur das Geburtsdatum seines Vorfahren und dass dieser 1875 von Bayern nach Amerika ausgewandert war. In diesem Fall wurde Doris Wittmann trotz EDV nicht fündig; allerdings fiel ihr ein, dass es im 19. Jahrhundert einen Kölner Erzbischof mit Familiennamen Geissel gegeben hatte, der wiederum in der Pfalz geboren wurde, die damals noch zu Bayern gehörte. Die Archivarin verwies den Urenkel ans Diözesenarchiv in Speyer.

Die Ahnenforschung nimmt den größten Raum bei den Anfragen ein - sei es, weil man dem Vater seinen Stammbaum zum 50. Geburtstag schenken will oder weil es darum geht, Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Pro angefangener halber Stunde Suche berechnet die Pfarrei 30 Mark; die von Pfarrer Vollnhals unterschriebenen Antworten gelten als Urkunden.

Dank des Computers hat Doris Wittmann nun zwar einen schnellen Zugriff auf einen Großteil der Tauf-, Hochzeits- und Sterbeurkunden - Matrikel genannt -, doch das erspart ihr noch lange nicht, sich durch die teils katastrophale Rechtschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts kämpfen zu müssen. Beispielsweise wollte eine Familie Gewold ihren Stammbaum vervollständigen - in den Matrikeln hieß die Familie auf einmal Gebald; aus Geislmayr wurde Geigenmeyr, aus Hybner sogar Wimmer. Das sei aber bisher der Extremfall gewesen, erzählt die Archivarin, die angesichts der steigenden Zahl von Briefen und Anrufen betont, dass im Grunde nicht das Forschen nach Ahnen ihre Hauptaufgabe sei, sondern nach wie vor das Ordnen des Archivs. Unter anderem warten noch alle Unterlagen aus den 60er und 70er Jahren, als die Kirche renoviert wurde, darauf, durchforstet zu werden.

Günter Rehm, 1998


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