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Texte im Stadtmuseum Ingolstadt - Raum 2
Haus und Dorf, Befestigung und Kultbau der Jungsteinzeit

 
Das an sich deutlichste äußere Merkmal der neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist für uns nur in unscheinbaren Bodenspuren wahrzunehmen, nämlich in den Verfärbungen vergangener Pfosten sowie Wand- oder Schwellbalken von Holzbauten der Zeit. Durch großflächig-systematische Geländeuntersuchungen lassen sich damit aber Grundrisse von Häusern und Siedlungen zurückgewinnen.

Stadtmuseum Ingolstadt. Foto: Kurt Scheuerer

Die Tafel zeigt so die Ausgrabungsbefunde eines wiederholt bebauten neolithischen Siedlungsareals, unten werden einzelne Hausgrundrisse dieser flachgelegenen Siedlung der Hienheimer Donauterrasse sowie von aufeinanderfolgenden Höhensiedlungen des Goldbergs im Ries herausgehoben und dazu schematische Baurekonstruktionen versucht.

Stadtmuseum Ingolstadt. Foto: Kurt Scheuerer

Statt der behelfsmäßigen Zelte und Hütten der Alt- und Mittelsteinzeit erscheinen mit dem Altneolithikum in Mitteleuropa einheitliche Langhäuser, Pfostenbauten gleicher Orientierung und damit Großsiedlungen, in denen geometrisches Planen und konstruktives Denken offenbar werden.

Unser erstes Bauschema sucht das konstruktiv-räumliche Moment dieser Architektur zu vermitteln, die große Kunstfertigkeit in der Holzbearbeitung voraussetzt. Diese Holzbautechnik ist wohl noch nicht gewerblich spezialisiert, sie findet gegenständliche Bestätigung in der Fülle und Variation steinerner Dechsel- oder Querbeil-Klingen.

Stadtmuseum Ingolstadt. Foto: Kurt Scheuerer

Die großzügige Haus- und Siedlungsarchitektur am Aufgang des Neolithikums, die unserer Vorstellung von einer geistigen Wende so sehr entspricht, kann sich im Verlauf der Epoche allerdings nicht weiter entwickeln. Den Dimensionen der Bauten waren wohl Grenzen gesetzt.
Die auch fernerhin aus Pfostenbauten bestehenden Haustypen werden gemäß der kulturellen Differenzierung abgewandelt und dabei meist verkleinert.
Entsprechenderweise verlieren die Siedlungen trotz jeweils verbindlicher Orientierung der Einzelbauten an struktureller Geschlossenheit, bis mit dem Ende des Neolithikums ein förmlicher Rückgriff zu primitiven kleinen Zelt- oder Stangenhütten erfolgt, was mit einer Aufgliederung zu mehr oder minder zusammenhängenden Baugruppen innerhalb der Siedlung übereingeht.

In diesen zeitlich gestaffelten Haus- und Siedlungstypen werden sich verschiedene Formen der Wohn- und Produktionsgemeinschaft von Familien und Sippen spiegeln. Der komplexe landwirtschaftliche Siedlungstyp des Gehöfts ist allerdings noch nicht evident, auch fehlen hier sozial herausragende Häuser und Hausplätze.

Indikatoren gesellschaftlicher Art sind ferner die schon früh nachweisbare Abgrenzung und Einfriedung von Siedlungen durch Palisadenzäune oder durch Ringgräben mit fest und vielleicht monumental gestalteten Durchlässen, Toren: Bauern und Hirten brauchen im Gegensatz zum frei schweifenden Jäger fest umgrenzte Plätze. Das schafft Schutz und zugleich Anreiz für räuberisches Handeln wie für kriegerisches Gebaren.

Kleine Graben- und Palisadenringe um einzelne Gräber jüngerer Neolithphasen haben demgegenüber rein magisch-religiösen Charakter und lassen wiederum größere Grabenringe ohne gewöhnliche Siedlungsspuren im Innenraum als Zonen besonderer Bedeutung als Kult- und Festplätze annehmen.
Bei Hienheim gibt es derartige Kreisgrabenanlagen aus dem Endneolithikum (man vgl. im ersten Bild unten rechts), bei Pförring und Lengenfeld-Alkofen sind mehrgliedrige Grabenbauten von ovoidem Grundriss durch Fliegeraufnahmen bzw. Ausgrabungen nachgewiesen - mutmaßlich kultische Erdwerke in Art der jungneolithischen Altheimer Gruppe.

Dr. Rudolf Albert Maier, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt
Fotos: Kurt Scheuerer


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