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Verleihung des Kulturpreises der Stadt Ingolstadt
an Herrn Dr. Theodor Straub

 

Verleihung des Kulturpreises der Stadt Ingolstadt an Herrn Dr. Theodor Straub
am 16. Mai 2006 im Barocksaal des Stadtmuseums Ingolstadt
durch Oberbürgermeister Dr. Lehmann

 

Dr. Theodor Straub. Foto: Kajetan Kastl
Wer Geschichte nicht erinnert,
ist verurteilt
sie noch einmal zu durchleben.

Dieser Satz kennzeichnet für mich das
Lebenswerk von Dr. Straub, den wir heute mit dem Kulturpreis der Stadt Ingolstadt ehren.

Auch eine Stadt lebt aus und mit ihrer Geschichte, muss sich an ihre Geschichte erinnern, um zu wissen auf welchen Fundamenten sie steht und wie die Gegenwart zu dem geworden ist, was sie heute ist. Deshalb war es nahe liegend, in einem Jahr, in dem sich die erste urkundliche Erwähnung Ingolstadts zum 1200. Mal jährt, einen Historiker mit dem Kulturpreis auszuzeichnen, der sich mit seiner ganzer Kraft der historischen Erforschung seiner Heimatstadt und ihrer Region gewidmet hat.

 

Theodor Straub wurde am 12. März 1930 in Ingolstadt geboren. Er studierte nach dem Abitur Germanistik, Geschichte, Anglistik sowie Kunstgeschichte und Philosophie in Regensburg und München. Den beiden Staatsexamen 1955 und 1957 für das Höhere Lehramt folgten bis 1959 historische Forschungen in Paris für seine Dissertation zum Thema „Herzog Ludwig der Bärtige von Bayern-Ingolstadt und seine Beziehungen zu Frankreich in der Zeit von 1391 bis 1415" mit einem Auslandsforschungsstipendium der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Anschließend war Dr. Straub bis 1962, dem Jahr seiner Promotion bei Professor Max Spindler, Studienrat in Augsburg, dann bis 1967 Lehrer an der Deutschen Schule in Paris und Gymnasialprofessor in Augsburg. 1971 wechselte er nach Ingolstadt an das Christoph-Scheiner-Gymnasium, wo er bis zu seiner Pensionierung 1992 wirkte.

Die Verbindungen von Herrn Dr. Straub zum Historischen Verein und zur Stadt Ingolstadt reichen bis ans Ende der 40-er Jahre zurück.
Im Sommer und Herbst 1953 arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft im damaligen Stadtarchiv im Neuen Schloss, um auf diesem Weg sein Studium zu finanzieren. Die frühe Arbeit im Archiv mit Originalquellen hat ihm verdeutlicht, dass das Studium der Geschichte, vor allem das der Stadt Ingolstadt sein zentrales Anliegen ist.

Mit der Zulassungsarbeit im Jahr 1955 über „Studien zur Geschichte und Charakteristik Herzog Ludwigs des Gebarteten von Bayern-Ingolstadt" hatte Dr. Straub sozusagen sein Thema gefunden, das im Sinne der „Weltgeschichtlichen Betrachtungen" Jacob Burckhardts groß und bedeutend genug war, um ein ganzes Forscherleben auszufüllen, nämlich den wichtigsten Herzog der Ingolstädter Linie der bayerischen Wittelsbacher, Ludwig den Bärtigen von Bayern-Ingolstadt und insbesondere seine langjährige und so gut wie unerforschte Beziehung zu Frankreich.
Auch seine Promotion widmete er diesem Thema, wobei ein zweijähriger Aufenthalt in Frankreich ihm die Möglichkeit verschaffte, in einer ganzen Reihe von Archiven als erster bayerischer Historiker der Beziehung des Ingolstädter Herzogs zu Frankreich und der Geschichte seiner Schwester, der Königin Isabeau de Bavière nachzuspüren. Für die Erarbeitung der Dissertation erhielt er das erste bayerische Akademiestipendium für Paris.

Diese intensive Forschungstätigkeit zum Ingolstädter Herzog brachte Herrn Dr. Straub den Auftrag von Prof. Max Spindler, dem Herausgeber des Handbuchs der bayerischen Geschichte ein, das Kapitel über das Jahrhundert der Teilungen von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts zu übernehmen. Aus diesen Forschungen entstanden, sozusagen als Nebenprodukt neue Erkenntnisse zur Kunst- und Kulturgeschichte, um nur ein Beispiel zu nennen, eine korrekte Datierung des so genannten „Goldenen Rössls".

Herr Dr. Straub arbeitete an mehreren großen Ausstellungen des Stadtarchivs mit, so über Ludwig den Bärtigen und Frankreich 1971, über das Herzogtum Bayern-Ingolstadt im Wittelsbacherjahr 1980, über Isabeau de Bavière, Königin von Frankreich 1985 und das Herzogtum Bayern-Ingolstadt/Bayern-Landshut 1992.

Als Dr. Wilhelm Reissmüller und Theodor Müller das erste repräsentative Werk zur Ingolstädter Geschichte herausgaben, war es 1974 fast selbstverständlich, dass Herrn Dr. Straub der Beitrag zur „Ingolstädter Herzogszeit" anvertraut wurde.

Neben der Beschäftigung mit der Ingolstädter Herzogszeit, insbesondere mit Ludwig dem Bärtigen, die auch unterstreichen sollte, dass es eine jahrhundertelange Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland gab, die durch das zusammenwachsende Europa wieder aktualisiert wurde, widmete sich Dr. Straub einer ganzen Reihe weiterer historischer Themen, so der Reformation und Gegenreformation in Ingolstadt, der katholischen Aufklärung um Benedikt Sattler und Johann Michael Sailer, der Geschichte der religiösen Minderheiten wie Mennoniten oder Ernsten Bibelforschern und vor allem den Juden in Ingolstadt.

Kein Historiker hat so intensiv die Geschichte der jüdischen Minderheit in Ingolstadt erforscht. Ohne den intensiven Einsatz von Dr. Straub wäre vieles an Wissen und Erkenntnismöglichkeiten verloren gegangen. So stellt die Auseinandersetzung mit der Geschichte von Minderheiten, insbesondere der Juden, einen weiteren Schwerpunkt seines historischen Wirkens dar. Eingebracht hat er dieses Wissen u.a. in unsere Ausstellung im Jahr 2000 „Ingolstädter Gesichter" und den begleitenden Katalog, der die wichtigsten Forschungsergebnisse zusammenfasst.

Ergänzt wird dieser mehr neuzeitlich orientierte Forschungsschwerpunkt durch Beiträge zur Geschichte der Ingolstädter Arbeiterbewegung, von zeitgeschichtlichen Studien über Vaterlandsfrömmigkeit und Kriegstheologie im Ersten Weltkrieg, zur Situation Ingolstadts in der Zwischenkriegszeit, zu den Themen Widerstand und Verfolgung in der Nazizeit und zur weichenstellenden Beschäftigung mit dem Frankenstein-Thema, das von Dr. Straub als zentraler anthropologischer Mythos der Neuzeit gesehen oder entdeckt wurde, in dem auch die Ingolstädter Geschichte mit Johann Adam Weishaupt und dem Illuminatenorden eine zentrale Rolle spielt. Hier wird Ingolstädter Geschichte zu einem Weltthema.

Viele weitere Themen wie z.B. die Chroniken von Friedrichshofen und Gaimersheim und eine Unzahl von Veröffentlichungen könnten noch aufgeführt werden.

Entscheidend ist jedoch, dass es Dr. Straub bei den neuzeitlichen oder zeitgeschichtlichen Forschungen, bei der Beschäftigung mit der Rolle von Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft, nicht nur um historische Forschung geht, sondern auch um Mahnung für die Gegenwart. So wurde und wird er nicht müde, auf die ihm am Herzen liegenden Themen hinzuweisen und anzumahnen, dass eine Erinnerungs- und Gedenkkultur sensibel und nachdenklich mit der eigenen Geschichte und auch ihren Schattenseiten umgehen muss.

„Immer auf der Flucht vor Faulheit" gehört Herr Dr. Straub zu den aktiven, kulturell vielseitig interessierten und politisch aufmerksamen Historikern. Ihn zeichnet Genauigkeit aus, Zielstrebigkeit und in manchen ihm am Herzen liegenden Bereichen auch eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit. Als gläubiger Mensch, der von der Pflichterfüllung als Sinn des Lebens ausgeht, engagiert er sich im Kirchenvorstand von St. Matthäus, im Evangelischen Bildungswerk Ingolstadt und im Freundeskreis der Evangelischen Akademie Tutzing. Der VHS ist er seit 15 Jahren als Dozent verbunden. Im Rahmen eines Studium Generales hat er sich dort immer bemüht, Vermittlung von Geschichte mit den Grundfragen des Daseins zu verbinden.

Seine langjährige Tätigkeit als Lehrer und Studiendirektor am Christoph-Scheiner-Gymnasium wird bei diesem umfangreichen, wissenschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement fast in den Hintergrund gedrängt. Aber es soll auch deshalb erwähnt werden, weil Herr Dr. Straub in dieser Zeit seinen Schülerinnen und Schülern Begeisterung für Geschichte vermittelt hat, Begeisterung für Geschichte, die Zusammenhänge wahrnimmt und Konsequenzen für das eigene Leben und das eigene gesellschaftliche Handeln aus geschichtlichem Wissen zieht.

Dieses vielfältige zeit- und kräfteraubende Engagement wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung seiner Familie und seiner Frau, der ich an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte.

Die Stadt Ingolstadt zeichnet Herrn Dr. Straub für sein umfangreiches Wirken, für seine außergewöhnlichen historischen Forschungen zur Geschichte Ingolstadts und für sein nachhaltiges gesellschaftliches Engagement mit dem Kulturpreis 2006 aus.

 

Oberbürgermeister Dr. Lehmann, Ingolstadt, 16. Mai 2006
(Foto: Kajetan Kastl)


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