Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Beatrix Schönewald:
Motive und Ansichten von Ingolstadt aus fünf Jahrhunderten
Geschichtlicher Hintergrund: Das 20. Jahrhundert

 
Der wirtschaftliche Aufschwung hält auch nach der Jahrhundertwende an. 1906 beginnt eine umfangreiche Neupflasterung der Straßen. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges beginnt in der Stadt die Elektrifizierung. Neue Amtsgebäude werden gebaut: 1900 das Amtgerichtsgebäude, 1907 das Hauptpostamtsgebäude. Auf dem Gelände der aufgelassenen Fronte Gumppenberg wird der „Prinzregentenpark" („Prinz-Luitpold-Park") als erster moderner Stadtpark Ingolstadts angelegt.
Ein neuer Wirtschaftszweig entsteht 1914, als die Lokomotivhauptwerkstätte beim Hauptbahnhof (Eisenbahn-Ausbesserungswerk, EAW) fertig gestellt wird, zunächst aber während des Krieges als Reservelazarett II verwendet.

Die Zeit des 1. Weltkrieges
1914 wird die bisherige Hauptlandesfestung I. Klasse Ingolstadt zur Festung II. Klasse herabgestuft. Das Festungsgouvernement wird zur Festungskommandantur herabgestuft; die bereits beschlossene Wegverlegung des 3. Kgl. Fußartillerie-Regiments nach Fürth kommt allerdings nicht mehr zustande.
Während des 1. Weltkrieges werden die Festungswerke und ein neu geschaffenes Barackenlager auf dem Exerzierplatz als Kriegsgefangenenlager für nahezu 7.000 französische und russische Mannschaften und ca. 2.000 Offiziere benutzt. Berühmte Insassen sind Charles de Gaulle und Michail Tuchaschewsky.
Die große Truppenkonzentration und die gesteigerte Rüstungsproduktion mit Arbeiterzustrom bewirken nahezu die Verdoppelung der Einwohnerzahl auf ca. 50.000 Personen.

Die Zeit der Weimarer Republik
1918 erfolgte am 22. Mai der Ingolstädter "Rathaussturm". Die Novemberrevolution verlief allerdings geordnet, getragen von allen Parteien, dem Magistrat und der Garnison, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Januarwahlen von 1919 erbringen dank der Soldatenstimmen eine nahezu absolute Mehrheit für die Mehrheitssozialdemokratie (MSPD). Eine improvisierte Räterevolte vom 7. April wird rasch niedergeschlagen.
Die Demobilierungsmaßnahmen bewirken einen stetigen Rückgang der kriegsbedingt auf 50.000 Einwohner angestiegenen Bevölkerung. Dennoch beherrschen Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Preisanstieg die folgenden Jahre.
Im Jahr 1920 stellen die beiden großen Militärbetriebe – Hauptlaboratorium und Geschützgießerei - auf Armaturen- und Textilproduktion um und werden Teil der reichseigenen Deutsche Werke Berlin. Die Ära der Waffenproduktion geht damit in Ingolstadt auf lange Zeit zu Ende; die ehemaligen Militärbetriebe werden auf Friedensproduktion umgestellt.
Nach dem in Berlin gescheiterten Kapp-Putsch wird in Bayern unter der neuen rechtsnationalen Regierung von Kahr (BVP) das Fort Prinz Karl zentrales Ausländersammellager für „unerwünschte" Ausländer. 1922 gründet sich im November die Ortsgruppe der NSDAP.
1927 erscheint erstmals als vierte Ingolstädter Tageszeitung „Der Donaubote". Es ist die erste NSDAP-Provinzzeitung im Reich.

Die Zeit des Nationalsozialismus
Die „Machtübernahme" am 9. März 1933 und die anschließende „Nationale Revolution" bzw. „Gleichschaltung" leitet der junge Bäckermeister und SA-Führer Wilhelm Dittler. Die Verhaftung und „Überstellungen" von Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden ins KZ Dachau beginnen.
Im Jahr 1935 ist eine gesteigerte städtische Bautätigkeit zu vermerken: Hauptkanal im Nordviertel, „Zeppelinsiedlung" in der Ochsenschlacht und Wohnungen der „Gemeinnützigen" an der Regensburgerstraße, im ganzen werden 420 Neubauwohnungen erstellt; Fertigstellung der „Donauhalle" (Viehversteigerungshalle) auf dem Viehmarktplatz sowie des Leichenhauses und der Aussegnungshalle auf dem Friedhof.
Nach Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht im März 1935 wird Ingolstadt im Oktober wieder Truppenstandort. Mit 33.000 Einwohnern steht Ingolstadt an 17. Stelle in Bayern.
Der Gouvernementsplatz wird 1936 zum „Adolf-Hitler-Platz" umbenannt, heute Rathausplatz. Im gleichen Jahr beginnt man mit dem Bau der Autobahn München-Ingolstadt-Nürnberg. Die Straße des Führers schafft Ingolstädter Arbeitern und Firmen Beschäftigung.
Ein wichtiges Datum für Ingolstadt war, dass 1937 durch „Führerbefehl" die Festung Ingolstadt offiziell aufgelöst wurde. Das hatte zur Folge, dass die Stadt von Bombardements weniger stark betroffen war.

Die Zeit des 2. Weltkrieges
Bei Kriegsausbruch werden ab 26. August Ingolstädter Einheiten nach Polen entsandt. Am 3. September wird der zivile Luftschutz aufgerufen, Lebensmittelmarken und Bezugsscheine werden ausgegeben. Am 26. September 1939 erfolgt der erste Fliegeralarm. Französische Kriegsgefangene und Hunderte, ab 1942 Tausende von „Fremdarbeitern" und „Zwangsarbeitern" aus Polen, Ukraine, dem „Protektorat", Frankreich, Belgien, Holland, Italien halten die Kriegswirtschaft in Stadt und Land aufrecht. Ein Netz von ZwangsarbeiterInnen-Lager überzieht die Stadt.
Zahlreiche Luftangriffe vom 28. Februar bis 25. April 1945 kosten 625 Menschenleben und richten erhebliche Zerstörungen an. 176 Häuser werden total zerstört, 11 schwer und 2626 leichter beschädigt. Öffentliche, zum Teil historisch wertvolle Gebäude werden vernichtet: Augustinerkirche, Gouvernementsgebäude, Salzstadel, Stadttheater, Spital, St. Anton, Hauptbahnhof. Am 26. April 1945 werden frühmorgens die drei Donaubrücken durch SS-Einheiten gesprengt, im Laufe des Tages wird die Stadt unter Kampfhandlungen von amerikanischen Truppen eingenommen, die nachts auch die Donau überqueren.

Die Zeit des Wiederaufbaus
Am 27. April 1945 übernimmt die amerikanische Militärregierung die Verwaltung. Wasser-, Gas- und Stromversorgung werden bald notdürftig wiederhergestellt. Die Militärregierung setzt einen Häftling des ehemaligen Manchinger Wehrmachtsuntersuchungsgefängnisses als Oberbürgermeister ein: die „Ära Runte". Es beginnen energische Aufräumungsarbeiten, dabei werden auch die inhaftierten Nazi-Funktionäre eingesetzt. Im Oktober erfolgt die Wiedereröffnung der Eisenbahnbrücke, im November einer Holzbehelfsbrücke für den Straßenverkehr. Im Herbst wird die Produktion bei Schubert & Salzer wiederaufgenommen. Auch das politische Leben konstituiert sich: Die Parteien (CSU, SPD, KPD, WAV) und die Gewerkschaften gründen sich neu.

Der Unterricht beginnt an den Schulen, das Erscheinen des Donaukuriers als Lizenzzeitung wird ermöglicht. Am Jahresende erfolgt die Errichtung eines „Zentraldepots für Auto-Union Ersatzteile" durch Angehörige der in der SBZ total demontierten, später enteigneten Auto Union AG Chemnitz: Die Unterbringung wurde im ehemaligen Heeresproviantamt an der Schrannenstraße vorgenommen. Aus dem Zentrallager in Ingolstadt und ehemaligen Auto-Union-Filialen in München, Nürnberg, Frankfurt und Hannover 1947/48 wird die neue Auto-Union GmbH. Die Auto-Union beginnt 1948 mit der Produktion von Motoren und Fahrzeugteilen. 1949 übernimmt die Auto-Union die Motorradproduktion RT 125 auf; sie hat jetzt 1.400 Beschäftigte (1950 4.000; 1954: 10.000). Die Auto-Union nimmt 1951 den Kraftfahrzeugbau auf. DKW-Schnelllaster werden mit großem Erfolg gebaut. 1958 erfolgt der Fabrikneubau der Auto-Union, sie wird Tochter der Daimler-Benz AG. Die Zweiradproduktion wird nun eingestellt. In Ingolstadt werden künftig nur noch Kraftfahrzeuge gebaut. Die Auto-Union GmbH verlegt 1961 aus Gründen der Konzentration die gesamte Personenwagenproduktion und ihren Firmensitz nach Ingolstadt. Die Auto Union GmbH geht 1964 in den Besitz des Volkswagenwerkes über. Die Auto Union GmbH fusioniert 1969 mit der NSU Motorwerke AG Neckarsulm zu „Audi NSU Auto Union AG". Die Audi (NSU) Auto Union AG vereinfacht 1985 ihren Firmennamen zu „Audi AG" und verlegt gleichzeitig den juristischen Firmensitz von Neckarsulm nach Ingolstadt.

Im Jahr 1946 beginnt die Zerstörung der Außenwerke der Landesfestung auf Geheiß der Amerikaner. Der größte Teil der zentralen Festungsanlagen und alle Außenforts werden auf Befehl der amerikanischen Besatzungsmacht abgebrochen bzw. gesprengt, mit Ausnahme des Fort Prinz Karl, das zur Aufnahme und Vernichtung von Fundmunition aus ganz Mittelbayern bestimmt wird.

Das kulturelle Leben setzt 1946 wieder ein: Theater, Ausstellungen, Konzerte, Vorträge.
1966 wird das neue Stadttheater eröffnet. (Architekt: Prof. Hardt-Waltherr Hämer)

Die Währungsreform 1948 verändert das Angebot in den Läden schlagartig: Die stagnierende Nachkriegs- und Schattenwirtschaft ist zu Ende. 1950 wird der Firmensitz von Schubert & Salzer wird von Stuttgart nach Ingolstadt verlegt.
Im Zuge der Westintegration und Wiederbewaffnung der BRD beginnen mit der Remilitarisierung im Raum Ingolstadt die Bauarbeiten an der Rollbahn des wiederbelebten Militärflugplatzes Manching. 1957 wird Ingolstadt wieder Garnison, erhält unterschiedliche Bundeswehreinheiten und Militäreinrichtungen: Kaserne an der Manchinger Straße, Truppenübungsplatz Neuhau. Die wichtigste Einheit, das Pionierbataillon 10, wird 1993 aufgelöst.
Der Militärflugplatz Manching wird 1960 der Bundesluftwaffe übergeben, die darauf das Aufklärungsgeschwader 51 („Immelmann") stationiert. Zusätzlich werden dort die Erprobungsstelle 61 der Bundeswehr für Luftfahrtgerät (heute: Wehrtechnische Dienststelle 61) und ein Unternehmen der Messerschmittwerke (MBB) zur Flugzeugmontage errichtet (zusammen ca. 4000 Arbeitsplätze). Der Flugplatz Manching wird 1961 erster NATO-Einsatzflughafen Bayerns.

Im Raum Ingolstadt beginnt 1962 der Ausbau eines neuen bayerischen Energiezentrums mit fünf Erdölraffinerien, zwei Großkraftwerken, einer petrochemischen Fabrik, drei Erdölleitungen (Genua-Ingolstadt, Triest-Ingolstadt, Ingolstadt-Karlsruhe).

Die bayerische Gebietsreform von 1972 erweitert das Stadtgebiet Ingolstadts von 50 auf 133 qkm. Die 11 Umlandgemeinden Brunnenreuth, Dünzlau, Etting, Gerolfing, Hagau, Irgertsheim, Mailing, Mühlhausen, Oberhaunstadt, Pettenhofen und Zuchering werden eingemeindet. Die Einwohnerzahl steigt um 16.000 auf 84.000. Ingolstadt überschreitet 1989 die 100.000 Einwohner Grenze und wird jüngste Großstadt Bayerns. Durch die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes wird Ingolstadt mit Wirkung vom 1. März 1994 definitiv zum „Oberzentrum der Region 10" eingestuft.

Durch die Änderung des bayerischen Konkordats von 1924 wird Ingolstadt 1988 Sitz einer an der Katholischen Universität Eichstätt neu zu errichtenden Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Ein Jahr später nimmt diese Fakultät im Seminargebäude der Steyler Missionare ihren Lehrbetrieb auf. Damit wird Ingolstadt nach 189 Jahren wieder Universitätsstadt.
Die der Stadt zugesprochene neue Fachhochschule (zunächst nur für Wirtschaftswissenschaften) nimmt im Oktober 1994 in der Hohen Schule ihren Lehrbetrieb auf.

 

Dr. Beatrix Schönewald
Mit den Augen der Künstler - Motive und Ansichten von Ingolstadt aus fünf Jahrhunderten
Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2006 zum Jubiläum 1200 Jahre Ingolstadt


Siehe auch:


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