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Dr. Werner Karl:
Ananizapta - eine geheimnisvolle Inschrift des Mittelalters

 
An den beiden ältesten Toren der mittelalterlichen Stadtmauer von Ingolstadt, dem alten Feldkirchnertor von 1368 und dem ehemaligen Hardertor von 1373 befinden sich Steine, deren Inschriften mit dem Wort +ananizapta+ beginnen.

Inschrift am Feldkirchnertor. Foto: Dr. Werner Karl
Inschrift am alten Feldkirchnertor Ingolstadt. (Foto: Dr. Werner Karl.)

Inschrift am Hardertor. Foto: Stadtarchiv Ingolstadt
Inschrift am ehemaligen Hardertor Ingolstadt. (Foto: Stadtarchiv Ingolstadt.)


Dr. Werner Karl hat in den letzten Jahren eine Neu-Interpretation dieser Formel vorgelegt:

Für Dr. Karl ist der älteste Beleg für Ananizapta eine Erfurter Handschrift von 1349 (cod. Amplon. Quart Nr. 377). Auch konnte er herausfinden, dass die Ingolstädter Tore die einzigen Tore mit dem Wort Ananizapta sind. Ebenso entdeckte er das Wort in den Gebetbüchern Kaiser Maximilians I. (Älteres Gebetbuch von 1486: 26v; Neues Gebetbuch von 1513, das Albrecht Dürer mit seinen Randzeichnungen versehen hat: 44 fol.34 v) und auf einer Glocke (Anfang 15. Jh.) in Strelln in Sachsen.

Dr. Karls Interpretation wird auch anderen Schreibweisen des Wortes gerecht:
  • Ananyzapta - Coventry-Ring, 15. Jh., Britisches Museum
  • Ananizzapta - Handschrift 418 der UB-Graz, nach 1348
  • Ananiszapta - Goldring, 14. Jh., Britisches Museum
  • Ananisapta - Große Betglocke des Ulmer Münsters, 1454
  • Ananisabta - auf einem Ring, den Goethe 1794 erhielt; auf einem Silberkelch des frühen 16. Jh., Victoria & Albert Museum
Der Buchstabe z wandelte sich also offenbar im Laufe der Zeit zum s.

Auf dem Stein des Hardertores weist das Schriftbild des Buchstaben z ein kleines Schwänzchen auf. Dies gab Dr. Karl zu der Vermutung Anlass, im z ("Drache mit Teufelsschwanz") die Abkürzung für zabolus: "Teufel" zu sehen; analog interpretiert er in der Schreibweise Ananisap(b)ta das s als die Abkürzung für satanas: Satan.


Dr. Karl sah diese Vermutung dann auch bestätigt durch das "Enchiridion Leonis papae".
Dieses Buch wird von der Tradition Papst Leo III. zugeschrieben, der dieses "Handbuch" Karl dem Großen geschenkt haben soll.
In dem besten erhaltenen Druck (Mainz 1633) steht unter Ananizapta - asymmetrisch angeordnet - das Wort Johazath. Umgeben ist das Ganze von vier Kreuzen und den Buchstaben I a g.
aus: Enchiridion Leonis papae. Mainz 1633

+ Anani z apta
++  Joha z ath


Nach mittelalterlichem Denken ist der Teufel der Urheber aller Unordnung und Verwirrung (daher die asymmetrische Anordnung). Dr. Karl sieht in den z ( = zabolus = Teufel) von Ananizapta und Johazath die "logische Achse", die die beiden Wörter in vier Wortteile zerlegt.
Diese durcheinandergebrachten Wortteile werden jedoch durch einen "Chiasmus", "ein Lesen über Kreuz" (benannt nach dem griechischen Buchstaben Chi: X = Kreuz = Anfangsbuchstabe des griechischen Wortes für Christus: XPISTOS), wieder zu einer sinnvollen Ordnung zusammengeführt.

Da das "Kreuz" Christi die beiden z ("Teufel") "durchkreuzt" (zerstört), ergibt sich für Dr. Karl die Verbindung der Wortteile Anani-ath und apta-Joha:

An an i - ath ist die Abkürzung für
Anathema anathema Iesus
"Verflucht sei "Verflucht sei Jesus!" (Paulus 1 Kor 12,3)"
d.h. "Verflucht sei der Teufel!"

apta - Joha ist die Abkürzung für
baptismate Johannis
"durch die Taufe des Johannes"

Daraus ergibt sich nach Dr. Karl der Sinn:

Indem Jesus Christus von Johannes getauft worden ist
und den Kreuzestod ("Chiasmus") auf sich genommen hat,
hat er den Tod (Teufel) überwunden.


geometrische Struktur der Ananizapta-Johazath-Formel. Zeichnung: Dr. Karl
Anani-ath und apta-Joha haben jeweils acht Buchstaben. Die Zahl Acht symbolisiert das durch die Taufe geschenkte ewige Leben (daher auch die achteckige Form von Baptisterien).

Die diese Formel in einem gleichseitigen Dreieck umgebenden Buchstaben I a g sind ein Symbol für das Geheimnis der "Heiligen (agia) Dreifaltigkeit".

Dr. Karl hat die geometrische Struktur der Ananizapta-Johazath-Formel analysiert:


Die Erbauer der Ingolstädter Stadttore werden wohl die genaue Bedeutung dieser Formel nicht mehr gekannt haben, zumal sie nur ihre abgekürzte Form (Ananizapta) wiedergaben. Sicherlich aber war ihnen deren segensreiche Wirkung zur Abwehr aller Übel bewusst.

Zusammenfassung: Kurt Scheuerer, 1999

Werner Karl, Ananizapta - eine geheimnisvolle Inschrift des Mittelalters,
Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 105. Jahrgang, 1996, S.59 ff.

Dieser Text auf Englisch


siehe auch:
Werner Karl, Ananizapta und der Middleham Jewel,
Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 110. Jahrgang, 2001, S.57 ff.


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