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Josef Würdinger:
Ingolstädter Musikmeister des 19. und 20. Jahrhunderts

 

Max Seidenspinner (1912-1989),
Musikmeister, Komponist und Dirigent
aus Ingolstadt

 

Seidenspinner
Das Bild zeigt den Ingolstädter Musikmeister Max Seidenspinner, der sich bis zu seinem Wegzug nach München im Jahre 1956 bei der Ingolstädter Bevölkerung größter Beliebtheit erfreute. Seidenspinner wurde 1953 in Anerkennung seiner besonderen Verdienste um das Deutsche Lied mit der silbernen Ehrennadel des Deutschen Sängerbundes ausgezeichnet.

 

 

Max Seidenspinner, 1986

 

Max Seidenspinner wurde am 25. November 1912 als Sohn von Max und Johanna Seidenspinner, geborene Wagner, in Ingolstadt geboren. In Bayern regierte der Wittelsbacher Prinzregent Luitpold, in Ingolstadt stand Jakob Kroher dem Magistrat als Bürgermeister vor. In diese Zeit – der 1. Weltkrieg warf seine Schatten voraus – wurde der kleine Max hineingeboren.
Sein Vater, ein Reichsbahnbediensteter und begeisterter Freizeitmusikant vererbte ihm die Liebe zur Musik, und als wenige Jahre später seine Familie bei Max eine außergewöhnliche musikalische Begabung bemerkte, förderten sie ihn schon im Kindesalter nach besten Kräften. So erhielt er, ausgestattet mit einem absoluten Gehör – ein nicht mehr namentlich bekannter Kirchenmusiker hat es entdeckt – bereits mit acht Jahren beim Ingolstädter Musikpädagogen Max Grau Klavier- und Orgelunterricht sowie erste Unterweisungen in Harmonielehre. Max dankte es ihnen. Zur Freude seiner Eltern begann er schon mit seinen ersten Kompositionen.
Nach dem Besuch der Volks- und Berufsschule begann er auf Wunsch seiner Eltern eine Lehre als Dekorateur, die Musik stand jedoch bei ihm auch während seiner Lehrzeit weiterhin an vorderster Stelle. Es war damals eine Zeit, in der Lehrlinge nicht gerade „fürstlich" entlohnt wurden. Ähnlich wie heute war man froh, überhaupt eine Lehrstelle zu bekommen. Durch sein außergewöhnliches musikalisches Talent und durch sein erstaunlich gutes musikpädagogisches Geschick war es ihm vergönnt, sich in seiner Lehrzeit ein zweites Standbein aufzubauen; er gab Klavierunterricht und konnte somit sein Salär als Lehrbub gut verbessern. Nach einiger Zeit war es ihm daher möglich geworden, ein eigenes Klavier zu erwerben und sich bereits in jungen Jahren ein Motorrad leisten, mit dem tragischerweise sein Vater, als er es heimlich ausprobieren wollte, 1934 tödlich verunglückte.

Sein großer Wunsch, Militärmusiker zu werden, erfüllte sich am 1.4.1934, als er ins Musikkorps des 20. Bayerischen Infanterieregiments in Ingolstadt aufgenommen wurde. Er wählte Waldhorn als Blasinstrument. Seine Kameraden im Korps, ausnahmslos von hohem musikalischem Niveau, waren für ihn die besten Lehrmeister für Militär- und Blasmusik. Mit Fleiß und harter Arbeit verfeinerte Max dort nicht nur seine eigene Musizierkunst im Zusammenspiel mit einem Orchester, er erwarb sich neben den Blas- und Holzinstrumenten auch große Fertigkeiten auf Streichinstrumenten – seit Mitte des 19. Jahrhunderts kam ja bekanntlich zur Blasmusik die Streichmusik hinzu.

Max Seidenspinner heiratete 1937. Die Freude war groß, als am 24.9.1940 in Berlin Sohn Max geboren wurde. In eine bayerische Familie aus Ingolstadt war nun ein waschechter Berliner eingezogen. Die unbeschwerten Jahre vergingen rasch. Sie erhielten am 12. März 1938 ein gewaltigen Dämpfer, als deutsche Soldaten in Österreich einmarschierten und tags darauf der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich vollzogen wurde. Max Seidenspinner hat nicht nur jene Ereignisse, sondern auch den Einmarsch deutscher Truppen in Polen als Soldat des 63. Infanterieregiments hautnah miterlebt. Der 2. Weltkrieg in seiner grausamen Art hatte begonnen. Nach der Teilnahme am Polenfeldzug studierte er vom 1. April 1940 bis 24. März 1943 an der staatlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin, dessen Rektor der bekannte Max-Reger-Biograph Stein war. Die Kriegsjahre wurden immer grausamer, Entbehrungen, Hunger und die immer häufiger werdenden alliierten Luftangriffe auf Berlin waren Begleiterscheinungen für den jungen Studenten während seiner Studienzeit.
„Angst und Bange machen" galt bei ihm aber trotzdem nicht. Die drei Studienjahre waren eine musikalisch schöpferische Zeit. Sein Kompositionslehrer, dem er die größte Förderung verdankte, war Professor Hermann Wunsch. Er war es, der ihn trotz der widrigsten Umstände in Berlin förmlich zu Höchstleistungen des Komponierens trieb. Kaum war ein Werk gelungen, dachte Professor Wunsch bereits an das nächste oder übernächste Stück. Gefördert durch sein außergewöhnliches Talent wurde Seidenspinner schon recht bald zusammen mit einem spanischen und rumänischen Studenten in die Meisterklasse von Professor Wunsch aufgenommen.
Seine erste Komposition „Romantische Szene", deren Uraufführung am 27. Juni 1942 in Berlin stattfand, wurde ein großer Erfolg und war sicherlich auch Ansporn für weitere Kompositionen. Das für ein großes Blasorchester geschaffene Werk konnte zwischen 1942 und 1945 häufig im Berliner Rundfunk gehört werden. Die sogenannte „Bayerische Bauernpolka", das für Männerchor und Orchester geschaffene Werk „Alter Totentanz" sowie ein Bläserquintett (Länge 20 Minuten) für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott entstanden zwischen dem 15. Juli und 26. Oktober 1942 in Berlin. In seinem dritten Studienjahr leitete Seidenspinner einen musikalischen Abend ausschließlich mit eigenen Kompositionen.

Seidenspinner
Konzert im Juni 1942 im zoologischen Garten in Berlin

Viele Jahrzehnte lang war Berlin der Tummelplatz vieler einheimischer und auswärtiger Musikkapellen. Hier erfolgreich und anerkannt zu werden, war für Musiker und Dirigenten ein großer Wunsch. Für Seidenspinner ging dieser Wunschtraum im Juni 1942 in Erfüllung, als im zoologischen Garten in Berlin sein Werk „Variationen" erklang. 150 Studenten der Musikhochschule unter seinem Dirigat liefen zur Höchstform an und der bei diesem Konzert anwesende überaus populäre und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Berliner Komponist Paul Linke ließ es sich nicht nehmen, Seidenspinner zu diesem schönen Erfolg zu beglückwünschen.

Nach dreijähriger Studienzeit – nebenher musste der mittlerweile zum Feldwebel beförderte Seidenspinner auch noch eine Ausbildung an der Heeresfachschule Berlin-Spandau absolvieren – schloss Max Seidenspinner sein Musikstudium mit Bravour ab. Seine damaligen Lehrer, die Dozenten Bräutigam für sein Hauptinstrument Waldhorn, Rößler für Klavier und Wunsch für Tonsatz und Komposition, bescheinigten ihm nach dem Abschlussexamen am 24.3.1943 die Befähigung zum Musikmeister und als einzigem seines Lehrgangs das Gesamturteil „musikalisch vorzüglich", was bis dahin noch nie da gewesen war. (61)

Nach seiner Ernennung zum Musikmeister übernahm May Seidenspinner im Mai 1943 an der Ostfront bei Orel ein Regimentsmusikkorps. Seine Musik konnte so zur Freude und Abwechslung der dort eingesetzten Soldaten beitragen. Während dieser Zeit entstand auch sein erster Marsch „Auf gute Kameradschaft". Im weiteren Verlauf des Krieges wurden die Musikkorps aufgelöst, die Musiker mussten statt zu den Instrumenten ebenfalls zu den Waffen greifen. Nach verschiedenen Lehrgängen zum Ende des Krieges hin erlebte Seidenspinner als Leutnant und Zugführer in Döbeln/Sachsen das Ende des 2. Weltkrieges. Er hatte großes Glück, am 9. Mai geriet er in amerikanische Gefangenschaft, aus der er bereits am 21. Mai 1945 wieder entlassen wurde. Er kam wieder zu seiner Familie nach Ingolstadt.

Max Seidenspinner und seine Ingolstädter Zeit

Der zweite Weltkrieg brachte fast das gesamte musikalische Geschehen in der Stadt zum Erliegen. Ein Konzertleben, wie man es vor dem Krieg gewohnt war, war zur Zeit nicht mehr möglich. Nach einer mehrjährigen, durch den Krieg erzwungenen Pause galt es, die Musiktradition in Ingolstadt wieder aufleben zu lassen. Max Seidenspinner packte es an. Nach der Entlassung aus der glücklicherweise kurzen amerikanischen Gefangenschaft galt es zunächst, für seine Familie in Ingolstadt den Lebensunterhalt zu besorgen. Neben Klavier- und Harmonielehreunterricht spielte er mit einer von ihm aus ehemaligen Musikern zusammengestellten kleinen Kapelle bei einer amerikanischen Truppeneinheit in Ingolstadt. Das Entgelt bedeutete für Seidenspinner und seine Musiker ein willkommenes Zubrot zum sonst kärglichen Lebensunterhalt. Das Angebot seines früheren Professors, Hermann Wunsch, an der Hochschule für Musik in Berlin eine Dozentenstelle für das musiktheoretische Fach anzunehmen, lehnte er mit der Begründung ab, „er wolle seine bayerische Heimat nicht verlassen."

Seidenspinner
Angebot an Max Seidenspinner, eine Dozentenstelle an der Musikhochschule in Berlin zu übernehmen

Gründung des Ingolstädter Blasorchesters

Die Ingolstädter Militärkapellen beherrschten lange Zeit die Instrumentalmusik in unserer Stadt. Besonders beliebt bei den Ingolstädtern waren die sonntäglichen Frühschoppenkonzerte im Luitpoldpark und ganz besonders auch die Standkonzerte auf dem Rathausplatz. Diese für Ingolstadt beliebte Tradition wollte Seidenspinner wieder aufleben lassen. Dafür brauchte er eine Blaskapelle mit guten Musikern, die auch in der Lage waren, auf ihren Instrumenten Werke der leichten wie der klassischen Musikliteratur zu spielen. Er fand sie in den Mitgliedern des Ingolstädter Symphonie- und Theaterorchesters. Es gelang ihm 1948 ein 30 Mann starkes Blasorchester zu gründen, mit dem er unter seiner Leitung während der Sommermonate für die Ingolstädter Bevölkerung volkstümliche Konzerte durchführen konnte. Dabei standen auch Klassiker wie die Ouvertüre zur Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" von Otto Nicolai ebenso auf dem Programm wie Kompositionen von Guiseppe Verdi oder Carl-Maria-von-Weber, um nur weniges zu nennen. Natürlich fehlten auch nicht Walzer, Lieder oder Polkas bekannter, populärer Komponisten. (62)
Zum 1. Standkonzert am Rathausplatz nach dem Krieg unter Leitung von Max Seidenspinner stand im Donau-Kurier: „...dem ersten sonntäglichen Standkonzert seit der Genehmigung dieser Konzerte durch den Stadtrat war alles beschieden, was zu einem solchen Konzert gehört: klarblauer Himmel mit hellem Sonnenschein, der in den blanken Instrumenten der Blechbläser aufblitzte, ein sanfter kühler Wind und ein weites dichtes Rund sonntäglich gestimmter Zuhörer... Man sah, wie es dem Ingolstädter Blasorchester selbst Freude bereitete, die vielen Menschen – vom kleinen Knirps bis zum Großvater – mit beliebten Walzer- und Marschmelodien zu erfreuen. Max Seidenspinner dirigierte so hinreißend, so musikbesessen, dass ihm zuzusehen allein schon Vergnügen ist. Er erntete mit seien Getreuen reichen Beifall. Wenn Stadtväter unter den Zuhörern waren, dann haben sie sicher ihren Beschluss zur Durchführung dieser Konzerte nicht bereut." (63)

 

Siehe auch:
Max Seidenspinners Arbeit beim
Sängerverein „Alte Bürger Sängerzunft" in Ingolstadt

Max Seidenspinners Kompositionen

 

Seidenspinner
Max Seidenspinner war ein fröhlicher und geselliger Mann. Heinrich Strobl, ein jahrzehntelanges Mitglied im Sängerverein „Alte Bürger Sänger Zunft" erzählte mir, dass nach mancher Chorprobe im Gasthaus Merl in der Moritzstraße anderswo weiter getagt wurde. Das ging dann nach einem genau festgelegten Zeremoniell: „...zeigte Max mit seinem Daumen nach oben, wussten wir, das Cafe Hochhaus war gemeint. Zeigte unser Chormeister nach unten, wurde die Probe im Schlosskeller „fortgeführt". Durch Singen geselliger Lieder konnten dabei nicht selten neue Mitglieder gewonnen werden.

Bei Sommerfesten, bei Sängertreffen in der Antoniusschwaige oder auch auf Faschingsveranstaltungen und dgl. sorgte Max Seidenspinner zusammen mit seiner Kapelle oder auch als Alleinunterhalter mit seinem Akkordeon für Frohsinn und Heiterkeit.

 

Seidenspinner

Für Freude innerhalb der Familie Seidenspinner sorgte Sohn Max junior, der offensichtlich die Musikalität seines Vaters vererbt bekam. Am 22. November 1954 erspielte sich Max junior im Alter von 14 Jahren bei einem Klavier-Wettbewerb anlässlich des „Tages der Hausmusik" im großen Saal des Neuen Schlosses mit der Sonatine in d-moll von Höller und der Ballade von Rachmaninoff den dritten Preis und gewann damit 20.- DM Preisgeld.

Max Seidenspinner in München – ein kurzer Querschnitt

Seidenspinner

 

 

 

 

 

 

 

 

Max Seidenspinner
mit seinem Orchester
in Kerkrade in Holland.

Max Seidenspinner zog mit seiner Familie nach München. Seine Musikantentätigkeit in Ingolstadt war in der Hauptsache ehrenamtlich, es war nun an der Zeit, eine dauerhafte Arbeitsstelle zu finden, zumal eine Bewerbung als Musikmeister bei der Bundeswehr erfolglos war. Bei der Oberpostdirektion in München erhielt er die Stelle des 1. Dirigenten vom Blasorchester „Münchner Postillione" rückwirkend zum 14. Mai 1956 übertragen und, da diese Position im wesentlichen ehrenamtlich war, als Ausgleich dafür eine Beschäftigung als Angestellter im Postdienst. Als Dirigent und zwischenzeitlich auch Chormeister des Männergesangvereins „Post" war er für alle musikalischen Angelegenheiten einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit von Chor und Orchester allein zuständig.
Postchor und Postorchester traten unter seiner Leitung bei zahlreichen Veranstaltungen im In- und Ausland auf. Schon zwei Jahre nach seinem Amtsantritt in München kam Seidenspinner und sein Orchester „mit Holz und Blech zu goldenen Ehren". (82) Richard Stücklen, vormaliger Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen war begeistert vom Erfolg der Münchner „Postillione", die mit einer Stärke von 54 Musikern auf der Welt- Musik-Olympiade 1958 in Kerkrade/Holland zwei Goldmedaillen erspielten. 27 Nationen aus vier Erdteilen schickten 180 Kapellen nach Holland, darunter 16 aus der Bundesrepublik Deutschland und zwei aus Bayern. Max Seidenspinners Mannen spielten in der schwierigsten Klasse. Für die Postmusiker führte die mehrmonatige „Plagerei nach Noten" zu einem großartigen Erfolg. Den Preisrichtern gefielen die „Romantische Szene" von Max Seidenspinner, die Ouvertüre zur Oper „Die Macht des Schicksals" von Guiseppe Verdi, das „Capriccio italiene" von Peter Tschaikowski und die „Dramatische Ouvertüre" von Franz Blom. Dafür gab es den 1. Preis mit Auszeichnung, also den 1. Preis. Die zweite, die wohl gewichtigere, holten sich die Postillione beim sogenannten Ehrenwettbewerb, den die mit dem ersten Preis und Auszeichnung bedachten Kapellen untereinander austrugen.

Seidenspinner

Präsidium des Musikbundes 1962.
4. von links: der Bundesdirigent Max Seidenspinner,
rechts daneben Heinz Wohlmut, Präsident

Die „Münchner Postillione" waren weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt, man kann sagen, unter den Blasorchestern waren sie mit die erste Adresse. Zahlreiche Auftritte bei Konzertveranstaltungen nicht nur in München waren der Beweis. Dafür wurde auch gearbeitet und geprobt. Hinzu kam für Max Seidenspinner die Chormeistertätigkeit beim Postchor sowie die Übernahme von Ehrenämtern im Musikbund für Ober- und Niederbayern. Er wurde zum Bundesdirigenten desselben Musikbundes gewählt. In dieser Eigenschaft war er bei zahlreichen Dirigenten- und Kapellmeisterlehrgängen und als Wertungsrichter bei verschiedenen Blaskapellenwettbewerben tätig. Seine fleißige Verbandstätigkeit wurde 1961 mit der Verleihung der goldenen Bundesehrennadel des Bayerischen Musikbundes belohnt.

Zu allen diesen Tätigkeiten musste für ihn auch noch Zeit bleiben, um neue musikalische Einfälle in Noten zu setzen. Dabei entstanden Blasmusikkompositionen, die nicht selten im Bayerischen Rundfunk zu hören waren und auch heute noch zu hören sind. Berühmt ist Seidenspinners Bearbeitung für Bläser von Koschats „Schneewalzer", der erfolgreich verkauft, aber auch von anderen Leuten einfach „geklaut" wurde.

Die vielen Belastungen durch Postdienst, Postchor, Postillione, Komponieren und Verbandsarbeit ließen Seidenspinner wenig Zeit für seine Familie. Er konnte sich daher nicht so um seine Familie kümmern, wie er es selber gewollt hätte. Die Ehe zerbrach und seine Spannkraft ließ nach. Er sehnte sich nach Ruhe. Die Freude am Komponieren und sein Interesse an Aufführungen und Veröffentlichungen sank zusehends. Nur gelegentlich entstanden noch Kompositionen wie zum Beispiel die „Fughetta Bavaria" oder die „Wendypolka". Diese Arbeiten kosteten ihm aber viel Kraft. Wenn er auch jetzt nicht mehr so viel komponierte wie in früheren Zeiten, so hat er der Nachwelt doch ein reich gefächertes Werk hinterlassen, das in guten Zeiten im Rundfunk ständig gespielt wurde.

Seidenspinner
Max Seidenspinner ging im Jahre 1973 in seinen wohlverdienten Ruhestand. Jetzt endlich fand er Zeit, neben der Musik seiner zweiten Leidenschaft, dem Fischen zu frönen. Am Fischweiher fand er die Ruhe, die ihm sein Beruf halt allzu oft nicht geben konnte. Er war der wohl musikalischte Fischer seiner Zeit. Seinen Fischerfreunden hatte er ja auch ein Denkmal gesetzt, als er die „Fischer-Suite" im Jahre 1948 komponierte.

 

 

Max Seidenspinner mit einem kapitalen Hecht.
Die Freude über seinen Fang ist ihm anzumerken.

Mit seiner zweiten Frau verbrachte er noch viele schöne und vor allen Dingen ruhige Jahre. Seine Enkelkinder verehrten ihn sehr, da er mit ihnen nicht nur musizierte, sondern ihnen auch schöne Geschichten erzählen konnte. Alt fühlte er sich nie, als alt wollte er auch nicht angesehen werden. Einen Tag vor seinem Tod am 3. Juli 1989 fing er noch einen großen Hecht. Trotz deutlicher Warnzeichen besuchte er keinen Arzt und wurde so völlig unerwartet vom Herztod überascht.

Was sagte einmal Sepp Thaler aus Südtirol, ein musikalischer Wertungsrichter wie sein Freund Max. „Max Seidenspinner, ein ausgezeichneter Komponist und Urbayer von Format, kann mit Ludwig Thoma verglichen werden. Was Ludwig Thoma in seinen berühmten bayerischen Geschichten zu erzählen weiß, das kommt bei Max in musikalischer Form zum Ausdruck, besonders dann, wenn sein Galopp „S´ blitzt und kracht" gespielt wird."
Ich weiß jedenfalls kein schöneres Kompliment für einen bayerischen Komponisten. Sind wir stolz auf Max Seidenspinner, dass er gelebt hat.

Josef Würdinger, Ingolstadt, im September 2005


Anmerkungen
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Siehe auch:


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