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Gerd Riedel:
Die Ausgrabungen auf der Burg von Gerolfing

 

Die Anfänge von Gerolfing

Als vor etwa 1500 Jahren das Volk der Bayern entstand und ein Staatsgebilde schuf, das heute zu den ältesten Europas zählt, wurde auch die Ortschaft Gerolfing gegründet. Schon früh bildete sich eine edle Familie heraus, der auch das Grab unter dem Löwenbuckel im Norden von Gerolfing zugeordnet werden kann.
Dieses Grab, auf dem nach altertümlicher Sitte ein Hügel errichtet worden war, kann als frühes "Adelsgrab" bezeichnet werden. Daneben gab es einen ausgedehnten Ortsfriedhof, der über Jahrhunderte hinweg zur Bestattung der frühen Bevölkerung von Gerolfing diente. Leider konnte bisher nur ein einziges Grab dieses bedeutenden Bestattungsplatzes sachgerecht untersucht werden. Unzählige Grablegen wurden undokumentiert zerstört und mit ihnen ein wichtiger Bestandteil der Geschichte Gerolfings.

Die mittelalterliche Burg

Im hohen Mittelalter wurde es üblich, daß die Adeligen ihre Herrenhöfe befestigten. Ein neuer Siedlungstyp entstand: die mittelalterliche Adelsburg. Sie ist der Versuch, repräsentatives Wohnen und trutzige Wehrhaftigkeit in einem Gebäudekomplex zu verbinden. Die Burgen waren gleichzeitig Residenzen und Festungen.
Auch der Ortsadel von Gerolfing baute sich eine solche Burg. Sie wird erstmals im Jahre 1329 genannt. Von ihr ist heute nur noch der künstlich aufgeschüttete Hügel erhalten geblieben, auf dem sich einst die Mauern der Burg erhoben.
Er ist annähernd quadratisch bei einer Seitenlänge von etwa fünfzig Metern und bei vier bis sechs Metern Höhe. Vor nicht allzu langer Zeit umgab ihn auch noch ein Wassergraben.

Die Ausgrabungen

Die Außenstelle Ingolstadt des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege führte von April bis Juni 1990 auf dem alten Adelssitz archäologische Ausgrabungen durch. Dabei wurden die Reste eines Gebäudes von 14,5m Länge und 12m Breite freigelegt. Seine massiven Kalksteinmauern waren knapp einen Meter breit.
Von dem Gebäude waren noch die Reste zweier ziegelgemauerter Gewölbekeller erhalten. Sie besaßen fenster- und schießschartenartige Maueröffnungen und offenbar einen Zugang von Norden. Bei dem Gebäude dürfte es sich um den Palas der alten Burg, also um ihr repräsentatives Wohngebäude gehandelt haben. Weitere Gebäudekomplexe wurden nachträglich angebaut.

Das Fundmaterial

Die Ortschaft Gerolfing wird zwar erst 1055 urkundlich erwähnt. Auf archäologischem Wege kann aber ganz klar gezeigt werden, daß die Anfänge deutlich früher liegen. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Burg von Gerolfing. Denn einige Funde machen es wahrscheinlich, daß die Burg bei ihrer Ersterwähnung schon 100 oder mehr Jahre bestand.
Funde aus dieser Zeit sind jedoch sehr spärlich. Erst mit dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit steigen die Materialmengen deutlich an. Es handelt sich dabei vor allem um zerbrochenes Geschirr, um Tierknochen sowie um einige Dachziegelfragmente, die als alltäglicher Abfall in den
Boden gelangten. Metall war wertvoll und geeignet zum "Recycling".

Besonders die zahlreichen Randprofile der Töpfe zeigen, daß die Burg sehr lange Zeit kontinuierlich genutzt wurde. Im Laufe des Spätmittelalters werden sie immer breiter und vielgestaltiger. Schwärzungen durch Ruß lassen erkennen, daß viele von ihnen zu Kochtöpfen gehörten, die man direkt in Herdfeuer stellte.
In der Neuzeit werden die Keramikformen stärker an ihre Funktion angepaßt. Neben einfachen Töpfen gibt es nun auch Henkeltöpfe, Krüge, Pfannen oder Dreifußgefäße. Durch farbige Glasuren wurden sie wasserdicht gemacht.
Schüsseln von verschiedener Größe waren in der Neuzeit sehr beliebt. Auf dem Gerolfinger Burgstall fand sich auch ein Schüsselfragment des ausgehenden Hochmittelalters, während
dieser Gefäßtyp im Spätmittelalter aus Holz, nicht aus Ton, hergestellt wurde.
Um die "gute Stube" behaglich und rußfrei zu halten, wurde in der Gerolfinger Burg schon sehr früh ein Kachelofen gebaut. Später ließ man ihn oft erneuern und modernisieren. Besonders prächtig war er um 1600, in der Renaissancezeit.
Obwohl die Adeligen von Gerolfing vornehme und wohlhabende Leute waren, unterschieden sich ihre alltäglichen Gebrauchsgegenstände nicht von denen der übrigen Gerolfinger oder auch von denen der Ingolstädter Bürger. Wertvolle Dinge wie Zinngeschirr, Schmuck oder Waffen wurden im Falle einer Beschädigung nicht achtlos fortgeworfen, sondern repariert oder anderweitig wiederverwendet. Nur selten gelangten sie in den Boden.

Wann genau die Burg von Gerolfing verschwand, kann vielleicht eine umfassende Auswertung des Fundmaterials klären. Eine Münze und die übrigen Funde deuten an, daß sie im 18. Jahrhundert wohl noch bestand. Die Burg hatte über Jahrhunderte hinweg das Ortsbild geprägt. Geblieben ist den Gerolfingern der mächtige Burghügel, zur Erinnerung an eine stolze Vergangenheit und als Verpflichtung für die Zukunft.

Dr. Gerd Riedel, Ingolstadt, 1995


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