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Karl Heinz Rieder:
Lohn der Konsequenz - Sternstunde der Archäologie
Weitere Fundbeispiele

Nun könnte leicht der Eindruck entstanden sein, die eingangs apostrophierte Konsequenz hätte sich dabei allein auf die Fläche des Abstellplatzes bezogen. Da sie vielmehr allgemein, sowohl landesarchäologisch, als auch wissenschaftssystematisch gesehen als zeitgemäßes Programm eines expandierenden historischen Faches, nämlich dasjenigen der Archäologie zu sehen ist, sollen hier Beispiele angeführt werden, welche die oben gemachten Aussagen und Postulate für eine relativ geschlossene Siedlungskammer im Norden Ingolstadts eindrucksvoll belegen.

Bis in die jüngste Zeit bestand an Ingolstadts nördlicher Peripherie kaum ein expansiver Geländebedarf. Das änderte sich 1995, als für ein Güterverkehrszentrum rund 50 ha bis dahin landwirtschaftlich genutzte Fläche überplant wurden.


Güterverkehrszentrum (GVZ) und Gleisanschluß 1995

In den ersten für große Produktionshallen sogesehenen Flächen, sowie im Bereich der Gleis- und Straßenanbindung fanden sich südlich des Augrabens Funde des Mittelpaläolithikums, Siedlungsbefunde der Schnurkeramik, der Glockenbecherkultur, der frühen Bronze- und der Urnenfelderzeit. Aufwendig waren dabei die Dokumentationen im Feuchtbodenmilieu des Augrabens, in welchem sich verschiedene stehende Hölzer erhalten hatten, die dendrochronologisch in die Zeit um 2200 v. Chr. zu datieren waren. Nördlich des Augrabens konnten dagegen Siedlungsbefunde der Bandkeramik, der Urnenfelderzeit und des frühen Mittelalters festgestellt werden.

Audi, Windkanal 1995

Ebenfalls 1995 wurde im Vorfeld der Errichtung eines Windkanals durch die Firma Audi, die hierfür benötigte Fläche untersucht. Bekannt war, daß diagonal durch dieses knapp ein Hektar große Grundstück die Trasse der Römerstraße Augsburg - Regensburg verlief. Schon 1985 hatten dort Teiluntersuchungen stattgefunden, wobei neben keltischen Siedlungsbefunden eine römische Pferdebestattung freigelegt und dokumentiert worden war. Neben der nunmehr erfolgten detaillierten Dokumentation der Römerstraße fand sich überraschend ein schnurkeramisches Einzelgrab sowie eine Hausstelle der späten Glockenbecherkultur.

GVZ, Nordostspange, Brückenwiderlager 1996

Die ersten Untersuchungen des Jahres 1996 waren verursacht durch ein Brückenbauwerk der Nordostspange unmittelbar nördlich des Güterverkehrszentrums. Dabei wurde nördlich des Augrabens neben keltischen Siedlungsbefunden ein wohl vollständig erfaßtes kleines Gräberfeld der späten Glockenbecherkultur dokumentiert. Südlich des Augrabens konnten auf der Terrassenkante Hausgrundrisse der frühen und mittleren Bronzezeit in teilweise sehr dichtem Siedlungsbefund festgestellt werden.

Audi, Abstellplatz 1996

(s. Beschreibung im Eingangskapitel)

Audi, Neue Lackiererei 1996

Im Anschluß an die eingangs dargestellten Untersuchungen auf dem Audi Abstellplatz mußten ca. sechs Hektar Fläche beobachtet werden, inklusive der Verlegung der TAL. Das Hauptaugenmerk galt dabei dem teils sehr gut erhaltenen Damm der Römerstraße Augsburg - Regensburg sowie geringem Siedlungsbefund unterschiedlicher Zeitstellung. Bemerkenswert war die erneute Beobachtung eines Einzelgrabes der Schnurkeramik.

Audi, Baustellenzufahrt August-Horch-Straße 1996

Zu den genannten neuen Baufeldern mußte kurzfristig eine Zufahrt geschaffen werden. Unmittelbar nördlich der teils parallelen Trassenführung zur Römerstraße wurde dabei ein Reihengräberfeld des 7. Jahrhunderts n. Chr. entdeckt. Unter den ca. 30 beobachteten Grablegen fiel die hohe Zahl von Waffengräbern auf. Die Gräber überdeckten einen dichten Siedlungsbefund der Hallstattzeit.

Umgehung Etting und ICE Trasse 1996 - 1998

1996 warf die gebündelte Trasse des ICE und der Umgehung Etting ihre Schatten voraus. Erste Untersuchungen fanden am nördlichen Rand des Ingolstädter Stadtgebietes in der Gemarkung Etting, am Rande des Ingolstädter Beckens statt. Auf zunächst knapp vier Hektar Fläche waren durch Luftbildaufnahmen bereits die Baubefunde eines hallstattzeitlichen Herrenhofes sowie eine römische Villa rustica bekannt. Bei den Untersuchungen zeigte sich auch hier eine für das Ingolstädter Becken charakteristische Befundsituation. Neben mittelpaläolithischen und mesolithischen Steinartefakten datierten die ältesten jungsteinzeitlichen Befunde in die südwestdeutsch Schussenrieder Kultur. Ihnen folgten Fundkomplexe der Glockenbecherkultur sowie der frühen und mittleren Bronzezeit. Die Urnenfelderzeit war mit einem singulären Brandgrab sowie Lesefunden vertreten. In die Hallstattzeit datiert der schon erwähnte hallstattzeitliche Herrenhof mit Doppelgraben, der offensichtlich Teil einer wabenartig aneinander gebauten Befestigungsreihe auf dem auch von der Römerstraße genutzten Höhenrücken ist. In einiger Entfernung dazu in Richtung Zeller Augraben fanden sich zwei Brandgräber dieser Epoche. Latènezeitliche Einzelfunde leiten über zu der ausgedehnten römischen Villenanlage, die mit ihren mehr als drei Hektar Innenfläche wohl eine Sonderfunktion inne hatte. Die klaren Siedlungsstrukturen einer spätmerowingerzeitlichen Kurie bzw. eines Adels- oder Meierhofes erhalten besonders Gewicht durch die Aufdeckung der zugehörigen, spektakulären Adelsgrablege. Weitere mittelalterliche und neuzeitliche Befunde, wie beispielsweise die Landesdefinitionslinie von 1702/3 runden das äußerst dichte und kulturgeschichtlich bedeutende Befundbild ab.

Etting Baugebiet „Wettstettener Weg" 1996 - 1998

Im Vorgriff auf die Erschließung und Bebauung des Baugebietes am Wettstettener Weg wurde 1996 mit der Untersuchung der für den Kindergarten vorgesehenen Fläche begonnen. Von Luftbildern war bekannt, daß sich im weiteren Umgriff des Bebauungsgebietes wiederum eine römische Villa rustica sowie eine Befestigungslange unbekannter Zeitstellung befindet. Der Beginn der Ausgrabungen zunächst im Areal des geplanten Kindergartens lieferten Siedlungsbefunde vorwiegend der Hallstattzeit, der Latènezeit, der mittleren römischen Kaiserzeit sowie der Völkerwanderungszeit. Die seither in den Erschließungstrassen, sowie in den Bauflächen erfolgten Ausgrabungen, die noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werden, haben das Befundspektrum erheblich erweitert. Auch dort gehen die Befunde in das Mittel- und Jungpaläolithikum zurück, gefolgt von einem mesolithischen Fundaufkommen. Das Neolithikum ist mit mehreren Epochen vertreten, deren jüngster Beleg bislang eine schnurkeramische Hockerbestattung darstellt. Die zunächst undatierte Befestigungsanlage offenbarte sich als der Hallstattzeit zugehörig und stellt einen mehrphasigen, mit ungewöhnlich tiefen Gräben versehenen Herrenhof dar. In diese Zeit gehört auch ein einzelnes Brandgrab. In die frühe Mittellatènezeit datieren fünf Körpergräber, wobei vier Schwertgräber begleitet werden von einem sehr reich ausgestatteten Frauengrab. Der Latènezeit gehören weitere Graben und Gräbchensysteme an, deren Gesamtausdehnung das Baugebiet weit überschreiten. Erstmals fanden sich hier auch Siedlungsstrukturen der Völkerwanderungszeit des 4. Jahrhunderts n. Chr. Die chronologisch jüngste Phase stellt wieder einmal der Graben der Landesdefinitionslinie vom Anfang des 18. Jahrhunderts dar.

GVZ und Anschlußgleis 1997

Erweiterungsflächen im Güterverkehrszentrum sowie der Bau eines Anschlußgleises erbrachten im Trassenbereich intensive Siedlungsstrukturen der frühen und mittleren Bronzezeit sowie den Ausschnitt eines Schacht- und Brandgräberfeldes der Urnenfelderzeit.

Gewerbepark Nordost 1997

Bei den Erschließungsmaßnahmen und ersten Bauvorhaben wurden ca. zwei Hektar Fläche beobachtet. Untersucht wurden dabei die Reste eines Glockenbecherfriedhofes sowie Siedlungs- und Baustrukturen der frühen und mittleren Bronzezeit. Neolithische und keltische Streufunde belegen, daß die Erosion in diesem hochplateauartigen Gelände erheblich zum Verlust der wohl ursprünglich vorhandenen intensiven Siedlungsbefunde beigetragen hatte.

Oberhaunstatt Lenting Gashochdruckleitung 1997

In der mehr als 20 m breiten Nordsüdtrasse einer Gashochdruckleitung konnten zahlreiche, allerdings locker gestreute Siedlungsbefunde angeschnitten werden. Interessant waren dabei Hausgrundrisse und Strukturen der frühen und mittleren Bronzezeit, aber auch Siedlungsbefunde zahlreicher anderer vor- und frühgeschichtlichen Epochen. Die Arbeiten sind derzeit unterbrochen.

Nordostspange, Westparkspange, LKW Parkplatz 1998

Die genannten Baumaßnahmen schließen sich weitgehend an schon bekannte, zuvor untersuchte Befundareale an. So konnte im mittleren Abschnitt, insbesondere im Bereich des LKW-Parkplatzes eine früh- bis mittelbronzezeitliche Siedlung, das schon genannte urnenfelderzeitliche Gräberfeld, welches offenbar schon der mittleren Bronzezeit beginnt, festgestellt werden. Spätkeltische Baubefunde, die von möglichen Feldbewirtschaftungsstrukturen begleitet werden runden das Bild ab.

Mailing, Baugebiet Schindergrubäcker 1994 - 1998

Auf der Niederterrasse der Donau südlich von Mailing wurde ein Baugebiet von ca. 12 ha ausgewiesen. Durch Luftbildaufnahmen von Kreisgräben war zu vermuten, daß sich dort ein vorgeschichtliches Gräberfeld befindet. Die abhängig vom Flächenbedarf erfolgten Untersuchungen haben diese Vermutung bestätigt. Die bisher ältesten beobachteten Bestattungen gehen zurück in die mittlere Bronzezeit gefolgt von Schachtgräben der Bronzezeit Stufe D. Am weitläufigsten stellte sich die urnenfelderzeitliche Nekropole heraus. Die Hallstattzeit ist repräsentiert durch Körpergräber sowie durch Brandschüttungsgräber, welche an die Bestattungsriten der Urnenfelderzeit erinnern. Die derzeit jüngste Belegphase datiert in die mittlere Latènezeit und zeigte sich in Form von Körpergräbern. Darüber hinaus wurde periphär eine umhegte Hofanlage der Hallstattzeit dokumentiert. Zur späten Latènezeit wurde das Areal wohl landwirtschaftlich genutzt. Es fanden sich Grabensysteme, die wohl Feldabgrenzungen darstellten zusammen mit einigen Baubefunden.

Karl Heinz Rieder


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