Foto: Marc Köschinger Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Georgianum
Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2018
Universitäres Leben

Universitäres Leben

  • Bevor das Studium beginnen konnte, musste sich die Studenten in der Ingolstadt ein passendes Quartier suchen. Während Studenten, die am Heimatort immatrikulierten, in der elterlichen Wohnung bleiben durften, bestand für die meisten auswärtigen Scholaren anfangs „Bursenzwang“.
  • Eine Burse war einer Art Wohn- und Studierheim, das von einem Magister geleitet wurde, dem Konventor. Er erzog seine bei Studienbeginn oft erst 14 oder 15 Jahre alten Schützlinge zu Pünktlichkeit, Ordnung, Selbststudium und Verantwortungsbewußtsein.
  • Der Tagesablauf in der Burse war streng geregelt: Ab 5 Uhr läutete die Glocke zum Aufstehen. Eine ganze Stunde lang. Der Tag war ausgefüllt mit Kirchenbesuchen, Vorlesungen und Übungen. Während der einfachen, aber reichlichen Mahlzeiten, zu denen es täglich Bier und Wein gab, wurde disputiert, auf Lateinisch. Deutsch sprechen war generell verboten. Gemeinsame Wanderungen dienten dem Erlernen der lateinischen Worte für das Gesehene. Im Sommer schloß die Burse bei Sonnenuntergang, im Winter um 18 Uhr. Verstöße gegen die Bursenordnung wurden mit Geldbußen oder Ausschluß bestraft.

  • Der Bursenleiter konnte von den wöchentlichen Gebühren, die zwischen zwei bis acht Groschen betrugen, den Betrieb und seinen eigenen Lebensunterhalt decken.

  • Seit dem 16. Jh. lehnten immer mehr Studenten das unfreie Bursenleben ab, zogen in eigene (sturmfreie) „Buden“ in Gast- und Privathäuser oder wohnten als Kostgänger bei Professoren. Nur Professoren, die keine ledigen Töchter hatten, durften Studenten in ihre Häuser aufnehmen.

  • Kolleggründungen, Pestepidemien, Kriege und andere Gründe trugen zum Verfall des Bursenwesens bei. 1560 wurde der Bursenzwang abgeschafft.
  • In Ingolstadt sind elf Bursen schriftlich belegt, jedoch keine erhalten. Die „Adler-burse“ war vermutlich im heutigen „Gasthof Adler“ untergebracht.

  • Ursprünglich waren „Bursen“ Stipendien, die armen ortsfremdem Studenten Aufenthalt und Studium ermöglichten. Später verstand man darunter die Studiengebühren. Davon sind „Börse“ und „Bursche“ abgeleitet.

Hörner abstoßen

  • Vor der Immatrikulation, die innerhalb von drei Tagen nach Ankunft am Studienort zu erfolgen hatte, war fast jeder angehende Student seit Mitte des 15. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts einem Initiationsritus unterworfen, die „Deposition“. (lat.: Ablegen).

  • Die Deposition ist der Äquatortaufe und der Gesellenweihe verwandt. Studenten der älteren Semester wiesen den Neuen, Beanen oder Gelbschnäbel genannt, durch demütigende Grobheiten den untersten Platz in der Hierarchie zu.

  • Die Gelbschnäbel wurden als Tiere verkleidet, verspottet, verprügelt und geschoren. Mit hölzerner Zange, Beil, Schlichthobel und anderen überdimensionalen Marterwerkzeugen riß und schlug, schnitt und feilte der sogenannte Depositor den Neuen nach und nach Schweinszähne, Eselsohren, Felle und Hörner ab. Dadurch verwandelte er „Zottelböcke“ in Studenten. Die Ohren der Täuflinge kratzte er mit riesigen Löffeln aus, um sie der Gelehrsamkeit zu öffnen. Danach mußten die Beanen ein ekelerregendes Getränk und Pillen schlucken und sich mit Wagenschmiere die Gesichter salben lassen. Nach weiteren Foltern, die sogar zu Todesfällen führten, wurden sie zur Herausgabe der „Mutterpfennige“, des von zuhause mitgebrachten Geldes, genötigt. Zuguterletzt schüttete der Depositor jedem Gelbschnabel Wein über den Kopf und überreichte ihm eine Art Taufschein. Nun hießen die Neuen „Bacchanten“ oder „Pennale“. Die anschließende Feier mußten sie bezahlen.

  • Damit begann eine Leidenszeit, in der die jüngeren Studenten von den älteren geschlagen und erniedrigt wurden. Erst nach einem Jahr, sechs Monaten, sechs Wochen und sechs Minuten endete der Pennalstand mit einem Abschiedsessen.

  • Um 1500 wurde die Deposition zu einer offiziellen Zeremonie der Universität unter Aufsicht des Dekans der philosophischen Fakultät. Als Mittel der Disziplinierung und Unterordnung und als Einnahmequelle blieb die Deposition in Ingolstadt offiziell bis 1712 gebräuchlich.


Rundgang durch die Ausstellung (Tafeltexte)


Siehe auch:

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