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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Zeit des Wandels

 
Trotz der über Jahrtausende immer wieder genutzten Siedlungsgunst der Landschaft, trotz der bevorzugten verkehrsgeographischen Lange und nicht zuletzt trotz der intensiven Ausgrabungstätigkeit der letzten 25 Jahre liegen von der Ingolstädter Gemarkung und deren unmittelbaren Umland bis heute erstaunlich wenige archäologische Zeugnisse für das 5. Jahrhundert vor. Nur schlaglichtartig beleuchten Einzelfunde und wenige Grabfunde die Zeit des Übergangs zwischen Spätantike und Frühmittelalter.

Dieser als Völkerwanderungszeit bezeichnete Abschnitt ist geprägt von historisch überlieferten Verschiebungen auch größerer Bevölkerungsteile in ganz Europa in der Folge der hunnischen Westexpansion.

 

2005 wurde zwischen Zuchering und Oberstimm eine kleine Grabgruppe in der Nähe eines größeren Reihengräberfeldes ausgegraben, das bereits 1980 durch die Luftbildarchäologie bekannt geworden war. Etwa 300 m südlich eines spätantiken Burgus gelegen, könnte diese neu entdeckte Grabgruppe den östlichen Rand dieses größeren Friedhofes markieren. Zwei reiche Frauenbestattungen des frühen und mittleren 6. Jahrhunderts besitzen mehrere Besonderheiten, darunter eine ungewöhnliche Variante der „Vierfibeltracht“ der Älteren Merowingerzeit.

In Grab 2 lag eine um 510/20 bestattete Dame, der an der Stelle der „üblichen“ Bügelfibeln aus Silber zwei kleine Messer mit Griffhülsen aus geriffeltem Goldblech beigegeben worden war. Vor allem an der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert gehören sie als Essbesteck zur Ausstattung reicher Grablegen. Bei einer Dame dieses Ranges ist der Verzicht auf die in dieser Zeit geradezu kanonische Ausstattung der Kleidung mit vier Fibeln sehr ungewöhnlich. In der Verwendung der aus dem römischen Milieu stammenden Besteckmesser deutet sich dagegen durchaus die kulturelle Orientierung der wohlhabenden Bevölkerungsgruppen an.

 

Schon seit längerer Zeit zeichnet sich ein bald nach der Mitte des 5. Jh. einsetzendes Gräberfeld auf dem Donaunordufer im Stadtteil Gerolfing ab. Von dort stammt der Einzelfund einer einglättverzierten Drehscheibenschale. Zum selben Gräberfeld gehört die Bestattung eines Schwertträgers, die 1993 ausgegraben wurde.

Einzige Beigabe ist die Waffe des 30-40 jährigen Mannes, die an der rechten Seite der engen Grabgrube deponiert war. Zur Tragevorrichtung der Spatha zählt ein sogenannter „magischer Schwertanhänger“, der walzenförmig aus Meerschaum hergestellt ist. Der Träger der Waffe dürfte die Verhältnisse in unserem Abschnitt des spätantiken Donaulimes gut gekannt haben. Auf welcher Seite er dabei stand, ist derzeit noch nicht zu beantworten.

 

Aus Lenting und Irsching stammen weitere Frauengrabinventare des ersten Drittels des 6. Jahrhunderts, die ebenfalls nicht als Einzelgrablegen, sondern stellvertretend für größere Nekropolen zu sehen sind. Diese Gräberfelder wurden teilweise unentdeckt zerstört.

Ein ähnliches Schicksal teilt ein großes Gräberfeld der Merowingerzeit in Buxheim, das in Ausschnitten archäologisch ausgegraben wurde und ebenfalls bereits vor der Mitte des 6. Jahrhunderts einsetzt. Es verfügt über einen erstaunlich hohen Anteil an Gefäßbeigaben, wie er südlich der Donau unüblich ist.
Zusammen mit den dort beobachteten großen Grabkammern, in denen für den Verstorbenen und seine Beigaben bestimmte Positionen reserviert waren, lässt sich zumindest ein Teil der Buxheimer Gräber mit einer neuen historischen Entwicklung in Verbindung bringen.

Nach dem Tod des Ostgotenkönigs Theoderichs 526 rückten neue Ziele im Osten und Süden in das Blickfeld der fränkischen Merowinger.
Bald darauf (531/534) wurde dem Thüringerreich als engem Verbündeten der Ostgoten ein Ende bereitet. Die fränkische Einflusszone erreichte nun im Osten die Sächsische Saale, die Linie von der Regnitz zu Schwarzach und Altmühl und im Süden die Donau.
Die alte Provinz Rätien, die bis dahin einer ostgotisch-römischen Verwaltung unterstand, wurde nun von Theoderichs Nachfolgern aufgegeben.

Ziel der merowingischen Politik war es nicht, an diesen Grenzen halt zu machen. Zunächst mit eigenen Vorstößen und schließlich mit der Einrichtung des bajuwarischen Herzogtums bald nach 550 wurde der dauerhafte Zugriff auf den Weg nach Italien sichergestellt.
Das Gebiet zwischen Lech- und Altmühlmündung geriet damit erneut in das strategische Blickfeld. In diesem Zusammenhang mag es zu einer Verbreitung „fränkischer“ Grabsitten bis an die Donau gekommen sein.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 34-35.


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