Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Zuchering
Ingolstadts „Gegenüber" am südlichen Donauufer

 

Zuchering, heute ein Ortsteil von Ingolstadt, teilt mit der Altstadt den engen Bezug zur Donau. Eingeengt zwischen der Sandrach, dem ehemaligen Südarm der Donau im Norden und dem Donaumoos im Süden liegt die Ortschaft mit ihrer Feldflur an einer uralten Ostwestverbindung entlang des Stromes. In der Römerzeit verlief hier die bedeutende Donausüdstraße zwischen Augsburg und Regensburg.

Die Grundwasserflurabstandskarte, die die Distanz zwischen Erd- und Grundwasseroberfläche wiedergibt, hebt die Sandrach besonders hervor. Da das kleine Flüsschen die Grenze zwischen den Bistümern Eichstätt, Augsburg und Regensburg bildet, dürfte sie bei deren Festlegung wesentlich markanter gewesen sein. Möglicherweise verlief hier damals der Donauhauptarm, der im späten Mittelalter künstlich an Ingolstadt herangeführt wurde.

Im untersuchten Siedlungsareal waren alle Gebäude aus Holz errichtet. Die Standspuren ihrer Pfosten waren im hellen Kies gut erkennbar und zeigten den Verlauf der einstigen Baufluchten, manchmal sogar komplette Gebäudegrundrisse. Besonders auffällig ist, dass diese Baufluchten mit dem Verlauf der Weicheringer Straße übereinstimmen, sodass eventuell ein Bezug zu der Römerstraße bestand. Bei Baufälligkeit wurden die Holzgebäude teils mehrfach an Ort und Stelle oder leicht verschoben ersetzt, was auch andernorts zu beobachten war, wie in Unterigling, in Kirchheim bei München oder im württembergischen Lauchheim.

In Zuchering verteilen sich zudem die Funde aller Zeitstufen nach einer ersten Sichtung gleichmäßig über das Siedlungsareal. Die Konstanz von Baufluchten und Siedlungsarealen lässt es möglich erscheinen, dass schon bei der Anlage des Dorfes in der Merowingerzeit nicht regellos sondern nach allgemein akzeptierten Vorgaben gebaut wurde, die in der Folgezeit verbildlich blieben.

Der von archäologischer Seite gelegentlich angeführte Siedlungsabbruch an der Wende von der Merowinger- zur Karolingerzeit in Bayern ist in Zuchering nicht eingetreten. Das gilt auch für die Mehrzahl der anderen bekannten mittelalterlichen Siedlungsareale um Ingolstadt. Die damalige fränkische Einflussnahme in Bayern hat sich hier archäologisch bislang nicht durch einen Wechsel im Befund zu erkennen gegeben. Das Beispiel Zuchering führt eines klar vor Augen: Hätte sich um die Ingostädter Moritzkirche, deren Ursprünge ja in karolingischer Zeit angenommen werden, eine ausgedehntere Siedlung des frühen und hohen Mittelalters befunden, müsste sie bei den guten Erhaltungsbedingen in der Ingolstädter Altstadt archäologisch nachweisbar sein.

In der Zucheringer Siedlung wurde jedoch nicht nur gewohnt und gearbeitet. Einige der alten Zucheringer wurden hier auch bestattet. Ursprünglich waren die Toten außerhalb der Siedlungen in Einzelgräbern so nebeneinander beisetzte worden, dass sich im Verlauf der Jahrzehnte zahlreiche Reihen ergaben. Gemäß der in der Archäologie häufig angewandten Methode, Zeitabschnitte nach markanten Erscheinungen zu benennen, ist diese Zeit zwischen dem 5. und dem 7. Jahrhundert nach Christus auch unter dem Begriff Reihengräberzeit bekannt. Im Verlauf des 7. Jahrhunderts drang jedoch das Christentum in die alten Stammesgebiete der Bajuwaren ein und veränderte nicht nur die religiösen Vorstellungen der Menschen, sondern auch ihre Bestattungstraditionen.

Zunehmend orientierte man sich nämlich nun hin zu den neu errichteten Kirchen und suchte dort seine letzte Ruhestätte.

Doch Traditionen sind meist hartnäckig, und so ging dieser Übergang nicht abrupt vonstatten, sondern ist eher als ein langsamerBewegungsprozess zu betrachten. In einer Art Übergangszeit, in der man zwar nicht mehr auf den heidnischen Reihengräberfeldern bestatten wollte (oder durfte), die Bedeutung der Nähe der Kirche jedoch noch keineswegs erkannt worden war, griffen viele bäuerliche Siedlungen zu einer alternativen Lösung. Nahe ihren Häusern, auf eigenem Grund und Boden, legten sie kleine private Friedhöfe an, auf denen lediglich die Toten der eigenen Hausgemeinschaft beigesetzt werden sollten. Diese so genannten Hofgrablegen sind uns aus verschiedenen frühmittelalterlichen Siedlungen bekannt, und auch Ingolstadt-Zuchering macht hier keine Ausnahme.

Zwischen diesen verschiedenartigen Siedlungsspuren wurden insgesamt 30 Bestattungen freigelegt. Sie sind über die gesamte ausgegrabene Siedlungsfläche verteilt. Dabei lassen sich jedoch insgesamt fünf kleinere Konzentrationen feststellen, von denen die größte jedoch gerade mal sechs Bestattungen umfasst. Dreimal können je drei, in einem Fall vier Bestattungen zu jeweils einer Gruppe zusammengefasst und damit vermutlich einem Bauernhof zugewiesen werden. Acht weitere Gräber lagen dagegen zu weit von diesen bereits genannten Gruppen entfernt, um sie zweifelsfrei zuordnen zu können. Die alte, heidnische Sitte, den Toten Schmuck und Waffen in die Gräber mitzugeben, war damals nahezu erloschen.

Die Siedlung von Zuchering

Zuchering liegt außerhalb des Bistums Eichstätt und südlich des breiten Gürtels der Donauauen. Deshalb wird seine Zugehörigkeit zur villa Ingoldesstat nicht erwogen. Dennoch ist der Vergleich zwischen Ingolstadt und Zuchering in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Während Ingolstadt schon 806 genannt wird, taucht Zuchering erst im 12. Jahrhundert als „Zuohiringin“ in der schriftlichen Überlieferung auf. Aus Sicht der Archäologie ist die Situation gerade umgekehrt. In Ingolstadt fehlen bis heute Siedlungsspuren des frühen Mittelalters. Als dagegen in den 80er-Jahren zwischen dem östlichen Ortsrand von Zuchering und einem Baggersee ein Neubaugebiet ausgewiesen wurde, stieß man auf eine ausgedehnte Siedlung des frühen und hohen Mittelalters. Damit bestätigt sich das hohe Alter der Ortschaft, auf das schon der Ortsname mit „-ingen“-Endung hinweist.

Der dichte Befundteppich der früh- bis hochmittelalterlichen Siedlung gibt anschauliche Hinweise für die Suche nach Spuren des Kammergutes. Denn er zeigt, wie nachhaltig sich ein mehrere Jahrhunderte genutztes Siedlungsareal in den Boden „eingeprägt“ hat, das am Vorabend der Stadtwerdung Ingolstadts aufgegeben wurde. Vor allem die zahlreichen Brunnen, Abfallgruben und Grubenhäuser sind durch ihre dunkle Erdverfüllung und mitunter durch zahlreiche Funde bei Ausgrabungen leicht zu erfassen.

Ein besonders bemerkenswerter Fund ist der gut erhaltene Lehmmantelrest eines Verhüttungsofens. Er hatte sich in einem der zahlreichen Brunnen der Siedlung erhalten. Die Gewinnung von Eisen uns seine Weiterverarbeitung durch Schmieden spielte in Zuchering eine besondere Rolle. Der auffallend große Verhüttungsofen des 11./12. Jahrhunderts diente einem weit entwickelten Verhüttungsverfahren mit sehr hoher Eisenausbringung. Er ist jedoch noch kein Hochofen. Als Vergleich bauten Schüler des Apian-Gymnasiums Ingolstadt einen einfacheren Verhüttungsofen nach. Zur Eisengewinnung für ein Schwert (hier ein Beispiel des 9./10. Jahrhunderts aus dem Donaukies bei Großmehring) waren nach grober Schätzung 50 bis 70 kg Holzkohle nötig. Den Bau eines Kohlemeilers zeigt das Hintergrundbild.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, Gerd Riedel, S. 64-67.


Weiter mit: Die „Metaller" von Zuchering
Zurück zur Übersicht über die Ausstellung 2006 im Stadtmuseum Ingolstadt
Siehe auch:


Impressum - - - Nachricht an den Gestalter der Seiten: Kurt Scheuerer
Zur Auswahl Ausstellungen in Ingolstadt - - - Zur Auswahl Ingolstadt
Zur Auswahl virtuelles Donaumuseum - - - Zur Auswahl Materialsammlung Kurt Scheuerer