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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Ingolstadt - Ein frühmittelalterlicher Technologiestandort

 
Das 806 und 817 urkundlich bezeugte Kammergut mag gerade wegen seiner Lage an Donau und Schutter mit mindestens 2 Kirchen und 34 Hofstellen (mansi) gut ausgestattet worden sein, um eine wichtige Funktion im karolingischen Verkehrswegenetz und für den reisenden Königshof übernehmen zu können. Die bereits 841 erwähnten „beweglichen wie unbeweglichen“ Mühlen des Kammergutes wie auch die karolingerzeitlichen Grabungsbefunde in Nassenfels fügen sich gut in dieses Bild, zeugen sie doch von kontrollierter Bewirtschaftung und Regulierung der Wasserläufe.

Unmittelbar nördlich der Schutter wurde in Nassenfels eine gut erhaltene Kirche des 8./9. Jahrhunderts ausgegraben, die wohl die Funktionen einer klösterlichen Cella erfüllt hat. Die Kirche mit südlichem Annexbau und Friedhof wurde mit dem zugehörigen Hof innerhalb der damals noch erhaltenen Hofmauern einer der größten römischen villae rusticae Rätiens errichtet.

Die 841 erwähnten beweglichen und unbeweglichen Mühlen sind Anlagen, die von enormer Bedeutung für die damalige Wirtschaft und die Bevölkerung waren. Nachdem sie in der Urkunde in Verbindung mit Fließgewässern angeführt wurden, dürfte es sich bei ihnen um Wassermühlen handeln. Bemerkenswert ist hierbei nicht nur die durch die Schenkung belegte frühe Existenz solcher Mühlen, sondern vor allem auch die weitere Unterscheidung in bewegliche und unbewegliche Mühlen. Damit dürften einerseits fest installierte Wassermühlen gemeint sein, andererseits möglicherweise sogar Schiffsmühlen, die inmitten des Flusses verankert wurden.

Will man mehr über frühmittelalterliche Wassermühlen erfahren, so ist man letztendlich auf bislang wenige archäologische Bodenfunde angewiesen. Bedingt durch ihre Lage am Fluss, meist etwas abseits der zugehörigen Siedlung, ist deren Entdeckung dem Zufall überlassen. Nicht weit von Ingolstadt, bei Großhöbing im südlichen Landkreis Roth konnten von 1996-2001 im Schwarzachtal die Reste frühmittelalterlicher Mühlen freigelegt und dokumentiert werden. Im Auebereich traf man in mehreren Metern Tiefe auf Holzbefunde, die derzeit im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Dissertation am Bamberger Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit bearbeitet werden.

Die Hölzer waren in den Auesedimenten geradezu luftdicht eingepackt. Zudem sorgte der stets hohe Grundwasserspiegel für ausreichende, kontinuierliche Bodenfeuchte. In diesem Milieu konnten die Reste der Mühlen die Jahrhunderte nahezu unbeschadet überstehen. Wichtigster Bestandteil des Gesamtbefundes sind mehr als 260 Pfähle und 90 Palisadenhölzer. Ein Teil von ihnen befand sich in Pfahlreihen unterschiedlicher Ausrichtung, darunter eine Palisade, die als Stauvorrichtung gedient haben dürfte. Wichtig für die Aufschlüsselung der ehemaligen Baustrukturen ist allerdings die zeitliche Einordnung möglichst vieler Hölzer. Deshalb erfolgt deren Datierung anhand ihrer Jahrringe zur Zeit in der Holzrestaurierungsstelle des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Thierhaupten.

Der Gesamtbefund lässt aber schon jetzt deutlich erkennen, dass nicht nur ein Teil der ehemaligen Mühlengebäude, sondern auch der dazugehörigen wasserbautechnischen Begleitkonstruktionen, wie zum Beispiel der Mühlgraben, erfasst wurden. Neben diesen konstruktiven Elementen sind vor allem auch die Holzartefakte –insbesondere die zahlreich geborgenen Mühlradschaufeln- bemerkenswert, die weitere Rückschlüsse auf verschiedene Mühlradtypen erlauben.

In diesem Zusammenhang müssen verschiedene Mühlsteinfragmente gesehen werden. Zwei davon sind noch so gut erhalten, dass sich deren ursprüngliche Form und Größe nachvollziehen lässt. Den bisherigen Holzdatierungen zufolge wurde der Standort vom späten 6. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts genutzt.

In welchem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang sind die Großhöbinger und auch die Ingolstädter Mühlen zu sehen? Für weite Teile des frühmittelalterlichen Europas hatten die Wassermühlen große Bedeutung. Das sich im 8./9. Jahrhundert herausbildende System der Grundherrschaften mit seinen dezentral gelegenen Höfen hat die Ausbreitung der Mühlentechnik weiter begünstigt. Klösterliche Grundherrschaften wie auch weltliche Grundherren hatten das wirtschaftliche Potential, in größerem Umfang in Wassermühlen zu investieren. Die enorme Bedeutung dieser Mühle zeigt sich auch in ihrer besonderen Rechtsstellung. Als öffentliche Gebäuden mussten sie allgemein zugänglich sein.

Der Bau von Wassermühlen erforderte nicht nur erhöhten Kapitaleinsatz sondern besonders auch das Wissen und die Fähigkeiten von Spezialisten, die in der Lage waren, diese technischen Einrichtung anzulegen und im Betrieb zu halten. In den Grundherrschaften erlangten Müller als Betreiber damaliger Hochtechnologie daher eine besondere Stellung.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 126-127 und 42-45.


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