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Texte im Stadtmuseum Ingolstadt - Raum 10
Wiederverwendung römischer Bild- und Inschriftsteine, Sagenbildende Denkmäler

 
Neben bautechnischem Materialwert scheint antiken Bild- oder Inschriftsteinen und architektonischen Baugliedern während des Mittelalters auch sakrale Wertschätzung oder magisch-apotropäische Kraft zuzukommen, die zum Einmauern solcher Trümmer oder Spolien an meist unsichtbarer Stelle bedeutender Bauteile von Kirchen führt. Heidnisch-römische Spolien gehören wohl in den Vorstellungsbereich des mittelalterlichen Heiltums, worunter neben anderem auch Altertümer, Reliquien im Wortsinn, zu verstehen sind.
Die bei späteren Ausgrabungen und Renovierungen von Kirchenbauten entdeckten antiken Werkstücke werden dann oft in freigelegtem Zustand belassen. So kann es zur Schaustellung und mitunter zur Umdeutung von Spolien kommen.

Beispielsweise im Fall der Kirche Dünzlau, an deren westlichen Langhausecken jetzt zwei römische Bildsteine aus dem Fundament aufscheinen.
- Oder es wird die früher in der südlichen Außenwand der Kirche von Mauern befindliche römische Reliefdarstellung eines Ehepaars 1865 mit kapellenartiger Rahmung und Kreuzbekrönung versehen, da es sich um Heiligenfiguren handeln soll (der Grabstein jetzt im Innern der Kirche).
- Von den in Etting verehrten Drei Heiligen Elenden Archus, Herennius und Guardanus verdankt Herennius seinen Namen einem römischen Grabstein in Sekundärverwendung, der bei der 1627 vorgenommenen Erhebung der schon früher bekannten Heiligengräber angetroffen worden war. Der Stein selbst wurde danach durch Wallfahrer zwecks Devotionalien-Gewinnung zerstückelt, analog den an heiligen Orten käuflich Schabsteinen der alten Volksfrömmigkeit.
- Ein fragliches antikes Steindenkmal der Kirche Tholbath, nämlich das waagrecht eingemauerte Relief einer einbeinigen Männerfigur in kurzem gefaltetem Gewand (Tunika?) gibt wohl schon während des Mittelalters zur Bildung einer Sage mit archaischem Hammerwurf-Motiv Anlass: Im Verlauf einer Wette zweier Riesenbaumeister um die schnellste Errichtung der Kirchen in Tholbath und Weißendorf führt der rächende Hammerwurf des Unterliegenden zum Beinverlust und Tod und zur Darstellung des Gewinnenden.

Zu ähnlicher Sagenbildung kommt es auch um die größeren Geländedenkmäler und Landmarken. Der für den Steinrücken der verfallenen Limes-Mauer und für Römerstraßendämme übliche Name Pfahl und Pfahlranken (von lat. palus, Pfahl, Gepfähle) wird bereits in einer Grenzbeschreibung von 889 bezeugt.
Geländebildungen von derart langem und geradlinigem Verlauf wirken jetzt ebenso unerklärlich wie die gleichfalls Pfahl genannten riesenhaften Quarzgänge im Bayerischen und Böhmer Wald, sie erscheinen als Wunderbauten und Teufelswerk. Der Limes wird so zur Teufelsmauer oder zum Teufelsranken und entsprechend können wieder ausgewitterte natürliche Gesteinsrippen heißen.
Noch im weiteren Arbeitsgebiet des Museums, in Erkertshofen, knüpft sich an die Geistermauer des Limes das Sagenmotiv der Wilden Jagd, die während des Volksglaubens-Termins der Zwölfnächte oder Rauhnächte (25. Dezember - 6. Januar) statthat.
Oder der ebenfalls Pfahlranken genannte keltische Ringwall bei Manching wird im Volksmund mit dem allgemeinen Sagenmotiv einer versunkenen einstigen Stadt in Zusammenhang gebracht - Flurnamen und Lokalsagen als Geschichtsdenkmäler.

Dr. Rudolf Albert Maier, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt, ca. 1980


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