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K. Dietz:
Römischer Meilenstein aus Kösching

 
Ein neuer Meilenstein aus dem Jahre 201 n.Chr. aus Kösching
Landkreis Eichstätt, Oberbayern

Im Mai 1984 wurde in der Siedlung Gänsäcker II in Kösching anläßlich eines Wohnhausneubaus unmittelbar unter der Grasnarbe eine römische Meilensäule geborgen. Die Fundstelle liegt rund 1 km nordöstlich der Ortskirche, also des einstigen Kastellzentrums.
Der Stein zeichnet sich durch seinen vorzüglichen Erhaltungszustand innerhalb seiner Fundgruppe aus. Er weist lediglich einige Vertikalrisse im Zylinderbereich auf.
In der Höhe mißt er insgesamt 2,20 m, wovon auf die 48 cm breite, kubische Basis 66 cm entfallen. Der obere Durchmesser der Säule beläuft sich auf 44 cm.

Inschrift, Meilenstein von Kösching
Die Inschrift ist vollständig erhalten und in sorgfältiger Ordination in schönen und beinahe ebenmäßigen Buchstaben tief eingemeißelt.
In den Zeilen 9f. wurde der Name des Cäsars Geta nach dessen Ermordung 212 n. Chr. vorsätzlich ausgemeißelt.


Der Text lautet wie folgt (Abb. 65):

Imp(erator) Caesar
L(ucius) Septimius Severus Pius
Pertinax Aug(ustus), Arab(icus)
Adiab(enicus) Parthicus maximus,
pontif(ex) max(imus), trib(unicia) pot(estate) VIIlI,
Imp(erator) XII, co(n)s(ul) II, p(ater) p(atriae), proco(n)s(ul), et
Imp(erator) Caesar Marcus Aurel(ius)
Antoninus Pius Aug(ustus), trib(unicia)
pot(estate) IIII, proco(n)s(ul), [ et P(ublius)
Septim(ius) Geta nobilissimus Caesar, ]
vias et pont(es) rest(ituerunt).
Ab Aug(usta) m(ilia) p(assuum) LXII,
a Leg(ione) m(ilia) p(assuum) XXXIIII.

»Imperator Cäsar
Lucius Septimius Severus Pius
Pertinax Augustus, größter Sieger über Araber,
Adiabener und Parther,
Oberster Priester, mit Tribunengewalt zum neunten Mal,
zum zwölften Mal als Imperator begrüßt, zum zweiten Mal Konsul, Vater des Vaterlandes, Prokonsul, und
Imperator Cäsar Marcus Aurelius
Antoninus Pius Augustus, mit Tribunen-
gewalt zum vierten Mal, Prokonsul, und [ Publius
Septimius Geta, edelster Cäsar, ]
haben Straßen und Brücken wiederhergestellt.
Von Augusta (= Augsburg) 62 römische Meilen,
von Legio (= Regensburg) 34 römische Meilen.«

Foto: Kurt Scheuerer
Es handelt sich um den zweiten bei Kösching gefundenen Meilenstein. Der seit dem 18. Jahrhundert bekannte Altfund gehört freilich zu einer anderen, 195/215 n.Chr. erstellten Serie von Straßensäulen.
Dagegen wird der jüngst geborgene Stein durch die Angaben zur Tribunengewalt des Kaisers Septimius Severus (Herrscher von 193 bis 211 n. Chr.) und seines Sohnes und Mitaugustus - uns besser bekannt als Caracalla - in die Zeit zwischen 10. Dezember 200 und 9. Dezember 201 datiert. In diesen Monaten wurden in der Provinz Rätien umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen an mehreren großen, von der Provinzhauptstadt ausgehenden Straßen vorgenommen. Betroffen waren die Strecken von Augsburg zum Brenner, zur Innbrücke in Richtung Norikum, zum Bodensee und nach Regensburg.
Mit dem Neufund kennen wir jetzt insgesamt 14 Zeugnisse für diese Reparaturarbeiten. Gleichzeitig ist er der vierte Beleg für in jenem Jahr ausgeführte Bauten an der für den Nachrichten- und Verkehrsfluß höchst wichtigen Verbindungslinie zwischen dem Statthaltersitz am Lech und der dritten italischen Legion am Donauknie bei Regensburg.
Die Route führte über Burghöfe, Burgheim und Steppberg ins Limeshinterland, dort vorbei an Nassenfels, Kösching und Pförring bis nach Eining, wo sie in eine Donausüdstraße einmündete. Da diese Kösching tangierende Hauptstraße südlich der Flur Gänsäcker verlief, dürfte der neu gefundene Meilenstein in spät- oder nachrömischer Zeit aus unbekannten Gründen verschleppt worden sein. Sein ursprünglicher Standort war 62 römische Meilen von Augsburg und 34 vom Legionslager in Regensburg entfernt.
Die Angabe von zwei Zählpunkten war nicht besonders häufig, ist aber charakteristisch für die römischen Straßensäulen im Limesgebiet nördlich der Donau. Fünf Beispiele für diese Berechnungspraxis kennen wir jetzt. Von diesen ist der Köschinger Neufund am besten erhalten.
Er erinnert uns erneut daran, daß Regensburg um 200 n.Chr im offiziellen Amtsgebrauch keineswegs Castra Regina, sondern ganz einfach Legio hieß.

K. Dietz
Das archäologische Jahr in Bayern 1985. S. 110-111. Stuttgart 1986.
(Abgebildet ist die beim Kastell Pfünz stehende Kopie des Köschinger Meilensteines.
Foto: Kurt Scheuerer)


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