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Wilhelm Ernst:
Lage des Kastells Kösching


Kösching - Römerkastell Germanicum, 80-242 n.Chr.

Die Römer überschreiten die Donau

Dieser Fund vom Bau des Mädchenschulhauses ist aber auch noch von überörtlicher Bedeutung. Zum erstenmal erhalten wir nämlich durch ihn die Kunde, daß die Römer die Donau überschritten haben. Obwohl das Gebiet zwischen Alpen und Donau schon im Jahr 15 vor Christus von den Stiefsöhnen des Kaisers Augustus, Drusus und Tiberius, erobert worden war, ging die endgültige Besitznahme unserer näheren Heimat zögernd und langsam vor sich.

Erst seit der Regierungszeit des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.) läßt sich eine Kastellreihe an der Donau nachweisen. Ihr östlicher Eckpfeiler war Oberstimm bei Manching. Die umfassende Ausgrabung des fast quadratischen Kastells (132/111 m) in den Jahren 1968 bis 1971 durch die Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt, brachte die Erkenntnis, daß es sich auch hier noch um eine Befestigungsanlage der Pionierzeit handelt.

Aus Holz waren die Tore des Erdkastells, aber auch die eng aneinandergereihten Kasernen und Pferdeställe im Innern. Ihre Wände bestanden aus Flechtwerk mit Lehmbewurf. Unverhältnismäßig groß war eine Werkstätte, eine fabrica, in der verschiedene Handwerker für die Truppenversorgung arbeiteten. Dazu gab es eine Art Hospital und ein Zeughaus. Bildete dieses "Fort" einen Rückhalt für Reiterabteilungen, die den sozusagen "Wilden Osten" durchstreiften, ein Gebiet das sich bis Linz erstreckte und in dem sich für diese Zeit kein militärischer Stützpunkt nachweisen läßt?
Weil Oberstimm ungefähr in der gleichen Zeit, als in Kösching ein Kastell erbaut wurde, seine militärische Besatzung verlor, nahm die Heimatforschung bisher als selbstverständlich an, daß die Oberstimmer Garnison nach Kösching zog. Dem widerspricht Professor Hans Schönberger, der Erforscher des Kastells Oberstimm, ganz entschieden. Er meint, daß Kösching schon von Anfang an eine große Reitereinheit von 480 Mann und mehr als 500 Pferden besessen habe, die im Oberstimmer Kastell nie Platz gefunden hätten.
Das Vorrücken der Römer über die Donau im Jahre 80 n. Chr. hatte keinen offensiven Charakter. Der Traum von einem römischen Germanien war damals schon ausgeträumt. Eine kürzere Verbindung zwischen Donau und Rhein zu schaffen, sollte das Ziel sein. Der Angelpunkt für diese neue Straßenführung war Eining an der Donau. Als man dann 10 Jahre später diese Straßenroute, die man zugleich als Reichsgrenze ansprechen kann, noch weiter nach Norden verschob, wurde Kösching zum Angelpunkt. Anstatt nach Gaimersheim und Nassenfels führte sie von nun an über Hepberg, Pfünz nach Weißenburg. Es entstand die allgemein bekannte "Römerstraße", die an vielen Stellen, besonders in den Wäldern, noch gut erkennbar ist. Mit der weiteren Verlegung nach Norden und ihrer endgültigen "Erstarrung" zum Limes wurde Kösching Etappengarnison.


Wo lag das Kastell?

Sicher hat auch das Kastell selbst im Laufe der Zeit eine bauliche Veränderung mitgemacht. Wieder ist es eine Bauinschrift, die uns weiterhelfen kann. Sie stammt aus dem Jahre 141 n. Chr. und enthält auch den Namen der damaligen Truppe. Lange Zeit wurde die, wie üblich, stark abgekürzte Inschrift mit Ala I Flavia civium Romanorum gedeutet. Schon von dem berühmten Theodor Mommsen gefordert und durch Militärdiplome bestätigt, wird jetzt die Reitereinheit Ala I Flavia Gemelliana für diese Zeit dem Kastell als Truppe zugeschrieben. Allgemein nimmt man an, daß damals das Kastell, wie viele andere, in Stein ausgebaut wurde. Ob es sich um die gleiche Anlage handelt zu der die Bauinschrift von 80 n. Chr. gehört, ist schwer zu sagen.

Bronzegefäß. Foto: Stadtarchiv Ingolstadt.
Daß es südlich davon noch ein älteres Erdkastell gegeben hat, zeigte sich in der Schillerstraße beim Bau der Häuser Nr. 1 und 2, aber auch im Graben der Wasserleitung (1954).
Hier wurde mehrmals ein Spitzgraben angeschnitten, der nach dem Neubau des Kastells der Garnison wohl als Abfallplatz diente.
Er lieferte uns neben anderen Funden das wertvolle Salbengefäß aus Bronze (siehe Titelbild).

Bronzegefäß. Foto: Stadtarchiv Ingolstadt.


Kösching, Plan von 1868.
Aus vielen im Laufe der Zeit gemachten Beobachtungen läßt sich Lage und Gestalt des jüngeren und zugleich letzten Kastells, wie folgt bestimmen.
Im Mittelpunkt - und das ist eine wertvolle Vorstellungshilfe - steht heute die Pfarrkirche.
Die Westflanke dürfte wohl in irgendeiner Form mit dem mittelalterlichen Marktgraben identisch sein.
Die Südfront verlief ungefähr in der Straße "Ludwigsgraben".
Zwei feste Punkte konnten für die Ostflanke gefunden werden. Im Garten des Rablbauern grub
der Ingolstädter Heimatforscher Major H. Witz im Jahre 1931 die Fundamentgrube der Kastellmauer mit zwei davorliegenden Spitzgräben aus. Auch beim Bau der Kanalisation im Jahre 1960 ließ sich diese Flanke festlegen. Bei seinen fast täglichen Beobachtungen des Kanalisationsbaues im Jahre 1925 fand Witz den Verlauf der Nordfront genau zwischen der Kugelgasse und der Marktstraße. Es gelang ihm damit, die von dem Gymnasialprofessor Fink um 1900 angenommene Nordflanke zurückzuverlegen und damit die Größe des Kastells auf ein Normalmaß, wie es auch das Kastell Pförring (193/200 m) besitzt, zurückzuführen.


"Bei Kesching ain alt purgstall"

Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß eine systematische Ausgrabung, wie sie in Oberstimm durchgeführt wurde, in Kösching nicht möglich war, daß man aber doch im Laufe der Zeit immer wieder versuchte, Köschings römische Vergangenheit aufzudecken. Den Anfang machte, wie könnte es anders sein, Bayerns berühmter, erster Geschichtsschreiber, Johann Turmair, genannt Aventinus. "Bei Kesching ain alt purgstall, genannt Cesarea, drei alt römisch stain mit geschrift; daselbst wirt noch auf den heutigen Tag ausgeackert alte römische müns, silbren, kupfren, gulden," schreibt er in seiner ersten Skizze der Bayerischen Chronik (1519). Er fand auch im Jahre 1509 die eben genannte Bauinschrift von 141 n. Christus. Der Name "Cesarea" für Kösching beruht auf einem Irrtum, der von Ph. Apian und Gewold übernommen wurde. In Wirklichkeit nennt die bekannte "Tabula Peutingeriana", eine Straßenkarte des römischen Reiches, die in einer späteren Fassung erhalten ist, eine Straßenstation "Germanicum", die man mit guten Gründen an der Stelle des heutigen Köschings sucht. Boissard, ein begeisterter und berühmter Sammler römischer Inschriften aus Besancon, muß auf seiner Reise im Jahre 1547 in Kösching gewesen sein. Auch Marcus Weiser, Augsburg, besaß von den genannten Steinen eigene Abschriften.

Im Jahre 1778 waren Professoren von der evangelischen Universität Altdorf bei Nürnberg zu Besuch in Ingolstadt, um die Verhältnisse an einer katholischen Universität zu studieren. Einen Nachmittag verbrachte man auf dem Erlachhof (heute Shell-Raffinerie), der den Bartholomäern, einer Weltpriestervereinigung, gehörte, und spazierte zum nahen Kösching, um dort die Spuren des ehemaligen Römerkastells zu besichtigen.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begann man sich eingehender mit der Altertumsforschung zu befassen, wobei freilich oft Mittelalterliches und Römisches verwechselt wurde. Zu nennen sind hier Konsistorialrat Redenbacher aus Pappenheim, Fr. Anton Mayer, Pfarrer von Gelbelsee, und Andreas Buchner, der durch seine "Reisen auf der Teufelsmauer" bekannt wurde.

Im Jahre 1890 grub im Auftrag der Kommission zur Erforschung der Urgeschichte Bayerns Gymnasialprofessor Fink, München, mit Malermeister Ferdinand Ott, der sich sowohl als Chronist als auch als Sammler geschichtlicher Altertümer große Verdienste erwarb, im "Gemäuert" einen umfangreichen römischen Gebäudekomplex aus. Die Flur mit diesem bezeichnenden Namen zieht sich an der gesamten Südfront des mittelalterlichen Marktes hin und ist heute schon besiedelt. Die Ausgrabungsstätte von 1890 liegt zwischen dem heutigen Mühlweg, in dem bei Haus Nr. 9 elf Jahre später ein Schatzfund gemacht wurde, und der Sebastianstraße. Das Ergebnis dieser Ausgrabung wurde in einem Plan festgehalten, der an die 30 verschiedene Gebäudereste enthält. Er ist im einzelnen nicht zu deuten, weil man es damals noch nicht verstand, die verschiedenen Bauperioden voneinander zu trennen. Selbstverständlich wurden in diesem Bereich bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder römische Spuren angetroffen, so vor allem beim Baumsetzen. Beim Wasserleitungsbau in den fünfziger Jahren stieß man in der Sebastianstraße auf ein 10 Meter langes Gewölbe aus Bruchsteinen und so hartem Mörtel, daß ein Preßluftbohrer eingesetzt werden mußte. Als man mit einer Feuerwehrspritze Erde einzuspülen versuchte, verschwand das Wasser gurgelnd in den Hohlräumen.

Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man in diesem Bereich nicht nur die Villa des Kommandanten sucht, sondern auch eine Badeanlage - der nahe Brunnhauptenbach spricht dafür - und vielleicht noch eine mansio, also eine Herberge.

Major Witz. Foto: Stadtarchiv Ingolstadt.
Doch fahren wir in der Entdeckungsgeschichte weiter! Nach dem ersten Weltkrieg beobachtete Major Witz alle Bodenbewegungen. Er legte seine daraus gewonnenen Beobachtungen und Erkenntnisse in dem Aufsatz "Beiträge zur Siedlungsgeschichte von Kösching" (Sammelbl. des Hist. Vereins Ingolstadt 1933) nieder, der außerdem nicht nur viele interessante Hypothesen, sondern auch kulturphilosophische Gedanken im Sinne Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" enthält.

Als kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Siedlung im Westteil des Gemäuerts gebaut wurde, konnte Dr. J. Reichart, Ingolstadt, viel Neues und Interessantes feststellen, das er im Ingolstädter Sammelblatt des Hist. Vereins 58/1940 veröffentlichte. Dasselbe tat der Verfasser dieses Aufsatzes in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg.

Alle Genannten hatten als Helfer den Maurer Josef Meier, genannt "Gschweller Sepp", der bis zu seinem Tode im Jahre 1957 mit Eifer und Sachkenntnis römische Funde sammelte - er wurde dafür zum Ehrenbürger ernannt - und auf diese Weise eine sehenswerte Sammlung zusammenstellte, die jetzt in der Schule untergebracht ist.

Aufschluß an Aufschluß, wie Mosaiksteinchen zusammengesetzt, ergeben neben dem bereits Angeführten folgendes Bild: Sowohl im Bereich der Schillerstraße als auch in dem der Klosterstraße scheinen Schwerpunkte der römischen Besiedlung außerhalb des Steinkastells gewesen zu sein. Die vielen Gefäßreste, welche die Sumpf- und Moorzonen des Riedes enthielt, dürfen wohl dahin gedeutet werden, daß auch der unmittelbar anschließende Bereich, also auch das Gebiet nördlich und östlich des Steinkastells bewohnt war.


Das Brandgräberfeld "In der Schwärz"

Die Friedhöfe der Römer liegen außerhalb ihrer Siedlungen an einer Straße. Von den Straßen nach Pförring, Feldkirchen und Mailing scheidet für den Köschinger Römerfriedhof die erste aus, weil sie hinter dem Ortsteil auf den Waidhausberg hinaufführte. Für ein römisches Gräberfeld an der bekannten Heerstraße Hepberg-Pfünz spricht die günstige Lage und vor allem der recht vielsagende Name "In der Schwärz". Es ist anzunehmen, daß die Bauern beim Pflügen in den Äckern südlich der genannten Römerstraße öfters auf dunkle Stellen stießen, die wohl von den Verbrennungsplätzen der Römer herrührten. In einer flachen Mulde wurden die Leichen auf dem Scheiterhaufen verbrannt und dann die Reste an der Straße entlang beigesetzt. Daß auch die Bestattungen vom Pflug angeschnitten wurden, ist wenig wahrscheinlich, da sich diese, wie es sich herausstellte, 40 bis 60 cm tief im Boden befanden. Lesefunde wären dann auf diesem durch den Namen so verdächtigen Feld sicher mehr gemacht worden. Erst als die "Schwärz" Siedlungsgebiet wurde, kamen mehr Funde ans Tageslicht und man kann nun mit Sicherheit sagen, daß hier das Brandgräberfeld der Garnison "Germanicum" war. Gut lassen sich aus dem Fundmaterial die Begräbnissitten der damaligen Zeit ablesen. Auf dem Scheiterhaufen lag nicht nur der Tote, sondern auch Gegenstände seines persönlichen Gebrauchs, an deren Resten man die Wirkung des Feuers gut erkennen kann. Von den Bilderschüsseln sprangen die Fußringe ab. Die einzelnen Teile lagen verschieden lang im Feuer. Es finden sich daher hellrotbraune, fleckig dunkelbraune und graue Scherben. Geschmolzenes Glas von Gefäßen tropfte auf den Boden, umhüllte Holzkohlenstückchen, deren Formen noch genau zu erkennen sind. Der Leichenbrand selbst, aus Asche und kalzinierten Knochen bestehend, wurde in Gefäßen bestattet. Ihm wurden wieder Töpfe als Grabbeigaben beigesetzt. So waren in dem Brandgräberfeld auch gut erhaltene Gefäße zu finden.

Sicher war die Gräberstraße in Richtung Hepberg keine "Via Appia" mit großen Denkmälern. Doch dürften auch hier einmal Grabsteine gestanden haben, die auffällig, wie sie waren, verschleppt wurden. Einer davon, der Grabstein des Julius Genialis, eines sechzigjährigen Veteranen, dient heute in der Peterskapelle als Altarstein. Wahrscheinlich gehören auch die zwei Grabsteine an der Kirche in Demling und ein Grabstein, eingemauert im Untergeschoß des Kirchturms in Oberdolling, auf dem ein Ehepaar mit Kind dargestellt ist, nach Kösching.

Grabstein. Foto: Stadtarchiv Ingolstadt.
Ein besonderes Geschick traf den Grabstein des Varius Montaninus.
Zum erstenmal verzeichnete ihn Aventin im Jahre 1509,
nach Boissard stand er 1547 "ante aedem cuiusdam rustici",
also vor dem Hause eines Bauern.

Dann blieb er jahrhundertelang verschollen.
Der Grabstein wurde nämlich mit der Schriftseite nach unten als Steinstufe beim Anwesen "Saliter", Töpferstraße 7, benützt.
Als diese im Herbst 1954 durch eine Betonschwelle ersetzt wurde, kamen die Schriftzeichen zum Vorschein.
Josef Meier konnte ihn für das Museum Ingolstadt retten.

Der Text des Steines lautet zu Deutsch:
"Den Schattengöttern!
Marcus Varius Montaninus lebte 22 Jahre,
seine Mutter Varia Gemina ließ ihm den Stein setzen."
Der Vater war wohl schon verstorben.

Wilhelm Ernst
Castell Germanicum
80-1980 Kösching
1900-Jahr-Feier
Sonderausgabe des Bayern-Journal. Ingolstadt 1980. S. 9 bis 20.


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