Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Die Funktionsweise des Karlsgrabens

 
Der Karlsgraben war wohl kein durchgehender Kanal, sondern eine dem Gelände angepasste Weiherkette mit flach ansteigenden bzw. geneigten Schlepprampen. Geländevermessungen durch den Topographen H. Kerscher während der Jahre 1992 und 1993 konnten im Rezatried die schwach ausgebildeten Begrenzungswälle der ehemaligen Fahrrinne ca. 1000 m weiter nach Norden verfolgen. Um die naturräumlichen Bedingungen besser überblicken zu können, wurde 1992 eine thematische Höhenlinienkarte angefertigt; die Höhenlinien als Indizien für die Geländeformen wurden dabei aus den modernen topographischen Karten übernommen, das Gewässernetz dagegen aus den frühesten Flurkarten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, weil sie damals noch ihren alten, herkömmlichen Verlauf hatten. Durch diese Karte kam zur Geltung, dass die Geländeschwelle nordwestlich des Nagelberges die kürzeste Strecke durch die Wasserscheide geboten hat.

Die Baumeister der Karolingerzeit haben somit die optimale Stelle für die Anlage einer Fahrrinne ausgewählt, weil dort die Talaue der Altmühl (begrenzt durch die Höhenlinie 410 m über NN) unmittelbar an den Fuß des Geländerückens mit der Wasserscheide (bei 421,50 m über NN) anschließt. Für den Anstieg einer künstlichen Fahrrinne – in Art einer Kette von Stauweihern - in das ca. 10 m höher gelegene Rezatried war dies weit und breit die günstigste Geländesituation.

Für die Nutzung eines Wasserweges ist außer der Fahrrinne für die Boote vor allem eine ausreichende Wassermenge notwendig.

Lange ging man davon aus, dass die junge Rezat nicht genügend Wasser liefern könne. Übersehen wurde dabei, dass auch von Westen her ein kleiner Bach zufloss, den erst der Bau der Eisenbahn abgeriegelte. Außerdem führt ca. 900 m nördlich der Rezat der Kühlenbach aus der nächsten Talklinge eine beträchtliche Wassermenge hinzu; er mündet ungefähr in jenem Bereich in die Rezat, bis zu dem die Spuren der ausgebauten Fahrrinne nach Norden zu verfolgen sind. Außerdem wurde schon 1993 bemerkt, dass das heutige Bachbett der Rezat, unmittelbar neben der Straße Dettenheim - Grönhart, nicht dem natürlichen Gefälle folgt.

Bereits vor mehreren Jahren wurde ein Flachmoor ermittelt, das aus dem Rezatried zungenartig nach Süden reicht. Auf dieses Niedermoor muss der Rezatbach von Natur aus zugeflossen sein.

Offensichtlich hat man die Rezat umgeleitet auf den Knickpunkt der Fahrrinne der Fossa Carolina, der zugleich den künstlichen Scheitelpunkt der ganzen Strecke bildet.

Schon seit einigen Jahren war aufgefallen, dass zu beiden Seiten der Rezat das Gelände recht unterschiedlich geformt ist; nördlich davon schließt ein breit gezogener sichelförmiger Erdwall an, der dem leicht gekrümmten Lauf des Baches folgt. Nach Süden zu fällt das Gelände neben der Straße ca. 2 m tief steil ab. Für die dortigen Äcker ist in der ältesten Flurkarte von 1833 der Name „Seeäcker“ eingetragen. Der frühere funktionelle Zusammenhang wurde im Herbst 1998 endlich klar, denn alle Wiesen und Böschungen waren abgemäht und so das Geländerelief gut erkennbar. Eindeutig zeigte sich, dass die heutige Gemeindestraße auf dem Südteil eines alten Dammes verläuft, der an seiner Krone mit 25 bis 30 m auffallend breit ist. Nach Norden zum Rezatried geht er in eine lange gleichmäßige Böschung über. An der Basis dürfte der Erddamm mindestens 60-70 m breit gewesen sein.

Auf ca. 400 – 500 m Länge sperrte somit der Damm eine annähernd dreieckige Geländesenke, d.h. einen natürlichen Talkopf ab, in dem sich ein Stausee von ca, 300 – 400 m Länge bilden konnte.

Gespeist wurde der Stausee in erstere Linie von der Rezat, die am Nordost-Ende zugeleitet werden konnte, während der Abfluss am Westende gelegen haben muss. Bei einem Wasserstand von ca. 1 m konnten nach den Berechnungen des Wasserbauingenieurs D. Lauer mindestens 40 000 - 50 000 cbm gespeichert werden.

Durch den archäologisch geschulten Bodenkundler M. Hilgart wurden noch im Spätherbst 1998 festgestellt, dass im Bereich des vermuteten Staubeckens ca. 50-60 cm unter der heutigen Ackeroberfläche eine alte Humusschicht vorhanden ist, die auch unter dem Staudamm hindurch zieht. Die Größe des Rückhaltebeckens mag überraschen; doch schon in der bekannten karolingischen Krongutsverordnung, dem „Capitulare de villis“ wird angeordnet, bei königlichen Wirtschaftshöfen die Fischteiche gut zu pflegen oder neue anzulegen. Der Bau und Betrieb aufgestauter Fischweiher war somit gängige Praxis im frühen Mittelalter.

Der neu entdeckte Rückhaltesee macht es in Verbindung mit den übrigen neuen Geländebeobachtungen wahrscheinlich, dass die Fossa Carolina bereits zu einem funktionstüchtigen Betriebssystem ausgebaut war. Besonders wichtig erscheint, dass auf Grund der Lage des Speichersees etwas oberhalb des künstlichen Scheitelpunktes der Fahrrinne das aufgestaute Wasser dank des Gefälles (5-6 m Höhendifferenz auf ca. 500 m) mit eigener Kraft zu dieser Stelle geleitet werden konnte. Je nach Bedarf konnte sowohl in Richtung Südwesten (zur Altmühl) wie auch nach Norden (zur Rezat) das Niedrigwasser ausgeglichen werden.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 118-125.


Weiter mit: Wasserfahrzeuge in der Karolingerzeit
Zurück zur Übersicht über die Ausstellung 2006 im Stadtmuseum Ingolstadt
Siehe auch:


Impressum - - - Nachricht an den Gestalter der Seiten: Kurt Scheuerer
Zur Auswahl Ausstellungen in Ingolstadt - - - Zur Auswahl Ingolstadt
Zur Auswahl virtuelles Donaumuseum - - - Zur Auswahl Materialsammlung Kurt Scheuerer