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Vertiefende Anmerkungen zur Archäologie
Brandopferplätze in Bayern und Tirol

 
Von Anfang an scheinen die Menschen der Vorzeit nicht nur ihre konkret erfahrbare Welt wahrgenommen zu haben, sondern sahen sich auch von höheren Mächten abhängig. Diese offenbarten sich nur durch geheimnisvolles Wirken, das für den Menschen verderbliche oder glückbringende Folgen hatte. Kontakte zu höheren Mächten waren dementsprechend lebensnotwendig, um das Gedeihen des Einzelnen wie der Gemeinschaft, der er angehörte, zu sichern. Opferhandlungen waren immer Bestandteile von Ritualen, die der Umgang mit höheren Mächten erforderte. Die Plätze, die man im prähistorischen Mitteleuropa für Rituale aussuchte, sind sehr unterschiedlich. Es sind oft Naturformationen geologischer Art wie große Findlingssteine, Felsnadeln, Moore, Seen, Felsspalten und Höhlen, auch alleinstehende, auffällige Bäume; das Außergewöhnliche der äußeren Erscheinung faßt diese Plätze zusammen.

Die Art des Opfers, das Brandopfer, kennzeichnet die Brandopferplätze. Brandopfer sind eine uralte Form, um mit höheren Mächten zu kommunizieren. Dem Brandopfer liegt die Vorstellung zugrunde, daß das Feuer das Opfer reinigt und dieses dann in reiner Substanz in eine höhere Sphäre übergeht. Das Brandopfer verbindet so die irdische mit der himmlischen Welt. Prähistorische Brandopferplätze sind Naturheiligtümer; sie liegen in unterschiedlichen topographischen Lagen immer unter offenem Himmel, sind unterschiedlich groß und auch unterschiedlich lange genutzt worden. Ihre Tradition läßt sich über 2000 Jahre hinweg verfolgen. Die ältesten mitteleuropäischen stammen aus der frühen Bronzezeit (um 1800 v. Chr.), der jüngste aus der römischen Kaiserzeit (2. Jahrh. n. Chr.).
Der größte bekannte Brandopferplatz (15.-10. Jahrh. v. Chr.) ist der vom Langacker bei Reichenhall, dessen Überreste noch im 19. Jahrhundert als 4 m hoher und 32 m langer Hügel aus verbrannten Tierknochen zu sehen waren. Ein kleiner Platz fand sich bei Kundl im Tiroler Inntal, wo vier große, im Abstand von etwa 1 m kreisförmig aufgestellte Steine ein einmaliges Brandopfer von Tieren und Getreide umschlossen (2. Jahrh. v. Chr.), Eindrucksvoll durch seine Lage ist der 2510 m hoch gelegene Brandopferplatz auf dem Schlern in Südtirol; man kann dort heute noch verbrannte Tierknochen auflesen. Es gab offenbar große Brandopferplätze von überregionaler Bedeutung, an denen über Jahrhunderte hinweg Opfer gebracht wurden und nur lokal wichtige, kleinere Plätze.

Zu einem Brandopferplatz gehörte im Allgemeinen ein Altar: Das kann eine Lehmtenne sein, auch ein großer Stein oder ein Steinunterbau, der durch Opferrückstände und Asche in die Höhe wachsen kann. Die Opfergaben wurden vielfach in bestimmten festgelegten Bereichen des Brandopferplatzes niedergelegt, oft in Gruben (sog. Bothroi).

Am auffallendsten an Brandopferplätzen sind die Anhäufungen von verbrannten Tierknochen. Es sind die Überreste der Opfertiere, meist nur die Schädelstücke und Beinknochen von Haustieren: Schafe, Ziegen, Schweine und Rinder. Man hat den höheren Mächten die fleischarmen Stücke zugedacht, während die fleischreichen von der Gemeinschaft im Kultmahl verzehrt wurden. Diese Art der Aufteilung beschrieb der griechische Dichter Homer beispielsweise für das spätbronzezeitliche Griechenland (13./12. Jahrh. v. Chr.). Die olympischen Speiseopfer des 7./6. Jahrh. v. Chr. führten die Tradition fort: Fett und Knochen den Göttern, der Rest der Tiere als Mahlzeit für die Menschen.

Diese Aufteilung hat wohl zwei Aspekte, einen ökonomischen und einen religiösen. Der ökonomische besagt, daß man sich unter der Vorgabe, von jedem geschlachteten Tier ein Opfer bringen zu müssen, aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sah, dazu die minderwertigen Teile zu nehmen, um Nahrungsreserven zu schonen. Verfechter einer religiösen Begründung für die Aufteilung in fleischreiche und -arme Stücke führen diese letztlich auf altsteinzeitliche Jagdrituale (15.000-10.000 v. Chr.) mit ihrer Vorstellung zurück, daß Knochen und Fell als wesentliche Tierteile geopfert werden müßten, um die Regeneration des Wildes sicherzustellen; nicht Abfall, sondern gerade die wertvollsten Teile würden demnach den Göttern bzw. höheren Mächten zugedacht.

Von Anfang an sind an nahezu allen Brandopferplätzen Tieropfer mit einer Mahlzeit verbunden, wie aus den umfangreichen Funden von Keramik hervorgeht. Die Mahlzeiten muß man unter unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten. Zum einen steht das Fleisch von den Opfertieren zur Verfügung, nachdem die höheren Mächte ihren Anteil erhalten haben. Der andere Gesichtspunkt führt in den transzendenten Bereich: Der Verzehr von Fleisch eines Opfertieres schafft eine Verbindung mit den höheren Mächten. Bei Opferhandlungen in einer Gemeinschaft hat das Kultmahl auch die Funktion, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe auszudrücken und zu stärken. Opferhandlung und Kultmahl festigen demnach einerseits die Gemeinschaft der Menschen untereinander und andererseits die zwischen Menschen und höheren Mächten.

Im Fundmaterial von Brandopferplätzen kommt in der Regel zum Ausdruck, was der Gemeinschaft oder dem Einzelnen als Opfer wichtig war. Ein charakteristisches Kennzeichen dieser Opferfunde ist ihr ruinöser Zustand. Die Keramik, also das Geschirr, das man bei den Mahlzeiten dort benutzt hat, ist zerschlagen, die Metallgegenstände sind teils verbogen, teils zerstückelt. Was ist der Grund für diese Handlungsweise? Vordergründig denkt man zunächst, daß die Zerstörung den Raub durch Dritte verhindert. Das ist sicher richtig, dürfte wohl aber kaum die Hauptrolle gespielt haben. Eigentum von höheren Mächten, an einem heiligen Platz deponiert, war tabuisiert. Ein Aspekt der Zerstörung liegt wohl darin, daß die Gabe dann von dem, der sie weihte, nicht mehr zurückgenommen und wiederverwendet (profanisiert) werden konnte. Dieser Ausschluß der Wiederverwendung zwang dann die höheren Mächte dazu, die Gabe anzunehmen und machte es unmöglich, sie zurückzuweisen. Die Annahme der Gabe verpflichtete dann aber auch zu einer Gegenleistung im Sinne des Opfernden.

Die ältesten Opferfunde sind Getreidereste und landwirtschaftliche Geräte wie Sicheln. Sie verweisen auf Kulthandlungen, die mit dem Ackerbau in Zusammenhang stehen. In der Spätbronzezeit (13.-9. Jahrh. v. Chr.) erscheinen als neue Komponente Bronzeschlacken und –gußkuchen, die zeigen, daß wohl die Metallurgie den wichtigsten Zweig im wirtschaftlichen Leben bildete (Brandopferplätze im Sarntal, Südtirol). An eisenzeitlichen Brandopferplätzen (7.-1. Jahrh. v. Chr.) findet man vielfach Kleidungszubehör und Schmuck (Fibeln, Arm- und Halsringe), Waffen und Gerät, Amulette, also Gaben von Frauen und Männern (St. Walburg im Ultental, Südtirol; Pillersattel bei Fließ, Nordtirol). Am Brandopferplatz auf dem Spielleitenköpfl bei Farchant (7.-5. Jahrh. v. Chr.), Lkr. Garmisch-Partenkirchen, opferten nur Männer, Bronzegießer und Eisenschmiede, wie das Fundspektrum aus Resten von Metallverarbeitung zeigt; Kleidungszubehör und Schmuck von Frauen fehlt. Mit zunehmendem römischen Einfluß, im Südalpenraum (Südtirol, Trentino) seit dem 2. Jahrh. v. Chr., verschwinden diese traditionellen Sachopfer allmählich und werden durch Geldopfer ersetzt. Nördlich der Alpen halten sich die Brandopferriten bis in das 2. Jahrh. n. Chr. (Brandopferplatz am Forggensee im Allgäu); dann verdrängte der römische Götterhimmel die prähistorischen höheren Mächte.

Dr. Amei Lang, München, 1999


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