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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Ingoldesstat und die Fossa Carolina Karls des Großen

 
Bei der Betrachtung des Karlsgrabens bei Treuchtlingen nordwestlich von Ingolstadt werden Dimension und Bedeutung der Eingliederung Ostfrankens und der Regionen an der mittleren Donau in das karolingische Reich deutlich. Das „Fossatum Magnum“ ließ Karl der Große nach der Überlieferung in den frühmittelalterlichen Reichsannalen im Jahre 793 zwischen Altmühl und Rezat anlegen. In den Annales Regni Francorum, einer Art halboffizieller Hofberichterstattung, wird überliefert, dass Karl nach dem ersten Awarenfeldzug von 791 sich in den zwei folgenden Jahren noch in Regensburg aufhielt. Von dort aus fuhr er im Herbst 793 mit dem Schiff flussaufwärts „ad fossatum magnum inter Alcmana et Radantia“. Dort traf er Gesandte des Papstes und einen Boten aus Sachsen, der ihm von einem erneuten Aufstand berichtete. Auf Rezat, Rednitz und Main fuhr Karl später mit dem Schiff nach Würzburg, um im Kiliansdom das Weihnachtsfest zu feiern.

Mit ähnlich kurzen Formulierungen berichten die meisten Handschriften der Reichsannalen von Karls Besuch auf der großen Baustelle. Lediglich ein heute in der Nationalbibliothek in Wien aufbewahrtes Exemplar des 9. Jahrhunderts aus dem Kloster Göttweig an der Donau schildert ausführlich und fast malerisch ausgeschmückt den vermeintlichen Misserfolg des Grabenbaus. Die Reichsannalen sind jedoch nicht im Original, sondern nur in Abschriften erhalten, die erst nach dem Tode Karls des Großen in den Klosterbibliotheken abgeschrieben und ergänzt worden sind. Unmittelbare Zeugnisse des wagemutigen Bauwerkes sind dagegen die ansehnlichen Überreste im Gelände.

Schon öfter wurde hervorgehoben, dass die Fossa Carolina eine der außergewöhnlichen Ingenieurleistungen des frühen Mittelalters sei, ohne dass man bisher den gesamten Umfang dieses technischen Bauwerkes erkannt hatte. Denn die bisher stets als Zeugnis des unvollendeten Bauvorhabens genannten zwei hohen Erdwälle nördlich des Dorfes Graben sind nur ein besonders markantes Teilstück eines erheblich umfangreicheren Bauensembles, dessen teilweise unscheinbare Reste im Gelände wenig auffielen und erst durch mehrjährige Geländeprospektionen und günstige Vegetationszustände sich zu erkennen gaben.

Bemerkenswert an der Notiz zum Jahr 793 ist noch, dass Karl der Große bei seinem Besuch an der Altmühl auch Gesandte des Papstes („missi apostolici“) getroffen hat. Anscheinend wurden im Voralpenland und im ehemaligen Limesgebiet die von den Römern angelegten Straßen für den Nah- und für den Fernverkehr, z.B. nach Italien, bis weit in das Mittelalter hinein noch rege benutzt. Mit Blick auf Ingolstadt stellt sich so die Frage nach der Rolle des Flüsschens Schutter als möglicherweise wichtigem Gewässerabschnitt auch dem Weg vom Rhein über Altmühl und Donau nach Italien. Der Weg über die Altmühlmündung bei Kelheim hätte flussaufwärts durch den Weltenburger Donaudurchbruch geführt. Auf der alten Römerstraße zwischen Pfünz an der Altmühl und Nassenfels an der Schutter wäre die gefährliche Flussenge über die villa Ingoldesstat am Zusammenfluss von Schutter und Donau umgehbar gewesen.

Historisch gesehen lag die Fossa Carolina in der südöstlichen Grenzregion des in das Maingebiet und weiter nach Osten expandierenden Karolingerreiches, im Südosten benachbart den Siedlungsgebieten der Bajuwaren zwischen Regensburg und Linz. Eine ausschlaggebende Rolle spielten in diesem politischen Spannungsfeld seit 791 die militärischen Aktionen des Frankenreiches gegen die Awaren in Pannonien. Auch wirkten sich die wiederholten Auseinandersetzungen mit den Sachsen im norddeutschen Küstengebiet bis in das Rhein-Main-Gebiet aus.

Heute gehört der Karlsgraben zum Regierungsbezirk Mittelfranken und liegt ca. 70 km südlich von Nürnberg, zwischen den beiden Städten Weißenburg und Treuchtlingen, an jener Stelle, wo die Gewässernetze von Main und Altmühl am dichtesten aneinander stoßen. Unmittelbar beim Dorfe Graben liegen jene viel bestaunten Erdwälle und die Grabenspur dazwischen, die den flachen Geländerücken der europäischen Wasserscheide (bei 421,50 m über NN) durchschneiden.

In der topographischen Karte ist die Lage in einem alten Taldurchbruch durch die Schichtstufe des Fränkisch-Schwäbischen Jura deutlich zu erkennen. Die nach Nordosten ziehenden Erdwälle sind im Bereich der Wasserscheide teilweise noch 10 –12 m hoch und mit Wald bestanden; sie sind heute Naturschutzgebiet und stehen ebenfalls unter Denkmalschutz. Am heutigen Südende ist ein Weiher aufgestaut, der nicht von einer Quelle gespeist wird, sondern das Sickerwasser aus dem im Norden anschließenden Rezatried sammelt.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 118-125.


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