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Georg CLAINER - Forscherneugier und Lehrbegier
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 13 - Ausgabe Nr. 127 vom 15.11.2023

Clainer oder Cleiner, auch Klainer und natürlich dann Kleiner – wer einen solchen Namen hat, muss mit vielen Varianten rechnen und hat es schwer, sich per Namen hervorzutun. Georg Clainer gelingt das.

Er wählte dazu den Weg der Wissenschaft. Er studierte an der Hohen Schule von Ingolstadt, der Bayerischen Landesuniversität, ging auf akademische Wanderschaft, kam nach Ingolstadt zurück, schloss sein Theologiestudium hier ab, lehrte erneut – und galt schließlich als hervorragender Gelehrter mit guten Griechisch- und Hebräisch Kenntnissen.

Wer kein „Vermögen“ hat, muss „Wissen“ erwerben – der eine, um es zu erringen und zu bewahren, der andere, um es zu teilen. Es gibt ihn, den Weg zu Auskommen und Ansehen durch akademische Brillanz, so nennt man es, wenn Hochschul-Lehrer messerscharfe Traktate schreiben, zum Staunen der europäischen Kollegen, wenn diese (selten) neidlos oder (meist) neidvoll Zustimmung nicken. Solche Gelehrte sind Zierden ihrer Hohen Schulen, an denen „alles, was des Denkens, des Forschens, des Hinwendens und des Herdrehens würdig ist“ angepackt, seziert, klassifiziert, systematisiert wird.

Die einen „forschen“ lieber, die anderen „lehren“ gern. Beides aber geht Hand in Hand. Wer will schon von Einem belehrt werden, der sich selbst nicht forscht? Und nur wer in neue Dimensionen des Denkens vorstößt, findet Schüler, die in seinem akademischen Dunstkreis Belehrung und dann ihren eigenen Weg finden wollen.

Clainer ist solch ein Suchender und Strebender.

1574 wird er in Herbertingen im Sigmaringer Umfeld geboren. Von Herkunft, Kindheit, Jugend ist nichts bekannt, außer seinem Eintritt im Januar 1592 in das Gymnasium in Dillingen. Knapp drei Jahre später wurde er – als Absolvent der Rhetorik – in die Gesellschaft Jesu aufgenommen.

Von dort schickte man ihn für den ordensüblich-vorgeschriebenen Dreijahreskurs (1596 bis 1599) an den Ort, der wie kein anderer für europäische Spitzentheologie stand. Hier hatte der Große Gregor von Valencia, der doctor doctorum, eine ganze Generation brillanter Theologen herangezogen, seit er 1575 seine 17 Jahre dauernden Vorlesungen an der Ingolstädter Universität aufgenommen und als einer der großen Theologen des ausgehenden 16. und des beginnenden 17. Jahrhunderts das Denken der Zeit geprägt hatte. 1592 hatte er seinen Lehrstuhl an seinen Schüler Jakob Gretser weitergereicht – einen in der späteren Zeit nicht minder bekannten Theologen und herausragenden Autoren des Jesuitentheaters. Gregor hielt aber noch bis 1597 für seine Mitbrüder Vorlesungen, Privatkollegien ab. Clainer hat also wohl mit Gregor unter einem Dach gewohnt und Gretser als prägende Figur der in ganz Europa angesehenen Ingolstädter Jesuitenschaft erlebt.

1599 wird Clainer an das Münchner Haus der Jesuiten befohlen, das in Rufnähe zum Herzen der Macht, der Residenz der baierischen Herzöge stand, um am dortigen Gymnasium zu unterrichten, ein Lehrer also, der Lernenden den Weg weisen soll – der aber (1601 bis 1604) seine eigenen Studien (in einer der „Höheren Fakultät“) der Theologie (natürlich in Ingolstadt) absolviert – die dauern vier Jahre: der maßgebliche Theologe ist nun Jakob Gretser, der bis 1605 scholastische Theologie unterrichtet und sich anschließend der Moraltheologie widmet, ein Mann der unermüdlich schriftstellerisch wirkt, theologisch höchst begabt ist, und den die Universität sogar von Lehrverpflichtungen freistellt, um ihm Zeit und Raum für sein literarisches Wirken zu schaffen.

Es dürfte für Clainer nicht einfach, aber prägend gewesen zu sein, unter einem Dach (in häuslichen wie im intellektuellen Sinn) zu leben.

1604, am Ende seiner theologischen Studien, empfing Clainer die Priesterweihe. 1605 bis 1608 lehrte er als Professor für Philosophie in Dillingen, kam 1609 nach Ingolstadt zurück, um hier einen weiteren philosophischen Kurs zu halten. Danach lehrte er in Konstanz, war Rektor des Kollegs in Hall, Novizenmeister im Tertiat in Ebersberg.

Als „Kommilitone“ muss er in seiner „Universitätszeit“ das Ideal der „Gemeinsam Lehrenden und Lernenden“ gelebt haben – man gewinnt den Eindruck, dass er bei seinen Studenten beliebt und ein durchaus gesuchter Begleiter, vielleicht weniger ein Anleiter war.

Unter seinem Vorsitz gab es in Ingolstadt nicht weniger als 14 philosophische Disputationen. Wenn sie auch inhaltlich keine bahnbrechenden Neuigkeiten, keine Explosionen der wissenschaftlichen Erkenntnisse, keine Durchbrüche im natur- oder geisteswissenschaftlichen Denken bringen, zeigen sie doch, „ein überdurchschnittliches Maß an Aufgeschlossenheit gegenüber aktuellen Fragen der zeitgenössischen Naturwissenschaften“, zum Beispiel in der Erforschung dieser „verborgenen Kräfte der natürlichen Dinge“, wie sie von seriösen Verfechtern der damals in Blüte stehenden Alchemie und anderen Anhängern der „magia naturalis physica“ betrieben wurden.

Clainer starb am 5. März 1620 in München.