Seiteninhalt

Johann Georg LORI – vom Gastwirtssohn zum Hofbeamten und Diplomaten
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 13 - Ausgabe Nr. 122 vom 01.09.2023

Zum 300. Geburtstag des ehemals Ingolstädter Professoren.

Vor 300 Jahren, 1723, kam Johann Georg Lori im Gasthof Zum Gründel bei Steingaden zur Welt. Eine Hausgeburt. Vater Augustin war dort der Wirt.

1787 starb er in Neuburg an der Donau – dorthin hatte ihn neun Jahr zuvor Kurfürst Karl Theodor verbannt, nachdem sich Lori den Plänen des Landesherrn, widersetzt hatte, Bayern auf dem Weg des Tausches an Österreich zu verschachern und dafür die spanische Niederlande von Habsburg zu übernehmen, die zusammen mit seiner Pfalz ein geschlossenes Gebiet darstellen würden.

Dazwischen liegt ein ausgefülltes Leben als Hofbeamter und Diplomat einerseits, als Hochschullehrer und Akademiker andererseits, was letzteres ihn zu zwei verschiedenen Zeiten in Funktionen der Lehre wie der Universitätsverwaltung nach Ingolstadt führte.

Glück hat der Gastwirtssohn insoweit, als es in Steingaden eine Klosterschule gibt, die ihn über das Jesuitengymnasium in Augsburg 1740 an die Universität Dillingen, 1744 an die Würzburger Universität führt.

Dort traf er wohl auf Johann Georg Weishaupt (den Vater des Illuminaten-Gründers Johann Adam Weishaupt), der bei Johann Adam von Ickstatt Jura studierte und anschließend als öffentlicher Repetitor tätig war, bis ihn Icksatt, der ab August 1746 Direktor der bayerischen Landesuniversität war, als ordentlichen Professor nach Ingolstadt holte.

Auch den jungen Lori holte sich Ickstatt, Wirklicher Geheimer Rat, Vizepräsident des Kurfürstlichen Revisoriums und damit beauftragt, die Landesuniversität „in Flor und Ansehen“ zu bringen, als seinen juristischen Repetitor nach Ingolstadt. Als Universitätsdirektor war er rangmäßig nur dem Rektor Magnificus nachgeordnet, galt als der starke Mann der Universitätspolitik und Lori war sein Assistent. In der juristischen Fakultät war Ickstatt Primarius und Professor für „jus publicum, naturae et gentium et jus oeconomico-camerale“. Mit zusätzlichen Ämtern und Aufgaben betraut, umgab er sich mit Helfern und Vertrauten, suchte sich durch geschickte, aber von Nepotismus nicht freie Personalpolitik in der Fakultät und an der Universität Rückhalt aufzubauen – zumal ein neuer juristischer Lehrplan eingeführt wurde.

Ludwig Hammermayer beschreibt sein Wirken an der Universität so: „Als Haupt einer ‚Loge von Wolffianern‘ verketzert, führte Ickstatt 1746/47-1752 die unvermeidlichen Auseinandersetzungen mit den an der theologischen und philosophischen Fakultät bestimmenden Jesuiten und Weltgeistlichen in der Regel maßvoll und geschmeidig. Zensuransprüche der Theologen auch auf juristische Werke und Vorlesungen sowie Denunziationen bei Hofe wegen Verwendung ‚akatholischer‘ Lehrbücher wies Ickstatt meist erfolgreich zurück… (Er) vermied tiefgreifende Konfrontationen und fand mit den Jesuiten einen modus vivendi, weil er die Universitätsreform auf die juristische und die medizinische Fakultät begrenzte.“

Den (Vater) Weishaupt hatte Ickstatt 1746 als Professor für Institutionen, Strafrecht und allgemeine Rechtsgeschichte nach Ingolstadt geholt.

Lori folgte ihm als juristischer Repetitor und übernahm 1749 als außerordentlicher Professor Kriminalrecht und Rechtsgeschichte; 1751 wurde er zweiter Ordinarius der Institutionen.

Aus dieser Zeit stammt sein „Commentatio de prima origine et progressu juris Boici civilis antiqui, qua historia juris patrii a prima Boiorum memoria usque ad initia saeculi XIV ex genuis fontibus illustratur“, 1748 in Ingolstadt erschienen.

1750/1751 wurde Lori eine Reise nach Rom bewilligt. Er nutzte sie zur Katalogisierung der Bayern und die Pfalz betreffenden Handschriften der Palatina, der 1622 nach Rom verbrachten, zu ihrer Zeit berühmtesten und bedeutendsten Büchersammlung Deutschlands.

1752 geriet Lori aber auch, seiner der Aufklärung folgenden Haltung wegen, in Richtungskämpfe mit den Theologen der Universität, was ihn sein Lehramt kostete (und zu einem entschiedenen Gegner der Jesuiten machte, wovon im Zusammenhang mit seiner zweiten Ingolstädter Schaffensperiode noch zu reden sein wird).

Eine Mode der damaligen Zeit war die Gründung Gelehrter Gesellschaften: der junge Weishaupt (dessen Taufpate übrigens Ickstatt gewesen war) gründete bekanntlich (1776) in Ingolstadt den Geheimbund der „Perfektibilisten“, bald schon „Illuminaten“ genannt (,der allerdings weniger akademisch denn politisch ausgerichtet war). Der etwa gleichaltrige Franz von Paula Schrank war im „Landwirtschaftlichen Verein“ und im „Polytechnischen Verein“ zu Gange und hatte mit dem Juristen und Historiker Carl Sebastian von Hellersberg die „Ephemerides Litterariae“, die erste gelehrte Zeitschrift der Universität gegründet.

Ersatzweise wurde Lori (als Hofrat) in das Münz- und Bergkollegium berufen. Das ermöglichte ihm weite Reisen und stand der zeitgemäßen Bestrebung nahe wissenschaftlichen Fortschritt in praktischen Nutzen für die Landesentwicklungen zu überführen. Literarisch entstand aus dieser Tätigkeit Loris „Sammlung des baierischen Bergrechts, mit einer Einleitung in die baierische Bergrechtsgeschichte“, 1764 in München erschienen. 1765 schickte er eine dreibändige „Sammlung des baierischen Münzrechts“, ebenfalls in München verlegt, hinterher.

Schon in seiner ersten Ingolstädter Zeit hatte Lori sich um die Gründung einer gelehrten Gesellschaft bemüht. In seiner neuen Tätigkeit war er nun mit der europäischen Akademiebewegung bekannt geworden. 1758 gründete er die „Baierische Gesellschaft“, aus der 1759 durch Kurfürstliche Entschließung die Churbaierische Akademie der Wissenschaften erwuchs, deren ständiger Sekretär Lori 1759 bis 1761 war und deren Historikerklasse er bis 1760 (und ein Jahr lang auch 1771) als Direktor vorstand.

Ab 1762 war Lori auch – wie vor ihm Ickstatt – mit außenpolitischen Werken betraut und mit den Vorverhandlungen in Regensburg bezüglich des Ausscheidens Bayerns aus dem Siebenjährigen Krieg befaßt.

1764 wurde er Vorstand des Äußeren Archivs und der Kurfürstlichen Gesandtschaft zur Kaiserwahl Josephs II. in Frankfurt beigeordnet. Allerdings fiel er vorübergehend in Ungnade, weil er sich gegen die Verheiratung der Schwester des Kurfürsten mit Joseph wandte.

1768 dann wurde er Geheimer Rat und Referendar beim Departement für Auswärtige Angelegenheit.

All dies hielt ihn nicht ab, sich literarisch-wissenschaftlich-juristisch zu betätigen. So erschien 1764 (in München) seine „Sammlung des baierischen Kreisrechts“, 1765 seine „Geschichte des Lechrains von 1030-1765“. Aus Ingolstädter (und aus universitätsgeschichtlicher) Sicht bedeutsam ist sein Beitrag „Abhandlung von Ludwig dem Reichen, Herzogen in Baiern, Stifter der Hohen Schule zu Ingolstadt“ in den Abhandlungen der Churbaierischen Akademie der Wissenschaften (7/1772).

1775 ist das Jahr seiner Rückkehr zu Universitätsangelegenheiten. Er wird zum Konrektor der Universität ernannt, steht wieder an der Seite seines alten Förderers Ickstatt. Der hatte sich 1772 als Mitglied der Ingolstädter Jesuitenaufhebungskommission für den Verbleib (unentbehrlicher) Jesuiten an der Universität eingesetzt, in den folgen Jahren dann die reformerischen neuen Professoren aus den Prälatenorden gegen die Exjesuiten gestützt. Gegen deren wachsenden Einfluß sollte ihn Lori nun als Stellvertreter und designierter Nachfolger unterstützen. Als Ickstatt 1776 stirbt, wird aus dieser Nachfolge nichts. Lori wird lediglich in der „Kommission für Universitätssachen“ Referent für die juristische Fakultät.

1778 ist Lori – wie eingangs beschrieben – an den Verhandlungen mit Joseph II beteiligt, mißfiel mit seinen Ansichten und wurde nach Neuburg geschickt.