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Peter Steuart - brillant in Wort und Tat
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 14 - Ausgabe Nr. 136 vom 15.03.2024

Vor 400 Jahren starb der belgische Jesuit Peter Steuart – ein glänzender Theologe, einflussreicher Wissenschaftsmanager, großherziger Mäzen und Anwalt der Ärmsten, der in Ingolstadt tiefe und bis heute wirksame Spuren hinterlassen und Einrichtungen geschaffen hat.

Ehe er als Professor der Theologie an der Bayerischen Landesuniversität – vom Landesherrn, Herzog Wilhelm V. persönlich – berufen wurde, hatte er dort keinen geringeren als Gregor de Valencia vertreten, den unbestritten größten Theologen der Zeit nach dem Tridentinum, den „doctor doctorum“, den Lehrmeister einer ganzen Generation von Theologen. Die Hohe Schule zu Ingolstadt wurde damals zur geistigen Rüstkammer der Gegenreformation (oder, wie Leopold von Ranke schrieb: „Ingolstadt bekam, aber in entgegengesetztem Sinn, eine Wirksamkeit wie sie Wittenberg und Genf gehabt“ hatten. Um dort – an Stelle des Gregor von Valencia – zu unterrichten und wenig später in seine Fußstapfen zu treten, musste man schon ein begabter Theologe sein).

Was über diese theologische Bedeutung hinaus, (die heute naturgemäß nur mehr von Philosophen und Theologen gewürdigt und in ihrer Bedeutung anerkannt wird), Steuarts Andenken in Ingolstadt so hoch hält, waren seine Bemühungen für die Benachteiligten unter seinen Nächsten in der Stadt. Er stiftete allein aus seinen persönlichen Mitteln (1617) das Waisenhaus (das bis heute als Stiftung fortbesteht, die seinen Namen trägt). Auch die Christusfigur am Pfeifturm, unter der heute täglich tausende Bürgerinnen und Bürger vorbeiziehen (und um die sich alte Ingolstädter Legenden ranken, die Emmi Böck gesammelt hat), ist ein Geschenk an seine Mitbürger. Dass er die Universitätsbibliothek durch Zuschüsse aus eigenem Beutel unterstützte, zeigt einen dem Wohl der Mitmenschen und dem Gemeinwohl der Stadt in der er lebte, dem Interessen der Universität, für die er arbeitete, zugewandten Menschen, Priester wie Mann.

In moderne Begriffe gefasst: er war ein meinungsstarker kompetenter Mann, dem man sein Engagement auch deshalb abnehmen musste, weil er nach den verkündeten Maximen selbst auch täglich lebte und sich deshalb in bester Weise „Glaubwürdigkeit“ erwarb. 

Am 1. Mai 1598 wurde er zum Pfarrer der ältesten Ingolstädter Pfarrei St. Moritz (die alteingesessenen Ingolstädter reden von der „Unteren Pfarr“) bestellt. Sein ferner Nachfolger, (unserer Zeit), der Monsignore Dr. Johann Baptist Götz, der 1915 bis 1928 Stadtpfarrer von St. Moritz war (und eine akribische Bestandsaufnahme Ingolstädter Grabsteine vornahm) hat darauf verwiesen, dass sich „Steuart durch fromme und karitative Stiftungen bleibende Dankbarkeit bei den Nachgeborenen erworben hat“ und verweist darauf, dass eine Straße in der Altstadt seit dem 19. Jahrhundert seinen Namen trägt…“

Ein Erinnerungsort besonderer Art aber ist Steuarts Grabstein an der Nordwand in der Moritzkirche, ein großes barockes Monument aus Kalkstein mit Rotmarmorumrahmung. Es zeigt, von Säulen gefasst in der Mitte den knieenden Stifter, dem seine Patrone Maria, Mauritius und Petrus (bittend für ihn) zur Seite stehen. Die darunter liegende Schrifttafel klärt über den Verstorbenen auf, bittet den vorbeikommenden Wanderer um seine fromme Fürbitte und erwähnt ausdrücklich, dass er – in voller Absicht, um die christliche Fürsprache der Überlebenden bei Gott anzumahnen – schon zu seinen Lebzeiten dieses Denkmal habe setzen lassen.

Und er tut kund. Er ist gar nicht hier bestattet.

1619 war er, einer der bedeutendsten Kirchenmänner in Bayern, von seinen Ämtern an der Universität und in der Moritzpfarre zurückgetreten – und nach Lüttich heimgezogen, ein Abschied aus „Alters- und Gesundheitsgründen“. Das heißt nicht, dass er dort nicht noch eine beachtliche Altersrolle gespielt hätte. 1622 „resigniert“ er von allen Ämtern.

Insoweit wird es im Rahmen dieser Erzählung dringlich, darzulegen, wie alles begann.

Peter Steuart war 1547 - eben: - in Lüttich zur Welt gekommen. Vater Jean war Schneider, die Mutter Catherine Hoen Tochter eines Brauers in Elmuzt.

Woher auch immer die nötigen finanziellen Mittel stammten, Peter Steuart, schreibt Beatrix Schönewald (im Biographischen Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München) begab sich zum Studium der Philosophie nach Rom und trat in das Collegium Germanicum ein. Er war kein wirklicher Jüngling mehr, fast fünfundzwanzig, als er noch vor der Priesterweihe Rom verließ und sich am 22. November 1571 zum Studium der Theologie an der Universität Ingolstadt immatrikulierte.

Erste Anmerkung: der Aspirant auf die Promotion der Theologie musste mithin seine philosophische Befähigung als Magister oder ersatzweise einen anderen Ausweis seines akademischen Könnens erworben haben.

Zweite Anmerkung: Bischof Martin (von Schaumburg) von Eichstätt verlieh dem noch Theologen–Studierenden ein Kanonikat am Willibaldschor und übertrug ihm – noch während seines Studiums (wohlgemerkt an einer der „höheren Fakultäten“) - die Leitung des Willibaldinums in Eichstätt. Über all dem wurde ihm die Pfarrei Adelschlag zugewiesen.

Man musste schon mit besten Zeugnissen und gehörigem Rückenwind von Rom nach Ingolstadt gekommen sein, um derart vorzüglich willkommen geheißen und wirtschaftlich abgesichert zu werden.

1580, als Steuart im Wintersemester die Ehre zu Teil wurde, den großen Gregor de Valencia auf seiner Lehrkanzel zu vertreten, war er dreiunddreißig Jahre alt – ein gestandener Mann.

1584 wird er zum Doktor der Theologie promoviert und (neben Robert Turner und Paul Vizanus) von Herzog Wilhelm V. zum Professor der Theologie an die Universität berufen.

Dass Turner (1546-1599) und Vizanus (1540-1589) mit Steuart eine Art „Dreierbande“ bildeten mit entsprechenden Hintergrund-Biographien soll hier nicht vertieft werden.

Steuart übernahm 1584 die Professur für Exgese. Und behielt sie 34 Jahre (bis 1618). Das langjährige Überdauern (in heftig kontroversen Ämtern), so hat es der französische Präsident der Republik François Mitterrand formuliert, ist ein Hinweis auf besondere Kompetenz sowohl in der Sache wie auch im Durchsetzungsvermögen und letztlich ein Eintrittsbillet in den Kreis der geschichtlich des Erinnerns Würdigen.

Als Exegesen-Kapazität macht sich Steuart einen Namen durch seine Kommentare zu fast allen Paulus-Briefen.

Weithin berühmte Werke stammen aus Ingolstädter Verlags-Druckereien.

  • 1592: Epistolae D. Pauli ad Galatos expos.;
  • 1593: Exegesis in epistolam ad Ephesios;
  • 1607: Epistola D. Pauli ad Thessalonicenses posterior, ad certas quasdam conclusiones paraphrasistice revocata.

Die „Apologia pro Societate Jesu“ von 1594 war „eine großartige Verteidigungsschrift für den Jesuitenorden, die bald auch in deutscher Sprache aufgelegt wurde“. (Beatrix Schönewald).

Ein anderes Kapitel ist mit der Betrachtung von Steuarts Wirken an der Universität zu beschreiben. Seiner Tätigkeit, seinem Bemühen nicht als Lehrender sondern eher als Gestalter des „Wissenschaftsbetriebs“.

Tatsache ist: er strebte an und er erlangte Einfluss in allen wichtigen Universitätsangelegenheiten.

1584, man erinnere sich, hatte ihn der Herzog zum Professor berufen und schon im Sommersemester 1585 bekleidete er das Amt des Rektors. Dann wird er (im Zuge der auf eine Verlängerung der Amtszeit abzielenden Rektoratsreform) im Oktober 1585 erneut gewählt – und vom Herzog bestätigt. Als Rektor sandte er Berichte über den Zustand der Universität und alljährlich zu erstellenden Namenslisten berühmter Studenten an den Landesherrn. 1604 übernahm er Aufsichtsaufgaben bezüglich der Geschäftsführung des Universitätskämmerers, und 1616/1617 stand er der Universität erneut als Rektor vor. 1619 trat er aus gesundheitlichen und Alters-Gründen von Professur, Vizekanzellariat und als Moritzpfarrer zurück.

Im Biographischen Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität schreibt die langjährige Direktorin des Ingolstädter Zentrums Stadtgeschichte Beatrix Schönewald, Steuarts Verdienset „lagen neben seinen literarischen Aktivitäten in der energischen und erfolgreichen Tätigkeit als Rektor und Vizekanzler der Universität. Vor allem der Vollzug der Statuten unter seiner Leitung veranlasste die Universität, Steuart trotz häufiger Abwesenheit im Amt zu bestätigen“ und Götz hält fest, dass ihm oft die heikle Aufgabe zufiel, zwischen den weltlichen Professoren und dem jesuitischen Teil des Lehrkörpers zu vermitteln, was ihm meist gelang, da er von allen Seiten hochgeschätzt war.

Erzherzog Ferdinand von Habsburg, der 1619 als Ferdinand II. deutscher Kaiser und ein entschiedener Vertreter der Gegenreformation war, pflegte während seiner Ingolstädter Studienzeit persönlichen Umgang mit Steuart. Die Bildung vom Fürsten zu verlässlichen katholischen Regenten entsprach dem jesuitischen Projekt. Eine ganze Reihe von Prinzen, Wittelsbacher wie Habsburger, haben in Ingolstadt ihre katholische Grundprägung erhalten, so auch der wohl bedeutendste der bayerischen Herzöge und Kurfürsten Maximilian.

1619 kehrte Steuart in seine Heimatstadt Lüttich zurück. Er hatte dort ein Kanonikat zu St. Lambert, und wirkte auch als „collegiate ad Sanctos Apostolos praepositus“ in Köln. Unter Bischof Ferdinand von Bayern war er als Generalvikar tätig.

1622 legte er die Ämter nieder. Im Alter von 75 Jahren (und nicht von 78 Jahren, wie auf seinem Epitaph steht) ereilte ihn in Lüttich der Tod. Den Zurückgebliebenen blieb nur eines zu tun, nämlich das Todesdatum, den 27. April 1624 auf seiner Gedenktafel nachzutragen.