Seiteninhalt
09.12.2023

„Unsere Menschen“

Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt

Die Ausstellung „Unsere Menschen“ im Stadtmuseum Ingolstadt behandelt die Verfolgung der Sinti und Roma aus der Region Ingolstadt vor, während und nach dem Nationalsozialismus. Thematisiert wird auch die sogenannte „zweite Verfolgung“ nach 1945: Der lange Weg zu einer Anerkennung des Völkermordes, der Kampf um Entschädigungsleistungen und gegen die polizeiliche „Sondererfassung“. Die Ausstellung beleuchtet außerdem die aktuelle Situation für Sinti und Roma in Europa, Deutschland und in Ingolstadt.
Am Sonntag, 10. Dezember, lädt das Stadtmuseum um 15 Uhr zur Kuratorinnenführung mit Agnes Krumwiede durch die Ausstellung.

Mindestens 60 Angehörige der Sinti und Roma, die vor oder nach 1945 in Ingolstadt und Region gelebt haben, wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. 18 Einzel- und Familienbiografien stehen exemplarisch im Mittelpunkt der Ausstellung und werden in Verbindung gesetzt zu historischen Ereignissen. Durch die Verknüpfung von Zeitgeschichte mit individuellen Schicksalen sollen Kontinuität und Systematik der Verfolgung und des nationalsozialistischen Völkermordes ebenso wie die „zweite Verfolgung“ nach 1945 anschaulich verdeutlicht werden.

Ursula Heilig (geborene Hartmann) kam 1937 in Schlesien zur Welt. Ab 1940 war sie gezwungen mit ihrer Mutter und einem Teil ihrer Familie in der Illegalität zu leben, da sie aus einer Sintifamilie stammte. Ab 1933 begannen die Nationalsozialisten schrittweise damit Sinti und Roma auszugrenzen, zu entrechten und zu verfolgen. Der sogenannte „Auschwitz-Erlass“ im Jahr 1942 bildete die Grundlage für ihre Deportation in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ihrer Tochter erzählte Ursula Heilig später, dass sie sich bis 1945 hauptsächlich in den Wäldern Oberschlesiens versteckte. Dabei ernährte sich die Familie größtenteils von Kartoffelschalen – manchmal halfen sie den Bauern und erhielten dafür Nahrungsmittel. Sobald Gefahr drohte, versteckten sie sich in selbstgegrabenen Erdlöchern. Für einige Zeit konnten Ursula Heilig und ihre Mutter bei Schaustellern unterkommen, die ebenfalls Sinti waren. Ursula berichtete später, sie seien dort nicht weiter aufgefallen – die Nazis hätten die Schausteller als Unterhaltung benötigt. Nach Kriegsende mussten Ursula und ihre Angehörigen wie andere Deutschstämmige aus Polen in den Westen fliehen. Sie ließen sich schließlich in der Nähe von Nürnberg nieder, wo Ursula und ihr Bruder zwar die Schule besuchten, von den Lehrern aber nicht beachtet oder gar gefördert wurden. Lesen und schreiben lernte Ursula nicht. Durch die Flucht und das Leben im Versteck erlitt sie schwere Gesundheitsschäden. Viele ihrer Verwandten wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet. Erst ab den 1990er Jahren erhielt Ursula Heilig eine monatliche Entschädigungszahlung. Bis ins hohe Alter engagierte sich die seit den 1970er Jahren in Ingolstadt Lebende als Zeitzeugin für die Erinnerungsarbeit. Am 18. August 2022 ist sie in Ingolstadt gestorben.

Die Kuratorin Agnes Krumwiede wird bei ihrer Führung durch einen Angehörigen eines in der Ausstellung Porträtierten unterstützt. Gemeinsam beleuchten sie auch die aktuelle Situation für Sinti und Roma in Europa, Deutschland und in Ingolstadt.