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21.10.2023

Ausstellungsbeginn „Unsere Menschen“

Sinti und Roma in Ingolstadt vor, während und nach der NS-Verfolgung

Der Ausstellungstitel ist ein Zitat. Deutschsprachige Sinti und Roma bezeichnen die Angehörigen ihrer Minderheit häufig als „unsere Menschen“, um ihre gemeinsame Zugehörigkeit auszudrücken.

Die Ausstellung „Unsere Menschen“ im Stadtmuseum Ingolstadt ab Sonntag, 22. Oktober, behandelt die Verfolgung der Sinti und Roma aus der Region Ingolstadt vor, während und nach dem Nationalsozialismus. Thematisiert wird auch die sogenannte „zweite Verfolgung" nach 1945: Der lange Weg zu einer Anerkennung des Völkermordes, der Kampf um Entschädigungsleistungen und gegen die polizeiliche „Sondererfassung“. Die Ausstellung beleuchtet außerdem die aktuelle Situation für Sinti und Roma in Europa, Deutschland und in Ingolstadt.

Mindestens 60 Angehörige der Sinti und Roma, die vor oder nach 1945 in Ingolstadt und Region gelebt haben, wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. 18 Einzel- und Familienbiografien stehen exemplarisch im Mittelpunkt der Ausstellung und werden in Verbindung gesetzt zu historischen Ereignissen. Durch die Verknüpfung von Zeitgeschichte mit individuellen Schicksalen sollen Kontinuität und Systematik der Verfolgung und des nationalsozialistischen Völkermordes ebenso wie die „zweite Verfolgung“ nach 1945 anschaulich verdeutlicht werden.

Durch die Kooperation des Stadtmuseums mit dem Ingolstädter Sinti Kultur- und Bildungsverein e.V. und dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma Bayern e.V. wurde die Ausstellung „Unsere Menschen“ möglich. Roberto Paskowski, der Vorsitzende des Ingolstädter Sinti Kultur- und Bildungsverein e.V. und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Bayern e.V., vermittelte und begleitete viele der Gespräche mit Angehörigen.

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede ist Autorin der allermeisten Katalog- und Ausstellungstexte. Zwei Jahre lang besuchte sie die Familien, zeichnete Gespräche mit Zeitzeugen/-innen und Angehörigen auf und recherchierte in diversen Archiven im In- und Ausland. Durch die von den Familien zur Verfügung gestellten privaten historischen Fotografien, teils bisher unveröffentlichte Zeitdokumente und die eindringlichen Zitate von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der ersten, zweiten und dritten Generation wird Zeitgeschichte lebendig vermittelt. Nicht nur in den Biografien der Opfer, auch was die gesellschaftliche Mitverantwortung und die Mittäterschaft betrifft, zieht sich der Bezug zu Ingolstadt und Oberbayern wie ein „roter Faden“ durch die Ausstellung.

Im Rahmen der Ausstellung und im umfangreichen Katalog werden überwiegend Biografien von bislang unbekannten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vorgestellt. Die Biografien sind in enger Zusammenarbeit mit Überlebenden des Völkermords bzw. mit deren Angehörigen entstanden. Auch bekanntere Lebensgeschichten von Mitgliedern der Familie Höllenreiner sowie der Familie Reichmann sind Bestandteil der Ausstellung: Die Familie Höllenreiner ist seit 60 Jahren in Ingolstadt ansässig. Die Familie Reichmann lebte hier bis 1939, die Zeitzeugin Zilli Schmidt (geborene Reichmann) und ihr jüngerer Bruder Otto besuchten in Ingolstadt die Volksschule. Zilli Schmidt erhielt im Jahr 2021 das Bundesverdienstkreuz. Im Ausstellungsbereich wird ein 45-minütiges filmisches Interview mit Zilli Schmidt gezeigt, das im Jahr 2020 entstanden ist.
Die Ausstellung ist multimedial konzipiert: Bisher unveröffentlichte Prozessaussagen von Zeitzeugen/-innen sowie Passagen aus Entschädigungsakten wurden für die Audiostationen von Schauspielern/-innen des Stadttheaters Ingolstadt eingesprochen, an Videostationen können die Besucher/-innen Interviews mit Zeitzeugen/-innen der zweiten und dritten Generation ansehen sowie historische Aufnahmen von Ingolstadt im Nationalsozialismus.
Durch die in den Biografien dokumentierten Aussagen von Zeitzeugen/-innen wird deutlich, wie stark der nationalsozialistische Völkermord, die Fortsetzung der Verfolgung nach 1945 sowie Diskriminierungen von Sinti und Roma in der Gegenwart bis heute das Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft beeinflussen.

Weit über 200 deutsche Sinti leben aktuell in Ingolstadt. Sie sind in ihrem Alltag nach wie vor von Diskriminierung betroffen. Diese Ausstellung möchte einen Beitrag leisten für ein besseres Verständnis und mehr Respekt für Sinti und Roma.


Stadtmuseum Ingolstadt 22. Oktober bis 17. März 2024
Kuration der Ausstellung „Unsere Menschen“: Janina Rummel und Agnes Krumwiede
Künstlerisches Konzept und grafische Umsetzung: Marc Köschinger
Kooperationspartner: Landesverband Deutscher Sinti und Roma Bayern e.V.
Sinti Kultur- und Bildungsverein Ingolstadt e.V.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Öffnungszeiten
Stadtmuseum Ingolstadt, Auf der Schanz 45, 85049 Ingolstadt
Montag geschlossen
Dienstag bis Freitag 9 bis 17 Uhr
Samstag / Sonn- und Feiertage 10 bis 17 Uhr

Führung für Medienvertreter
Freitag, 20. Oktober, 11 Uhr Zentrum Stadtgeschichte Ausstellungsräume

Kuratorinnen-Führungen mit Agnes Krumwiede und Angehörigen
jeweils sonntags um 15 Uhr am 12. November, 10. Dezember, 28. Januar, 25. Februar und 17. März