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17.02.2023

Klinikum rechnet mit Millionendefizit für 2023

Druck auf kommunale Krankenhäuser steigt

Kommunale Krankenhäuser geraten zunehmend unter Druck, erklärt Oberbürgermeister Christian Scharpf. Das Klinikum Ingolstadt geht von einem Defizit von 13 Millionen Euro für 2022 aus, für das laufende Jahr rechnet es mit 20 Millionen als Fehlbetrag. Bis ins Corona-Jahr 2020 hatte das Klinikum schwarze Zahlen geschrieben. Mit den Ursachen und der weiteren Entwicklung hat sich in dieser Woche der Aufsichtsrat beschäftigt.

„Aktuell sieht der Wirtschaftsplan ein Defizit von 20 Millionen Euro für das Jahr 2023 vor. Wenn sich die gesetzlichen Vorgaben nicht verbessern und sich eine weitere Verschlechterung der Einflussgrößen ergibt, wäre auch ein weit höheres negatives Jahresergebnis denkbar“, warnt der Aufsichtsratsvorsitzende, Ingolstadts Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf.

„Ingolstadt ist kein Einzelfall. Der Druck auf kommunale Krankenhäuser in Bayern und Deutschland nimmt insgesamt dramatisch zu. Der Deutsche und Bayerische Städtetag weist seit Längerem energisch auf die finanzielle Schieflage hin. Trotz aller Anstrengungen der Beschäftigten sowie der Krankenhausleitungen, insbesondere in der Zeit der Corona-Pandemie, können die Krankenhäuser aufgrund der unzureichenden Finanzierung der stationären Gesundheitsversorgung kaum noch ihre Kosten refinanzieren. Als Folge müssen viele Städte als Träger zunehmend ihre Krankenhäuser stützen“, warnt Scharpf.

Seinen Appell fasst er in deutliche Worte: „Der Reformbedarf des bisherigen Systems ist hoch, die Zeit drängt! Erforderlich ist in der jetzigen Situation:
• eine kurzfristige Sicherstellung der Liquidität der bedrohten Krankenhäuser durch den Gesetzgeber. Die hierfür vom Bund angekündigten sechs Milliarden Euro müssen nun schnell und unbürokratisch kommen.
• Es braucht vor allem eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung. Hier gibt es sehr hohe Erwartungen an die Bund-Länder-Gespräche hinsichtlich einer gesetzlichen Krankenhausreform zur Mitte des Jahres.
• Die regionale Krankenhausplanung muss der Freistaat Bayern aktiv in die Hand nehmen und ein Gesamtkonzept für die Krankenhausstruktur im Freistaat entwickeln. Die Träger in den Städten und Landkreisen dürfen mit dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden.“

Die Vergütung der Krankenhäuser erfolgt über gesetzliche Vorgaben und kann nicht individuell angepasst werden. „Die Fallpauschalen reichen kaum noch aus, um die seit 2022 stark gestiegenen Kosten auszugleichen. Das betrifft Ausgaben für relevante Bereiche wie Personal, Energie, Medikamente, Lebensmittel und Technik“, sagt Jochen Bocklet, Geschäftsführer Finanzen und Infrastruktur, Personal und Berufsbildungszentrum Gesundheit. Zusätzlich seien in Folge der Corona-Pandemie durch verschiedene Einflussfaktoren die Fallzahlen in den Krankenhäusern gesunken, damit öffne sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben.

„Aufgrund vieler Unwägbarkeiten können noch keine belastbaren Angaben für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr gemacht werden. Wir planen derzeit mit einem Defizit von 20 Millionen Euro“, stellt Bocklet fest. Neben dieser Finanzplanung wurden alternative Entwicklungsszenarien im vergangenen Jahr entworfen, die weitere externe Einflussfaktoren wie den Fortgang der Corona-Pandemie berücksichtigt haben. Das Worst-Case-Szenario geht von gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie im Klinikalltag aus – zumindest danach sieht es derzeit aber nicht mehr aus.

Lebenswichtige Versorgungsstrukturen mit hohen Fixkosten
Hoch ist in den Krankenhäusern der Anteil an fixen Kosten, die unabhängig von der tatsächlichen Nutzung anfallen. Allein die Personalkosten betragen im bundesweiten Schnitt 66 Prozent der Gesamtkosten (Stand 2019). Das Klinikum Ingolstadt hält in vielen Bereichen wie in der Notfallklinik, in den Intensivstationen, im Zentral-OP und in den spezialisierten Einheiten für Schlaganfälle und für Herzinfarkte rund um die Uhr lebenswichtige Versorgungsstrukturen vor, um nur einige Beispiele für personalintensive Bereiche zu nennen.

Vorgaben des Gesetzgebers beeinflussen zusätzlich die wirtschaftliche Entwicklung: Große Anteile der medizinischen Versorgung sollen aus dem stationären in den ambulanten Bereich verlagert werden. „Dieser im Prinzip richtige Ansatz muss jedoch mit Augenmaß und adäquater Finanzierung dieser Leistungen hinterlegt sein. Die Krankenhäuser benötigen Zeit, um sich auf diese neuen Anforderungen baulich und personell einstellen zu können. Erfolgt diese Leistungsverlagerung ohne adäquate Übergangsphase drohen den Krankenhäusern weitere Erlösverluste“, bemerkt Dr. Andreas Tiete, Geschäftsführer Medizin, Pflege und Informationstechnologie und Ärztlicher Direktor.

Verschiedene Maßnahmen sollen im Lauf des Jahres die Leistungsfähigkeit des Klinikums Ingolstadt erhöhen. Auf dem Dach des Klinikums sind zwei Modulstationen mit insgesamt 40 Betten geplant, um die Kapazitäten für die stationäre Versorgung auszubauen. Außerdem plant das Klinikum für dieses Jahr die Inbetriebnahme eines zusätzlichen OP-Saals im Zentral-OP.

Bundesweit haben die Krankenhäuser 2021 6,8 Milliarden Euro investiert, nur 47 Prozent davon wurden öffentlich finanziert (laut Krankenhaus-Barometer). Zwar unterstützt Bayern im Vergleich mit anderen Bundesländern stärker – trotzdem sind die Fördermittel bei Weitem nicht ausreichend. Das Klinikum Ingolstadt versucht aus Mitteln für die Krankenversorgung die bestehende Lücke zu füllen und musste ein 3-Tesla-Magnetresonanztomograph (MRT) über Kredit finanzieren, um eine umfassende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicher zu stellen. Gerät und Umbauten kosteten ca. 2,7 Mio. Euro. Patienten/-innen mit Verdacht auf Hirntumore, Demenz, Schlaganfall oder ein Prostatakarzinom können damit schneller und genauer diagnostiziert und damit besser behandelt werden.

Das Klinikum Ingolstadt bietet als eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Bayern die Behandlung komplexer Krankheitsbilder in Wohnortnähe. Es fördert z.B. anwendungsbezogene Forschung in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. Über 3.800 Mitarbeiter/-innen versorgen jährlich rund 100.000 Patienten/-innen in 21 Kliniken und Instituten. Zum Klinikum Ingolstadt gehört eines der größten deutschen Zentren für psychische Gesundheit in einem Allgemeinkrankenhaus.